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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Vor meinem letzten Pappentreffen



vir
10.06.2009, 13:24
An der Gepäckausgabe im Flughafen Tegel steht Adolf Muschg neben seiner japanischen Frau im Gedränge. Mit kurzem Blick auf die Lamellenstruktur des Fliesbandes schliesst er korrekt auf die Laufrichtung und bedeutet seiner Gattin mit einer Geste des Kopfes und einem Brummen, ihm an eine Stelle nahe des Kofferauswurfs zu folgen. Die sture Asiatin aber bleibt stehen wo sie steht. Sie trägt heute einen halblangen schwarzen Rock, zartlila Strümpfe und Ballerinas. Dazu ein riesiges dreieckiges Collier aus runden bunten Aluminiumscheiben. Ihr unbewegtes Antlitz erstrahlt in unendlicher Gelassenheit oder Langeweile.

Der Muschg, inzwischen seiner Alten auf der anderen Seite des Bandes gegenüberstehend, trägt ein grünes Polohemd ohne erkennbare Marke, weich fallende Cordhosen sowie braune Schuhe mit auffallend dicker Gummisohle, fast wie ein Ted. Über der linken Schulter der Tragriemen einer hochwertigen aber schlichten braunen Ledertasche, die sicherlich raffiniert ausgefeilte Manuskripte und weitere hochwichtige Papiere enthält. Stifte stecken in einer der aufgenähten Aussentaschen.

Er sinniert, sein Blick schweift ins Leere. Ganz klar, er denkt er sich gerade wieder Sätze aus, vor deren argumentativer Schärfe und moralischer Power der Doktor Christoph Blocher die Waffen strecken und klein beigeben täte, wenn er denn Argumenten zugänglich wäre, der verfluchte rechtsnationale Drecksack.

So denkt Muschg während sein von ungebändigtem weissem Haar umflaumter Schweizer Quadratschädel Züge von höchster Verbissenheit in der Mundpartie offenbart, die nur um die Augen herum von einem Quentchen Nachsicht gemildert scheinen. Seine glattrasierte Oberlippe ist riesig. „Homer Simpson“, denkt man unwillkürlich.

Eine dicke blonde Mamsell stürzt ihrem riesigen Koffer hinterher und bedrängt dabei unseren Germanisten. Mit einem aufs höchste gequälten Lächeln erträgt Professor Muschg den unbeholfenen Angriff. Mit der allergrössten Klarheit offenbart sich mir in diesem Augenblick, dass seine linksliberalen Maximen und seine gesamte moralische Haltung keineswegs natürlicher Neigung entstammen sondern das Produkt äusserster Willensanstrengung sein müssen.Ein Hauch von Respekt drängt sich mir auf.

Die Minuten vergehen, es erscheint das Gepäck Frau Muschgs. Obwohl es das ganze Oval des Fliessbandes umrunden muss, hat es die Shinto-Kuh bei sich, lange bevor sich seines auch nur blicken lässt. Er lässt sich dabei aber genausowenig Enttäuschung anmerken, wie sie sich Schadenfreude. Sie wartet apathisch sitzend vor dem Ausgang bis er enlich seinen Koffer hat. Langsam gesellt er sich zu ihr; schweigend verlassen sie Seite an Seite den Raum.

Frau H aus B
10.06.2009, 15:25
Ach, ist das schön.