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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Streep, Meryl kariert



Norma L.
02.01.2009, 14:28
In der späten Mitte der Siebzigerjahre erhielt mein Vater einen Ruf nach P., einer renommierten Universität an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Ich kam eben ans Ende meines Literaturstudiums, als er mir über meine Mutter ausrichten ließ, dass meine Gesellschaft dort ihn sehr froh machen würde. Da ich noch nie in den Staaten gelebt hatte und überdies in eine unglückselige Leidenschaft zu meinem Doktorvater verstrickt war, kam mir dieser väterliche Wunsch wie gerufen. Ich löste mich umgehend aus dem fatalen Dissertationsvorhaben, das eine in dramatischen Liebesgeschichten untergegangene österreichische Dichterin zum Inhalt hatte und folgte meinem Vater nach New Jersey. Diesen Schritt habe ich nie bereut, denn er zog nach sich, dass ich seither über Nachschub an Lieblingslektüre nicht zu klagen habe. Ich hoffe, diese Tatsache hält noch ein paar gute Jahre an.

In P. angekommen, bekam ich meinen Vater praktisch nie zu Gesicht. Man muss dazu sagen, dass damals die Wissenschaft sowie das soziale Leben dort recht lebendig und kompetitiv waren und, soweit ich höre, heute noch sind. Ich inskribierte mich sofort und stürzte mich in mein eigenes akademisches und sentimentales Leben, dem ich den Professor verdanke, der heute noch an meiner Seite ist, wenn ich auch ebenso wenig von ihm sehe, wie seinerzeit von meinem Vater. So ist nun mal der Lauf der Welt. Wir haben drei exzellente Kinder gemacht, und zwar mit Verve. Das muss wohl reichen. Hin und wieder konversieren wir angeregt im Badezimmer über unsre elektrischen Zahnbürsten hinweg, und er sitzt mir bei meinen Dinners gerne dort, wo ich ihn hintue und macht mir weiter keine Schande. Er liebt, wie mein Vater, seine begabten Studentinnen und sorgt für mich, indem er auch seine gut aussehenden Assistenten ins Haus bringt. Wir haben seit jeher getrennte Schlafzimmer. So kann man ewig verheiratet bleiben und einander gut sein.

In P. aber begegnete mir ein Inbegriff dessen, was ich seither mit Literatur und Schreiben verbinde, und ich bin glücklich darüber, dass ich die eine oder andre kleine Nähe mit meiner Literaturprofessorin, Joyce Smith und ihrem Mann Ray genießen durfte. Damit komme ich zum eigentlichen Gegenstand der hier anstehenden Paparazzierung, die in einen Winter an der Wende zu den Achtzigern zurückdatiert und in Chinatown stattfand. Der Creative Writing Kurs von Joyce Smith war seit Jahr und Tag mein Lieblingskurs in P. und ich hatte mich zu einer Art kontinentalen Faktotums im Smith’schen Haushalt hinaufgearbeitet. Das war vor allem dem Umstand zu verdanken, dass meine Professorin und ich unsere gegenseitigen Texte schätzten und freudig kommentierten, dass ich Chopin kannte, sowie meiner Bereitschaft, die Marschierwut meiner dünnen Lehrerin in der Gegend um P. zu teilen. Weiters war ich in der Lage, gegebenenfalls das Steuer des Wagens zu übernehmen. Sie war zu der Zeit dabei, eine bemerkenswerte literarische Größe zu werden. Man begegnete ihr allerdings von Seiten der Kritik mit manchem Vorbehalt, da sie so produktiv war (und blieb), dass es das Menschenmögliche schier zu übersteigen schien. Zu meiner Zeit hatte sie bald ihren ersten Bestseller unter ihrem Künstlernamen. Glücklicherweise ist sie bis heute so produktiv geblieben und ich hoffe, sie wird 120 Jahre alt, damit sie mich bin an mein seliges Ende mit Lesestoff versorgt.

In jenem Winter also fuhren wir nach New York. Ich durfte mit, auch als Fahrerin, falls es einen Schneesturm gäbe und wir uns am Steuer abwechseln müssten, um nicht wahnsinnig zu werden im Blizzardwirbel. Ein Abend in New York war einem Treffen gewidmet, das meine Lehrerin mit einer Schauspielerin vereinbart hatte, für die sie ein Stück schreiben wollte. Zu dem Zweck waren wir in die Wohnung der Freundin der Schauspielerin in Chinatown zum Dinner geladen. Wir, Smith’es und ich, trugen abartig große Brillen, wie es so üblich war in den Siebzigern. Die beiden Gastgeberinnen trugen hingegen Holzfällerhemden. Der Abend entwickelte sich im üblichen Sinne: Joyce Smith geriet in lebhafte und anregende Diskussion mit den Gastgeberinnen, Ray und ich waren auch da. Das Essen war mäßig. Die Schauspielerin war in natura wesentlich weniger schön und ätherisch als auf der Leinwand. Sie trug kein Makeup und ihr langes blondes Haar in der Mitte gescheitelt und mit einem Gummiring lose im Nacken zusammengehalten. Der Haushalt der Freundin erinnerte stark an das Ambiente ihres letzten Erfolgsfilms, Kramer vs. Kramer.

Meryl Streep gefiel mir lange nicht so gut wie C.D.. Nun gut, ich war ja auch schon wesentlich älter und nicht mehr leicht zu beeindrucken. Als mir aber vor circa 15 Jahren - etwas vor der Zeit von "Brücken am Fluss" - ein Mann in einem Altwiener Café sagte, ich erinnerte ihn an Meryl Streep als Karen Blixen, war ich dann doch sehr geschmeichelt.

Lotta Krach
02.01.2009, 15:33
"..ich hoffe, sie wird 120 Jahre alt, damit sie mich bin an mein seliges Ende mit Lesestoff versorgt."

Annie Malisch
02.01.2009, 16:01
Helmut Schmidt am Klavier, Meryl Streep zum Dinner, bald schaut auch der Papst mal herein, bestimmt.
Aber das nur am Rande, ich finde diese Geschichten allesamt herzlos--perfekt dahingeschrieben zwar--aber immer ohne Wärme, ohne Gefühl.
Die " angeregten Konversationen im Badezimmer" möchte ich mir nicht vorstellen müssen, da wird mir noch kälter als es ohnehin schon ist.
Ein durch und durch perfekter Mensch, mit drei " exzellenten Kindern". Schrecklich.

Lotta Krach
02.01.2009, 16:07
Schrecklich?
Vielleicht mal ein neues Internet installieren, Frau Malisch,
die Norma L.-Geschichten in meinem sind großartig.

Annie Malisch
02.01.2009, 16:19
Wie ich sage: sie sind großartig--und das ein bisschen zu sehr. Großartig.

Aber da ist ja nun mein dummes Internet schuld dran, hätt ich auch vorher drauf kommen können.

Stimmen
02.01.2009, 17:41
Es ist nicht das Internet, es ist der Kopf. Und zwar recht massiv.

Annie Malisch
02.01.2009, 17:50
Stimmen, wenn Ihnen der Kopf schmerzt, so zweifle ich keine Sekunde daran. Gute Besserung.

Angelika Maisch
02.01.2009, 18:26
in meinem Internet kann ich auch nicht über einen Mangel an Wärme und Gefühl klagen, die mir über die Geschichten werden.
Wenngleich Frau Norma eher mit einem Sprühzerstäuber als mit dem Dampfstrahler arbeitet.
Tatsächlich findet man oben das Rezept für eine langzeitig gut funktionierende Ehe: Sich gegenseitig keine Schande machen und möglichst nicht zu oft und zu nah aufeinanderhängen.
Das ist nicht herzlos, das ist pragmatisch.

Herr Genista
02.01.2009, 20:19
Malisch, redens doch nicht unentwegt so einen aufgeplusterten Bessermenschen-Blödsinn daher.

Tolle Geschichte, und das obwohl ich mir die Turnpike vorstellen musste beim Lesen, erschwerte Toll-Bedingungen. Entschuldigung, schlechte Wortspiele, die man zudem gar nicht versteht, sind hier wirklich nicht angemessen.

bangen
02.01.2009, 20:57
Die Geschichten von Norma L funktionieren in diesem Forum wie Groschenromane. Oder hat jemand eine andere Erklärung?

Alberto Balsam
02.01.2009, 21:00
Der klassische Bangenreflex, immer wenn Genista etwas schreibt, muss Bangen, Achtung, alte Forumssprache, etwas dazusenfen

Alberto Balsam
02.01.2009, 21:05
gut auch, dass Bangen sich ziert zu schreiben "ist ein Groschenroman", stattdessen eben "funktioniert wie", dh? Viele Leute kaufen es, obwohl ein Groschen in Deutschland viel mehr wert war als in Österreich? Man versteht manchmal so wenig, und dann stößt man unverhofft auf Numispedia (http://www.numispedia.de/Groschen), dass der Groschen ein dicker schwerer Pfennig ist, obwohl er in Österreich ja ein billiges, dünnes Aluplättchen war

Saposcat
03.01.2009, 18:46
...

bangen
03.01.2009, 19:21
Groschenromane funktionieren indem sie den Leser am Leben der höheren Kreise teilnehmen lässt. Typischerweise Adelige, Ärzte oder auch mal Oberförster. Trotzdem bieten sie Identifikationsflächen. Ich denke nicht dass dies meine private Sicht ist.

Im SL kann man natürlich, wenn man es möchte auch einen Trivialroman spielen. Nur man muss aktiv mitmachen und dazu bedarf es gewisser Fähigkeiten.

DREA
03.01.2009, 19:24
Johannes Mario Simmel hatte mit Großkritikern ganz ähnliche Probleme, hört man.

user_ohne_namen
04.01.2009, 08:06
also, mich erinnern die geschichten von der norma immer an püschel-knies-texte.
eine erklärung habe ich aber auch nicht dafür.

1A Trottelindikator
04.01.2009, 16:46
ping

bangen
04.01.2009, 17:46
cool

Klede
04.01.2009, 18:52
I like horses, but here, I'm riding on a mule.

Klaus Caesar
04.01.2009, 18:54
Ich weiß natürlich mal wieder nicht genau, wer Meryl Streep ist, ahne aber immerhin, dass es nicht ganz einfach sein muss, das nicht zu wissen. An der Geschichte stört mich nicht viel, wohl aber die alberne Abkürzung des Orts des Geschehens. "In der späten Mitte der Siebzigerjahre erhielt mein Vater einen Ruf nach P., einer renommierten Universität an der Ostküste der Vereinigten Staaten", das ist ungefähr so wie "Neulich war ich bei Juan Carlos I. zu Gast, König von S., einem großen südwesteuropäischen Land."

Klede
04.01.2009, 19:01
Und warum wird Joyce Carol Oates zur Joyce Smith?

Nicki Tuete
04.01.2009, 19:49
Durch Heirat?

vir
05.01.2009, 22:45
Auch wenn sie - kaum bin ich gegangen - unverzüglich anfangen, schlecht über mich zu sprechen: Ich mag Klaus Cäsar und Klede.

bangen
07.01.2009, 03:48
KC, du kannst das natürlich nicht wissen, aber man sagt in den Kreisen schon "Pi" , "Wai" und "Aitsch". Und schriftlich benutzt man, ganz ohne Dünkel oder Snobismus nur die Anfangsbuchstaben. Recht hast du damit, dass hier Norma L nicht genügend an ihre Zielgruppe dachte.

Klede
07.01.2009, 10:04
In welchen Kreisen denn, bangen?

Klaus Caesar
07.01.2009, 12:48
bangens Gehirn ist so groß wie die Milchstraße und bis zum Rand gefüllt mit Checkermaterie.

Klede
07.01.2009, 12:54
Bangens Gehirn ist ein riesiger, dunkler Klabusterbeerenwald, in dem man nicht die Hand vor den Augen sehen kann.

Stimmen
07.01.2009, 13:07
Bangens Gehirn ist ein Helium-3-Kernfusionsreaktor, um den herum Ingeborg die Hasenente hüpft.

Klede
07.01.2009, 13:17
Bangens Gehirn likes horses, but here, it's sitting on a mule.

Saposcat
07.01.2009, 13:32
...

Klaus Caesar
07.01.2009, 13:37
Das weiß sogar ich, der ich nicht mal weiß, was eine Einbahnstraße von tiefem Wasser ist: Gemeint ist die ostpreußische Schauspielerin Cathrin Dönhoff.

Saposcat
07.01.2009, 13:52
...

Klede
07.01.2009, 14:00
C.D. ist so einfach, so naheliegend, dass ich mich schaemen muesste, verriet ich es.

maki
07.01.2009, 14:23
Ja klar, für dich ist "Chinesisches Dickerchen" natürlich naheliegend.

Klede
07.01.2009, 14:28
Bangens Gehirn hat eine Affinitaet zu Freizeitbaedern.

Edding Kaiser
07.01.2009, 14:57
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit bangens Gehirn Geld verdienen kann.

rron
07.01.2009, 15:05
Vielleicht, wenn es zum Iro einen Anzug trüge, Elektropunk hören würde und immer noch dieses urbane Lebensgefühl des HipHop in sich hätte?

Kunta Kinte
07.01.2009, 15:10
Ein Freizeitbad ist wie Theater, da muss Geld zugeschossen werden.
Mit dem Unterschied dass man im Bad überall hinpinkeln darf. Vielleicht meinte Klede ja das.

Klede
07.01.2009, 15:10
Bangens Gehirn ist quasi so eine Art Jugendsubkultur-Bastard mit Mut zur Veraenderung.

Klede
07.01.2009, 15:13
Ueberall hinpinkeln? Ueberall? Das waere ja der Darkroom unter den Freizeitbaedern. 13K, liest du mit?

Pauli
11.01.2009, 17:30
Jessas, immernoch so viele sehrsehr traurige Menschen hier.
Grauenvolle Manufaktumfaschos.

slowtiger
11.01.2009, 19:06
Las zuerst "Erstes ungewaschenes Posting anzeigen", dann das Posting. Paßt.