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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Heller, André (hatscht)



Norma L.
15.07.2008, 15:37
Das Wienerische und André Heller sind gut Freund. Deshalb erlaube ich mir auch den Gebrauch des Wortes 'hatschen', um zu beschreiben, was meine heutige Begegnung mit André Heller auszeichnet. Wie man weiter unten lesen kann, trat mir der Meister schon in mehrfacher Gestalt vor Augen. Heute also hatschend. Man muss das a lange sprechen. Haaatschen. Hatschen bedeutet zirka 'etwas schleppend hinken'.

In unserer Gasse der Begegnung, immer derselben Herrengasse, wie es scheint – nun ja, er wohnt nicht weit und mir liegt’s auch auf dem Wege – biegt also, während ich vom Schwimmen heimwärts schlendere auf der stadtauswärtsliegenden Straßenseite, beim neugotischen Palais Ferstel, das das berühmte Café Central beherbergt, André Heller auf der anderen Straßenseite in die Gasse und ist mir fortan leicht voraus da drüben. Er hält ein Mobiltelefon ans linke Ohr und spricht. Er trägt schwer an der Last der Tage, wie es scheint. Zunächst kann ich nicht genau ausmachen, woher ich diesen Eindruck empfange. Aber auf den nächsten hundert Metern wird es deutlich: André Heller hat’s am Bein. Ich würde sagen, am rechten Knie. Entweder hat er ein Neues bekommen vor einiger Zeit oder er braucht vielleicht mal eins. Er tritt vorsichtig auf in seinen schwarzweißen Sneakers – Nikes, würde ich sagen. Wenn der das Bein nach vor setzt, hebt er es grad die Spur zu ruckartig und auch zu hoch an. Diese Vorgangsweise tariert er mit der rechten Schulter aus, die er dann weiter nach unten sinken lässt. Obwohl er eine helle, schlanke, feine, lange Wildlederjacke zum schwarzen T-Shirt und den schwarzen schmalen Hosen trägt, wirkt er wie erdrückt unter der Last der Jacke.

Leider ist er mir dann doch so weit voraus, dass er mir aus den Augen entschwindet. Ich bin noch in der Herrengasse, er schon beim Looshaus, am Michaelerplatz. Vielleicht ist er zu seinen Lieblingstoten gegangen, in die Michaelergruft. Memento mori. Würde zu ihm passen, sich mit den Mumien im barocken Spitzenhemd zu besprechen, wenn ihn das Knie plagt. Finde ich. Schließlich hat er sich sehr dafür eingesetzt, die Michaelergruft zu retten, damals 2005, als sie von den apokalyptischen Geschwadern der Rüsselkäfer bedroht war. Die Mumien sind gerettet. Ich habe seitdem das ferne Brummen der rettenden Klimaanlage im Ohr, Tag und Nacht.

Norma L.
15.07.2008, 15:38
So, nun stelle ich noch die im Forumscrash versunkene Hellergeschichte aus 2005 ein, dem Jahr der Rüsselkäfer.

Norma L.
15.07.2008, 15:41
Wer bin ich eigentlich? Ich höre den Nachhall, die unverwechselbare Stimme aus dem alten Chanson des Narziss terrible der Wiener Kunstszene, in die Jahre gekommen, weltbekannt, verachtet und geliebt von allen möglichen Öffentlichkeiten, seit er vor dieselben getreten ist als Diskjockey in den späten Sechzigern. Mir begab sich neulich folgende Begegnung mit ihm:

Ich ging vor mich hin im Abendsonnenglanz mit schweren Einkaufstüten in einer schattigen Gasse der Inneren Stadt und blickte zur Ablenkung in die Auslagen: persische Teppiche, orientalische Geschmeide. Plötzlich leuchtet es in meinem Herzen, wie von heller Liebe und Sonne. Ich hebe den Blick. Eine Lichtgestalt kommt mir entgegen. Ein unendlich freundlich, licht und gut aussehender André Heller. Ein Meister, wenn man den alten Schriften glauben darf. Er wird nun seinem Namen ganz gerecht. Er leuchtet. Und redet mit Engelszungen in ein silbriges Mobiltelefon, sein lockiges Haar glänzt im selben weiß schimmernden Ton wie das Funkgerät und sein Kapuzenteil, das sicherlich von einem - ich würde meinen japanischen – Designer stammt. Zeitlupe setzt ein. Wahrscheinlich berühren seine Füße den Boden nicht. Er schwebt an mir vorbei, immer freundlich in das Telefon sprechend, aufrecht ohne Anspannung, gelassen, ein Bild des geglückten Lebens. Er ist eine der wenigen Berühmtheiten, die dann doch größer gewachsen sind, als man denkt. Ich muss stehen bleiben, mich blöd umdrehen und ihm nachsehen, damit ich noch mehr Glanz einatmen kann, der ihm sogar in der Rückenansicht entströmt. Dann nehme ich meinen Weg wieder auf und denke: Siehe, ich bin nicht die Magd des Herrn. Jedoch dieser hier hat eine Stufe erreicht, die ihn doch mindestens zum Hohepriester qualifiziert, egal wie man über seine Kunstprojekte denkt. Ich will wieder mehr meditieren.

Ich berichte über diese Begegnung manchen Freunden und die Diskussion schwingt herum, wie er das wohl macht. Also meditieren, sicher. War er nicht einst in Analyse? Nach C. G. Jung, versteht sich. Kreativ sein und beherzt als Gutmensch vortreten? Viel Geld nehmen für die Arbeit, aber auch denen zahlen, die sie dann machen, soweit man hört. Sich mit schönen Dingen umgeben. Lernen über die Welt und was dahinter ist. Von einer Liebe in die andre sinken. Ein Haus bauen, einen Sohn zeugen, einen Baum pflanzen. Herrlich.

Zwei Tage später gehe ich im späten Morgengrauen in entgegen gesetzter Richtung in der Parallelgasse Richtung U-Bahn. Ich sehe von weitem einen großen schwarz gekleideten Mann mit einer schwarzen Mappe unterm linken Arm. Er blickt zu Boden, eine dunkle Wolke umschwebt ihn. Er geht vorgebeugt, fast wie im Gegenwind. Er fällt auf, weil er so groß und dunkel ist und schwer. Seine Schultern sind gebeugt, der Kopf ein wenig vorgestreckt, der Blick gesenkt. Er kreuzt meinen Weg kurz vor der Treppe zur U-Bahn. In einem Abstand von drei Metern merke ich plötzlich, wer das ist: André Heller. Die dunkle Seite. Sein schwarzer Gehrock mit dem Stehkragen und den feinen Nadelstreifen sitzt perfekt auf den gebeugten Schultern. Er hätte dieses Gewand am andern Tage nicht tragen können, es hätte mit Sicherheit Falten geworfen im Rücken. Sein Gramrock.

Da geht er hin, und ich bin irgendwie beruhigt. Er ist ein Mensch, er polarisiert, sogar sich selber. Ich muss nicht soviel meditieren. Ich kaufe mir weiße Schuhe und eine weiße Jacke und strahle.

l_tu
15.07.2008, 18:46
...

Norma L.
15.07.2008, 18:59
Ja, Sie haben recht, vielleicht ist es der Zeh!

Ich kann übrigens beide Phänomene bestätigen, sowohl die schnelle Heilsamkeit diverser Zehenbrüche, als auch das Nachschwingen des Meeres im Bett - noch monatelang nachdem ich Amerika auf dem Seeweg erreicht hatte, schwang in mir zur Nacht das Große Meer.

Keine Naziträume, zum Glück.