seven
11.04.2007, 23:42
Es gibt gar nicht so wenig Leute die es einmal für eine gute Idee gehalten haben, selbstverfasste Lieder am Klavier vorzutragen, durch Kneipen, Buchhandlungen und Kulturclubs zu tingeln und zu hoffen, damit so etwas wie der deutsche Randy Newman zu werden. Ich war auch mal einer davon.
Wie man heute sehen kann, ist daraus nicht viel geworden. Die Sache war auch nicht ganz ohne Peinlichkeiten aber immerhin bin ich dadurch der Einzige in meinem Bekanntenkreis der von sich behaupten kann, einmal von Elke Heidenreich interviewt worden zu sein. Das ist doch schon mal was.
Der Hessische Rundfunk / Hörfunk hatte vor fast zwanzig Jahren eine Reihe die hieß ‚KannIch Live – Eine Sendung mit Stars und solchen, die es werden wollen’.
Vor allem von ‚solchen’ waren immer viele da.
Es wurde Live vor Publikum gesendet. Moderatoren waren Hanno Heidrich und eine Zeit lang eben auch Elke Heidenreich, die schon damals eine ziemliche Berühmtheit war.
In den Sendesaal des Hessischen Rundfunks war nun also auch ich mit meinem ‚frechen, satirischen Soloprogramm’ eingeladen.
Ich kam pünktlich am Nachmittag dort an und mir war überhaupt nicht ‚frech’ oder satirisch’ zumute, sondern nur mulmig. Die anderen Gäste waren offenbar genauso unbekannt und unbeholfen wie ich.
Zunächst einmal wurde geprobt, auf dass Sound usw. auf das Professionellste eingestellt würden. Wer da gerade nichts zu tun hatte, lungerte herum und hörte zu.
Es gab außer mir noch ein paar Musikgruppen, an die ich keine Erinnerung habe außer dem Neid, dass die nicht alleine herumsitzen mussten. Dann eine Schriftstellerin, mit unaussprechlichem afghanischen oder persischen Namen und einem Gesicht, welches klar signalisierte, dass das Kirschenessen auch heute woanders stattfindet.
Dann noch die Komiker, zu denen auch ich irgendwie gerechnet wurde.
Comedy sollte hernach in Siebenmeilenstiefeln das Land erobern, damals aber hatte das Genre noch nicht mal die Kinderschuhe über. Man war halt Kabarettist, Satiriker oder eben Komiker oder irgendeine Mischung davon.
Der Hesse Martin Schneider (‚De Maddin’) war da, der damals noch Theologie studierte anstatt im Privatfernsehen die Zähne zu blecken. Ein freundlicher und bescheidener junger Mann, der mir heute immer ein wenig Leid tut, wenn ich ihn im Fernsehen mit diesem Hessenmaul herumkaspern sehe.
Dann jemand, der Kalle Pohl hieß und schon damals irgendwie wie ein Profi agieren konnte, ohne dabei lustig zu sein und das bis heute bei ‚Sieben Tage sieben Köpfe’ u.ä. durchhält. Er sang ein Lied mit dem Titel ‚Rettet die Currywurst’, so eine Art Anklage oder Zeitsatire gegen McDonalds usw. Das Ganze auf Kölsch oder im Ruhrpottslang oder so was, mit Refrain zum mitsingen.
Jedenfalls war die Moderatorin Elke (so durften wir sie nennen) schon bei der Probe von dem Mann begeistert.
Die also sollten alle vor mir auftreten.
Das konnte dauern.
Proben mussten wir alle. Die ganzen Leute mit Instrumenten usw., Schneider, Pohl, Bange und auch die arabische oder iranische Autorin mit den schlechten Kirschen.
Und mir war auch nicht gut.
Als ich dann endlich an der Reihe war und gerade am Klavier Probe saß, ertönte die Stimme von Else Strathmann, bzw. Elke Heidenreich von irgendwo aus dem Zuschauerraum: „Schluss, aus! Wer hat denn den Mann da hingesetzt? Das ist doch unmöglich!“
Es war in dieser Situation – obwohl ja nur Probe! - kaum sinnvoll, sich einreden zu wollen, sie habe jemand anderen gemeint.
‚Ja! Es hat ja so kommen müssen! Dich meint sie, dich und deine hingerotzten, mediokren Songs, du armer Irrer. Was hat dich geritten, jemals diese Halle zu betreten und vor diesem Drachen in die Tasten greifen zu wollen. Hier kommt der gerechte Blitz der dich vernichten wird, nimm’s hin in Demut.’
Dann stand sie vor mir, kerzengerade und unbarmherzig und sagte: „So kann dich doch hier niemand sehen, wir müssen dich woanders hinsetzen.“
Ach so.
Gottseidank gab es noch den damals noch nicht so bekannten hessischen Mundartkomiker Rainer Bange. Einer der freundlichsten Menschen, die mir in dieser Zeit über den Weg gelaufen sind.
Nach den Proben, war noch so viel Zeit, dass Rainer Bange und ich in ein nahe gelegenes Cafe gehen konnten um unsere Wunden zu lecken. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass er mindestens so nervös und aufgekratzt war wie ich. So kann man sich täuschen.
Immerhin war der Mann damals schon ein gutes Stück über 60 und im Begriff seinen Beruf als Architekt an den Nagel zu hängen. Schon als Schüler habe er sich gewünscht, als Komiker auf der Bühne die Leute zum Lachen zu bringen, habe Theo Lingen und andere Schauspieler imitiert und auch in den Jahrzehnten seines Berufslebens nie aufgehört davon zu träumen, einmal vor Publikum stehen und Späße machen.
Das hat er in den folgenden Jahren mit viel Erfolg getan.
Dann ging es schließlich los mit der Live-Sendung.
Das Ganze rauschte ziemlich flott an mir vorbei und aus dem Gewusel ist mir nur noch folgendes in Erinnerung:
Die Combos spielten Unverfängliches im Combostil, Kalle Pohl sang ‚rettet die Currywurst’, die kurdische Schriftstellerin litt publikumswirksam und auf aramäisch und/oder unter schlechten Kirschen und Martin Schneider sagte ungefähr acht Mal ‚Aschebeschä’.
Der Einzige, der an diesem Abend wirklich witzig war, war Rainer Bange, der seine Familie Kleinschmidt zum ersten Mal im Radio vorstellte und sich vor lauter Nervosität ständig verhaspelte.
Irgendwann dazwischen hatte auch ich meinen Auftritt. Ich spielte ein Lied über Bad Homburg, in dem die Zeilen „wir lassen uns durch die Strassen treiben und lallen gedankenschwer, und wenn wir uns vom Kirchturm stürzen, fallen wir vielleicht aus Versehn auf `nen Millionär“ vorkommen. In dem Stil ging es weiter.
Die anderen Songs weiß ich nicht mehr.
Das Publikum reagierte mit freundlicher Zurückhaltung.
Es war fürchterlich.
Dann kam Elke Heidenreich und hatte ein Mikrofon in der Hand.
Dass es ziemlich schlimm werden würde hatte ich vorher schon geahnt, aber dass es SO werden würde war dann doch neu.
‚Du machst ja ziemlich ungewöhnliche Texte, wie fällt Dir so etwas ein?
Aussetzer, Blindheit, totale Leere.
‚Die Wolken Deiner Blödheit kriechen wie ein Schmetterling durch die Abwässer meiner Seele’, was willst Du mit diesem Titel aussagen. Ist das einfach nur Nonsense?
Schwindel, bleierne Taubheit, das Gefühl, nicht mehr dazu zu gehören.
‚Du arbeitest ja in einem völlig anderem Beruf als das, was wir hier erlebt haben. Willst Du nicht irgendwann wechseln? Zum Beispiel Journalist werden?’
Aufkeimender Zorn, Wortfindungsstörungen, autoaggressive Impulse, Lähmung des zentralen Nervensystems
Aber Elke lässt nicht locker.
‚Guck mal die Tante hier an (meint sich selbst), die hat’s im Rundfunk doch auch zu was gebracht Wäre das nicht auch was für Dich.’
Panik, Resignation, Lust zu schreien: Wir werden alle sterben!
Ganz ehrlich: Ich weiß noch, was Frau Heidenreich gefragt hat. Aber ich weiß nicht mehr, was ich geantwortet habe. Das ist weg. Wie nie gesagt.
Es gibt eine Kassettenaufnahme von dieser Radiosendung. Die habe ich aber nie gehört. Ich habe die Sache so ungefähr in Erinnerung behalten und manchmal daran gelitten.
Ich habe das noch nie so erzählt, obwohl es schon so viele Jahre her und mir eigentlich auch nicht mehr peinlich ist. Eher gleichgültig.
Wenn ich heute Elke Heidenreich im Fernsehen sehe, umfängt mich aber sogleich wieder ein Hauch der reptilischen Kälte, die ich als Erinnerung an diese Begegnung mitgenommen habe. Das kalte Flimmern aus einer Welt wo andere sich zuhause fühlen. Manchmal weiß ich warum ich froh bin, es bis dort hin nicht geschafft zu haben.
Wie man heute sehen kann, ist daraus nicht viel geworden. Die Sache war auch nicht ganz ohne Peinlichkeiten aber immerhin bin ich dadurch der Einzige in meinem Bekanntenkreis der von sich behaupten kann, einmal von Elke Heidenreich interviewt worden zu sein. Das ist doch schon mal was.
Der Hessische Rundfunk / Hörfunk hatte vor fast zwanzig Jahren eine Reihe die hieß ‚KannIch Live – Eine Sendung mit Stars und solchen, die es werden wollen’.
Vor allem von ‚solchen’ waren immer viele da.
Es wurde Live vor Publikum gesendet. Moderatoren waren Hanno Heidrich und eine Zeit lang eben auch Elke Heidenreich, die schon damals eine ziemliche Berühmtheit war.
In den Sendesaal des Hessischen Rundfunks war nun also auch ich mit meinem ‚frechen, satirischen Soloprogramm’ eingeladen.
Ich kam pünktlich am Nachmittag dort an und mir war überhaupt nicht ‚frech’ oder satirisch’ zumute, sondern nur mulmig. Die anderen Gäste waren offenbar genauso unbekannt und unbeholfen wie ich.
Zunächst einmal wurde geprobt, auf dass Sound usw. auf das Professionellste eingestellt würden. Wer da gerade nichts zu tun hatte, lungerte herum und hörte zu.
Es gab außer mir noch ein paar Musikgruppen, an die ich keine Erinnerung habe außer dem Neid, dass die nicht alleine herumsitzen mussten. Dann eine Schriftstellerin, mit unaussprechlichem afghanischen oder persischen Namen und einem Gesicht, welches klar signalisierte, dass das Kirschenessen auch heute woanders stattfindet.
Dann noch die Komiker, zu denen auch ich irgendwie gerechnet wurde.
Comedy sollte hernach in Siebenmeilenstiefeln das Land erobern, damals aber hatte das Genre noch nicht mal die Kinderschuhe über. Man war halt Kabarettist, Satiriker oder eben Komiker oder irgendeine Mischung davon.
Der Hesse Martin Schneider (‚De Maddin’) war da, der damals noch Theologie studierte anstatt im Privatfernsehen die Zähne zu blecken. Ein freundlicher und bescheidener junger Mann, der mir heute immer ein wenig Leid tut, wenn ich ihn im Fernsehen mit diesem Hessenmaul herumkaspern sehe.
Dann jemand, der Kalle Pohl hieß und schon damals irgendwie wie ein Profi agieren konnte, ohne dabei lustig zu sein und das bis heute bei ‚Sieben Tage sieben Köpfe’ u.ä. durchhält. Er sang ein Lied mit dem Titel ‚Rettet die Currywurst’, so eine Art Anklage oder Zeitsatire gegen McDonalds usw. Das Ganze auf Kölsch oder im Ruhrpottslang oder so was, mit Refrain zum mitsingen.
Jedenfalls war die Moderatorin Elke (so durften wir sie nennen) schon bei der Probe von dem Mann begeistert.
Die also sollten alle vor mir auftreten.
Das konnte dauern.
Proben mussten wir alle. Die ganzen Leute mit Instrumenten usw., Schneider, Pohl, Bange und auch die arabische oder iranische Autorin mit den schlechten Kirschen.
Und mir war auch nicht gut.
Als ich dann endlich an der Reihe war und gerade am Klavier Probe saß, ertönte die Stimme von Else Strathmann, bzw. Elke Heidenreich von irgendwo aus dem Zuschauerraum: „Schluss, aus! Wer hat denn den Mann da hingesetzt? Das ist doch unmöglich!“
Es war in dieser Situation – obwohl ja nur Probe! - kaum sinnvoll, sich einreden zu wollen, sie habe jemand anderen gemeint.
‚Ja! Es hat ja so kommen müssen! Dich meint sie, dich und deine hingerotzten, mediokren Songs, du armer Irrer. Was hat dich geritten, jemals diese Halle zu betreten und vor diesem Drachen in die Tasten greifen zu wollen. Hier kommt der gerechte Blitz der dich vernichten wird, nimm’s hin in Demut.’
Dann stand sie vor mir, kerzengerade und unbarmherzig und sagte: „So kann dich doch hier niemand sehen, wir müssen dich woanders hinsetzen.“
Ach so.
Gottseidank gab es noch den damals noch nicht so bekannten hessischen Mundartkomiker Rainer Bange. Einer der freundlichsten Menschen, die mir in dieser Zeit über den Weg gelaufen sind.
Nach den Proben, war noch so viel Zeit, dass Rainer Bange und ich in ein nahe gelegenes Cafe gehen konnten um unsere Wunden zu lecken. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass er mindestens so nervös und aufgekratzt war wie ich. So kann man sich täuschen.
Immerhin war der Mann damals schon ein gutes Stück über 60 und im Begriff seinen Beruf als Architekt an den Nagel zu hängen. Schon als Schüler habe er sich gewünscht, als Komiker auf der Bühne die Leute zum Lachen zu bringen, habe Theo Lingen und andere Schauspieler imitiert und auch in den Jahrzehnten seines Berufslebens nie aufgehört davon zu träumen, einmal vor Publikum stehen und Späße machen.
Das hat er in den folgenden Jahren mit viel Erfolg getan.
Dann ging es schließlich los mit der Live-Sendung.
Das Ganze rauschte ziemlich flott an mir vorbei und aus dem Gewusel ist mir nur noch folgendes in Erinnerung:
Die Combos spielten Unverfängliches im Combostil, Kalle Pohl sang ‚rettet die Currywurst’, die kurdische Schriftstellerin litt publikumswirksam und auf aramäisch und/oder unter schlechten Kirschen und Martin Schneider sagte ungefähr acht Mal ‚Aschebeschä’.
Der Einzige, der an diesem Abend wirklich witzig war, war Rainer Bange, der seine Familie Kleinschmidt zum ersten Mal im Radio vorstellte und sich vor lauter Nervosität ständig verhaspelte.
Irgendwann dazwischen hatte auch ich meinen Auftritt. Ich spielte ein Lied über Bad Homburg, in dem die Zeilen „wir lassen uns durch die Strassen treiben und lallen gedankenschwer, und wenn wir uns vom Kirchturm stürzen, fallen wir vielleicht aus Versehn auf `nen Millionär“ vorkommen. In dem Stil ging es weiter.
Die anderen Songs weiß ich nicht mehr.
Das Publikum reagierte mit freundlicher Zurückhaltung.
Es war fürchterlich.
Dann kam Elke Heidenreich und hatte ein Mikrofon in der Hand.
Dass es ziemlich schlimm werden würde hatte ich vorher schon geahnt, aber dass es SO werden würde war dann doch neu.
‚Du machst ja ziemlich ungewöhnliche Texte, wie fällt Dir so etwas ein?
Aussetzer, Blindheit, totale Leere.
‚Die Wolken Deiner Blödheit kriechen wie ein Schmetterling durch die Abwässer meiner Seele’, was willst Du mit diesem Titel aussagen. Ist das einfach nur Nonsense?
Schwindel, bleierne Taubheit, das Gefühl, nicht mehr dazu zu gehören.
‚Du arbeitest ja in einem völlig anderem Beruf als das, was wir hier erlebt haben. Willst Du nicht irgendwann wechseln? Zum Beispiel Journalist werden?’
Aufkeimender Zorn, Wortfindungsstörungen, autoaggressive Impulse, Lähmung des zentralen Nervensystems
Aber Elke lässt nicht locker.
‚Guck mal die Tante hier an (meint sich selbst), die hat’s im Rundfunk doch auch zu was gebracht Wäre das nicht auch was für Dich.’
Panik, Resignation, Lust zu schreien: Wir werden alle sterben!
Ganz ehrlich: Ich weiß noch, was Frau Heidenreich gefragt hat. Aber ich weiß nicht mehr, was ich geantwortet habe. Das ist weg. Wie nie gesagt.
Es gibt eine Kassettenaufnahme von dieser Radiosendung. Die habe ich aber nie gehört. Ich habe die Sache so ungefähr in Erinnerung behalten und manchmal daran gelitten.
Ich habe das noch nie so erzählt, obwohl es schon so viele Jahre her und mir eigentlich auch nicht mehr peinlich ist. Eher gleichgültig.
Wenn ich heute Elke Heidenreich im Fernsehen sehe, umfängt mich aber sogleich wieder ein Hauch der reptilischen Kälte, die ich als Erinnerung an diese Begegnung mitgenommen habe. Das kalte Flimmern aus einer Welt wo andere sich zuhause fühlen. Manchmal weiß ich warum ich froh bin, es bis dort hin nicht geschafft zu haben.