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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Stewart, Patrick (Samba oder Enterprise)



Parlamentarier
26.01.2007, 00:08
Es war Donnerstag, früher Nachmittag (ich glaube 2002), in meiner Geburts- und der Provinzstadt Mettmann, deren Name durch einen Film Hape Kerkelings ebenso bekannt wurde wie sterblich blieb.

Auch in meinem Taxi herrschte Donnerstagnachmittag, wiewohl sich in mir bereits ein leichter Freitag nach Feierabend ausgebreitet hatte. Ich beschloss also meine Netze in der Nähe der besseren, jedoch mässig besuchten Hotels auszuwerfen, um mich dort der Geruhsamkeit oder der zahlungskräftigen Kundschaft hinzugeben. Ich sollte einen Fang machen der mich wohl bis ans Ende meiner Tage quälen wird.

Hier am äussersten Rand der Stadt, getrennt von der lymphegefüllten Lebensader geschäftig schwellender älterer Beine mit Arzttermin, die die Dienste meiner Zunft benötigten, abgeschnitten von Frührentnerpensionen und deren Inhabern, die ihren Rausch von der Kneipe in das eigene Heim zu verlegen gedachten, um ihn dort seiner Vollendung zuzuführen, gehörte geduldiges Warten zum Handwerk.

Das Schicksal (vielleicht) schlich sich jedoch schon nach kurzer Zeit an. Aus dem gegenüberliegenden Hotel näherten sich zwei lässig-elegant gekleidete Herren meiner Kalesche. "Guten Tag! Do you speak english?" Aussteigen, Gepäck einladen. Einer sieht ein bisschen aus wie .... nein, das kann nicht sein. Beide steigen hinter mir ein, ordern eine Fahrt zum Flughafen Mönchengladbach.

Es war nicht dieses (für mich einträgliche) Ansinnen welches mich verunsichern sollte. Es war die Stimme von einem der Männer. Die Erinnerung an Stunden gemeinsamer Gefahren, geteilten Leids und gelebter Visionen.

Es war die Stimme von Jean-Luc Picard, Captain des Raumschiffes Enterprise. Gymnasium und ein Studienabbruch summa cum laude hatten mich befähigt, Taxi zu fahren und Serien in Ihrer Originalsprache anzusehen. Was ich im Falle von Star Trek auch tat. Weil, wenn man nur 85% versteht, 10% rät und 5% phantasiert, die Folgen nur halb so doof sind. So schien mir die Stimme also vertraut.

Ich zweifelte jedoch, ob Patrick Stewart tatsächlich schräg rechts hinter mir sass, fuhr los und nutzte dies geschickt um den Innenspiegel etwas mehr auf meine Passagiere zu fokussieren. Jedes erhaschte Detail verunsicherte mich mehr. Es schien alles zu stimmen, die Nase, die Gesichtszüge, die Stirn, der Haarkranz um die wohlvertraute Kopfform.

Was sollte Patrick Stewart in Mettmann zu tun haben (vielleicht in einem etwas abgelegenen Hotel absteigen?). Das Hotel hatte auch nur 4 Sterne (Perfekte Tarnung? Absage an Luxus zugunsten der Anonymität?). Was kann ein englischsprachiger Schauspieler in Deutschland schon verdienen? (Promotiontour? Fanclubtreffen? Fernsehauftritt?). Wenn er es wäre könnte er nicht anders klingen oder aussehen.

Ich lauschte den sporadisch zwischen meinen Passagieren ausgeteilten Sätzen, teils um dem Inhalt Hinweise zu entnehmen, teils um mich der Stimme zu vergewissern. Es passte alles.

Allein, es fehlte der Glaube ... Was tun? Ansprechen? (You look like the most convincing Patrick Stewart look-a-like ever!). Zu blöd ... wenn er es nicht ist, und wenn, dann erst recht. Ausserdem wenn, was dann? Stammelnde Fanbekenntnisse? (I have seen most of the episodes, can i have an autograph please?) Unter meiner Würde ! Und das 10tausendste deja vu für den Mann.

Ausserdem ist er ja auch ein guter Schauspieler und Shakespearedarsteller. Mal ein Zitat von Shakespeare benutzen? Mein Halbwissen lässt mich im Stich und erspart mir etwaige Peinlichkeiten.

"How long will it take us to get to the Airport?". Wieder die Stimme!

Blicke treffen sich im Spiegel.Ich muss mich zwingen den Mann nicht immer wieder anzustarren.

Weiss er dass ich vermute? Bin ich der erste Taxifahrer überhaupt der ihn nicht anspricht? Beobachtet er amüsiert? Wartet er auf die Frage ob er es ist? Oder ist er es am Ende nicht?

Die Fahrt verläuft überwiegend schweigend. Und endet schliesslich am Flughafen. Letze Chance .... doch noch ansprechen? Quittung schreiben, sehr gutes Trinkgeld. "Thank you!" "Thanks for the tip!". Will aussteigen, Koffer holen, letzte Gelegenheit den Mann noch einmal genauer in Augenschein zu nehmen."Stay seated, we ll get the luggage. Good bye !".

Bleibe also sitzen. Kann im Spiegel nicht mehr viel Erkennen. Fahre zurück. Nach Mettmann.

War er es? War er es nicht?.

War Patrick Stewart in Mettmann? Oder bleibt Hape Kerkeling das (blasse) Highlight der letzten Jahre?

Die Frage quält mich bis heute. Hatte ich das Recht eine Chance verstreichen zu lassen um die mich Millionen andere beneiden würden? Was habe ich (was hat/hätte Patrick Stewart) verpasst, weil ich ihn nicht angesprochen habe?

Ich schwanke zwischen "Nichts!" und einer Gelegenheit. Und habe bisher, wie damals im Taxi, geschwiegen. Wäre ich nicht ein so höflicher Paparazzi, ich wüsste heute die Antwort.

(In eigener Sache : Ich weiss es handelt sich wohl nur um eine Fast-, Vielleicht- oder Quasisichtung. Vielleicht auch nicht. In jedem Fall ist sie authentisch und bedrückt mich bis heute. Da dieses Forum z.Zt. etwas röchelt musste ich dieses Erlebnis unbedingt loswerden. Woanders hätte ich es wohl auch kaum erzählen können).

Herr Genista
26.01.2007, 00:31
Das ist genau die Medizin, die röchelnde Foren so brauchen. Und ich glaube, sowohl die Geschichte als auch das Erlebnis sind schöner, grade weil nicht angesprochen wurde. Ich habe mal vielleicht John Goodman gesehen, auf einem Parkplatz in New Mexico, und ihn zum Glück auch nicht angesprochen.

Alleine schon für seinen Auftritt in Extras (http://www.youtube.com/watch?v=3jGHMY7nzRs) müsste man Stewart übrigens ein bisschen verehren, wenn nicht sonst schon. Energize!

fabchief
26.01.2007, 14:41
Engage! (http://www.youtube.com/watch?v=OjNKyoRudOQ)

Parlamentarier
26.01.2007, 16:24
Vielen Dank für die beiden Links. Es scheint als wüsste Patrick Stewart zu überraschen, würfe man ihm nur Stock und Hut oder ein selbstgeschriebenes Manuskript zu. Sollte ich ihn (vielleicht) noch einmal treffen werde ich beides zur Hand haben.
Obwohl ich zum Schreiben nicht so ein schönes Büro wie Ricky Gervais habe. (Der ebenfalls sehr gut, wenngleich auch wie sonst, er selbst war)