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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sandra, (m)eine heilige „Maria Magdalena“



windiger
07.09.2006, 16:29
Einst, als ich noch jung und hoffungsfroh war,
berührte ich die heilige „Maria Magdalena“.
In ihrer annähernd menschlichen Gestalt suchte diese,
in meinen Augen seinerzeit leicht bulemisch aussehende Frau, die auf den Namen Sandra Cretu hörte, einen flüchtigen Körperkontakt zu mir.

Ich stand vor einer kleinen schäbigen Bühne einer Hamburger Großraumdiskothek (die inzwischen genauso im Arsch ist wie meine Hoffnung) und wartete auf das Fräulein Wangengrübchen, die es übrigens wie Modern Talking vollbrachte, mit annähernd ein und derselben Melodie unzählige Hits zu laden

Maria Magdalena – lalala - in the Heat of the Night – lalala - Innocent Love – lalala - Everlasting Love – lalala - Heaven can wait – lalala –

Was ich mit diesem kurzem Auszug ihres Schaffens sagen wollte, ist, diese Frau hatte ein mörderisches Talent – oder vielmehr ihr Mann hatte dieses Talent, da er ihr ja diese mörderrischen Songs schrieb und sie begleitend dazu nur noch als schön anzusehendes Sangespüppchen fungierte. Die Betonung liegt bei alledem übrigens auf mörderrisch; von Terrorakten sprach man in diesem Zusammenhang seinerzeit noch nicht.

Wow, ich fand sie wunderschön, als sie so leichtfüßig auf die viel zu kleine Bühne sprang. Ok, ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ein paar Bier intus, aber sie war wirklich schön. Ich mag knabenhaft aussehende Frauen, sollte man vielleicht zum besseren Verständnis wissen. Lediglich ihre langen Haare störten mich. Wenn sie eine Glatze gehabt hätte, dann hätte ich mir sogar alle ihre Album gekauft.
Oft stelle ich mir ja prominente Frauen glatzköpfig und ohne Titten vor, aber warum ich dies tue, dies tut hier nichts zu Sache.

Um mich herum sangen alle „Maria Magdalena“ mit und nach jedem Lied rief die leicht zu beeinflussende Meute: „Sandra, Sandra….

Zunächst tat ich ihnen gleich, doch dann tat ich es:

Ich drängelte mich an die Bühne und schrie rhythmisch meinen Namen. Also anstatt „Sandra, Sandra“ brüllte ich lauthals „Arne, Arne“. Zunächst stimmten lediglich zwei sturzbesoffene Typen mit ein, doch bereits nach wenigen Augenblicken sangen mindestens ein Dutzend Leute meinen Namen. Und was tat die Grübchenbarbie Sandra? Sie kam auf mich zu und ergriff meine Hand.

Ich glaube, sie dachte in diesem Moment, das ich einer ihrer größten Fans war, weil von mir so viel Energie aufs Volk überschwappte und ich so frenetisch sang. Und ich glaube überdies, das sie nicht hörte, das ich anstatt Sandra meinen eigenen Namen rief, zumal, als sie schließlich meine Hand ergriff, ich zum Wendehals wurde und plötzlich wieder „Sandra“ rief.

Ja, ja ich weiß, was für ein feiger Windelpupser …

Eigentlich wollte ich mir danach nie wieder meine Hand waschen. Aber da ich auch in dieser Nacht keine Frau fand, die umsonst mit mir Nachhause gehen wollte, stellte ich mir Sandra, irgendwann in meinem Bette angekommen, ohne Brüste und Kopfhaare vor - und diese Vorstellung, die war so schön, das ich mir bald darauf meine Hände dreckig machte.

…sozusagen: „In the Heat of the Night”

duden
07.09.2006, 16:44
Müde...ich bin plötzlich so entsetzlich müde...

Goodwill
07.09.2006, 16:57
Mit dieser Geschichte ist es so: Einerseits erfahren wir mehr über den Erzähler als wir wissen wollen. Andererseits bekommen wir über die Begegnung mit Sandra weniger mitgeteilt als zuträglich. Insgesamt sehe ich hier eine runde, ekelerregende aber leider auch pubertäre Erzählung vor mir, deren Hauptaussage lautet: Der Mensch ist eine Fahne im Wind bevor er zum Wichser wird.

Ovomaltine
07.09.2006, 17:19
arne ist sandra, daß ist doch ganz einfach

devokotbaer
07.09.2006, 20:44
Humpelt herein, macht einen Riesenhaufen, guckt ovo fragend an: woolttäst du nächt wegblaiben, hmmm?

windiger
07.09.2006, 22:48
Insgesamt sehe ich hier eine runde, ekelerregende aber leider auch pubertäre Erzählung vor mir, deren Hauptaussage lautet: Der Mensch ist eine Fahne im Wind bevor er zum Wichser wird.

Ich würde eher sagen, der Mensch kommt bereits als kleiner Wichser auf die Welt. Und dann dauert es noch einige Jahre, ehe er diese Ich-Kunstform erstmals praktizieren kann ...und noch ehe er diese auch nur annähernd beherrscht verlässt ihm meist die Kraft.

(das Leben ist schon verwichst und zugenäht)

So gesehen ist meine Geschichte metaphysisch betrachtet zwar immer noch unglaublich langweilig und langatmig aber zumindest im Ansatz gehaltvoll.

Und das sie sich etwas pubertär liest, die stimmt mich sogar glücklich, war ich zum Zeitpunkt dieser Begegnung schließlich höchstgradig spätpubertär angehaucht und habe somit doch den Flair eben dieser Zeit treffend eingefangen.



mfg

Sandra

bangen
07.09.2006, 22:52
Ich habe die Geschichte gern gelesen. Besonders das Tempo stimmt.

In welcher Grossraumdiskothek war das? Die in Wedel, Trittau, Kaltenkirchen oder Moisburg?

bettyford
07.09.2006, 23:16
Ach ihr seid doch alle Scheide-Sager, ich finde die Geschichte ganz vorzüglich, endlich mal etwas uneitles, flott dahergeschriebenes.

Nicki Tuete
08.09.2006, 10:38
Was betty sagt. Und auch weil es mich an einen Bekannten erinnert, der sich in den 80igern weigerte, sich selbst geschlechterspezifisch zuzuordnen! Sandra war für ihn Gott! Bis er Nick Rhodes von Duran Duran entdeckte. Dann war der Gott. Es fiel ihm auch leichter, sich hinter der Discothek bei Teekerzenlicht im Mofaspiegel ein schillerndes rhodsche Gesicht zu malen, anstatt dort im Halbdunkel mit viel Kajalgeschmiere Sandras Wangenknochen zu kopieren!

Knorke (Käpt´n)
08.09.2006, 11:51
Da fällt mir doch Gerd ein, ein alter Schulfreund, der erzählte mir mal, dass er in einer gewissen Phase sich nicht so richtige entschließen konnte ob er denn nun männlich oder doch eher weiblich sei und just in dieser Zeit bekam er nachts Träume, er sei ein Held, nämlich der „Super-Gerd“.
Er wurde daraufhin männlich und verkauft heute Nudelgerichte.

Nicki Tuete
08.09.2006, 12:03
Mein Gerd wurde auch männlich, machte eine kleine Fischzucht auf und ertrank höchstwahrscheinlich Mitte der 90iger im Traunsee. Die Leiche wurde nie gefunden! Zur Fischzucht bekannte er sich auch ungern öffentlich. Wenn ihn Fremde fragten, was er denn beruflich mache, dann antwortete er gerne, dass er für Geld in der Puppenfabrik Arschlöcher bohrt.

Rabauke
08.09.2006, 13:02
Toll! Endlich ein Gerd-Strang.

Mein Gerd war sehr einsam. Er behauptet der Sohn von Michael Knight zu sein und sich über den Gedankenweg mit ihm an jedem Ort der Welt unterhalten zu können. Gerd war Messie und hockte die meiste Zeit in seiner komplett vermüllten Wohnung in HH-Altona vor einem seiner neun semiheilen Fernseher und sah mehrere Programme gleichzeitig, wobei von dem einen der Ton eingespielt wurde und ein anderer das Bild beisteuerte. Wenn er im Fersehen nichts sehenswertes fand, was nur um Sonnenaufgang herum so war, stand er draußen auf der Staße und redete mit Autospiegeln.

Gerd war mal Friseur und in seiner Schrankwand stapelten sich Keralogie- und Wella-Produkte an der Zahl. In der untersten ausgebauten Schublade des Eichenkolosses hielt sich Gerd ein Kaninchen, welches bezeichnenderweise Kitt hieß. Irgendwann zündete Gerd seine Matratze an, der Hausmüll fing Feuer und die Hütte brannte lichterloh. Gerd fuchtelte gerne mit einer Gasspistole im Treppenhaus herum. Gerd aß drei Tüten Chips am Tag. Gerd klingelte gerne morgens um vier und bat um etwas zu Essen. Gerd stank. An jedem ersten des Monats kaufte sich Gerd unnütze Dinge, die er um den 10ten herum wieder verkaufen mußte, um die Chips für den Rest des Montas zu finanzieren.

Jahre später traf ich ihn auf der Straße und er wollte mir aus der Bibel vorlesen. Ich ließ Gerd stehen und fühlte mich einige Tage schlecht. Und auch heute bekomme ich Beklemmungen, wenn ich David Hasselhoff sehe.

FritzWoelkchen
09.09.2006, 00:28
Zwar kannte ich nie einen Gerd der entsprechenden Kategorie, jedoch hatte ich mal einen Schulfreund, der hieß oder heisst Phillip Sonnenlicht. Gern erzählte er von Gerd, dem Freund seiner Mutter. Gerd unterhielt einen Gebrauchtwarenschrottplatz in Köln Kalk. Im Hof standen höllisch viele Waschmaschienen, in der Halle waren Flipper- und Spielautomaten und jede Menge sonstiges Allerlei unter einer zentimeterdicken Staubschicht begraben.
Im Kreise weniger Schulfreunde besuchten wir diese stolze Anlage an Phillips 16. Geburtstag, um anschließend ins Kino zu gehen und den Mortal Kombat-Film anzugucken. Wie ich aus dem Häuschen war. Lauter Krempel und es gab sogar einen Raum mit betriebsbereiten Heimcomputern aus den frühen achtziger Jahren und es wurde immer kirmeliger und schmutziger. Bei Phillip "zu Hause" sah es eigentlich auch nicht besser aus. Man hatte beim Empfang die Geburtstagstorte, die uns die ständig rauchende, bereits mittte dreißig zahnlose Mutter bereitete nur aus Höflichkeit probiert. Jedoch muss die Zahnlosigkeit von Phillips Mutter nicht zwangsläufig durch mangelnde Mundpflege verursacht worden sein. Ihre damals vielleicht vierjährige Tochter war ebenfalls so gut wie zahnlos und als ich sie Jahre später traf war sie es immer noch. Milchzahnzeit war also auch nicht der Grund. Damals fragte ich mich jedoch nicht, ob diese insgesamt vielleicht 34 Zähne den beiden ausgeschlagen wurden. Schrecklicher Gedanke. Offenbar jedoch war die gesamte zersplitterte Familie mit der Gewalt perdu. Dank Phillip habe ich mit 13 Jahren zum ersten und einzigen Mal ein Video aus der Reihe "Gesichter des Todes" angeschaut. Als ich ihn am Abend meiner Musterung zum Staatsdienst im Zug traf, erzählte er mir, dass in der Kaserne am Militärring die Wachen gern auf alles mögliche schießen, was sich bewegt. Schonmal eine Kuh, neulich ein angetrunkener Soldat beim Pinkeln. Er hat sich sehr darüber gefreut, sei es, mir davon zu erzählen oder des Toten wegen und es rieselten, wie schon zu Schulzeiten flockige Schuppen von seinem Haupt. Er hat sich auch gefreut, als er mir von Gerds Tod erzählt hat, kurz bevor er wegen 260 Fehlstunden von der Schule flog. Die Mafia war's. Hat Gerd erstickt, in einer Alditüte. Phillip erbte seinen Kleintransporter und war guter Dinge.

FritzWoelkchen
09.09.2006, 00:32
Gab sogar eine Bild Titelstory darüber.

7000 Rinder
09.09.2006, 02:26
Was lange gerd, wird endlich schlecht.

Prinz
09.09.2006, 11:21
um nochmal weg von Gerd zum Beginn dieses Strangs zurückzukommen:
Sandra hat die immer gleichen Akkorde ihrer Songs immerhin jeweils mit Texten unterlegt , die zum Nachdenken anregen:
"You`re a creature of the night
you`re the victim of a fight
you need love
pomise me delight
you need love"
Klingt doppelbödig, wie versteht ihr das ?

Kater
09.09.2006, 18:41
Doppelblödig.

bilderbuch
13.09.2006, 10:54
Gerd hat sich LSD gespritzt und pflegte eine Vorliebe für Jungfrauen. So eine hat er auch geheiratet und ihr drei Kinder gemacht. Als Schüler kam er einmal im Hellen sturzbetrunken nach Hause, fiel auf seine von selbstgebatikten Betttuchbaldachinen überspannte Matratze und als er wieder aufwachte waren die Haare ab. Das hat er seiner Mutter nie verziehen.
Gerd war zu den Frauen wie heißer Zucker, klebrigzäh, auch die Stimme. An einem seiner noch jungen Geburtstage schenkte ihm Maoli eine Nacht. Sie kam in den Raum, sagte, dass Sie ihm eine Nacht schenke und ging wieder. Ich war ganz schön neidisch.
Gerd war ein kleiner Mann mit kleinen Füssen. Der kleine Prinz war sein Lieblingsbuch. Als eine komplette Schülergeneration mit Hirtentaschen auf dem Pausenhof stand und Samson rauchte, stickte Gerd den kleinen Prinzen mit farbigen Garnen auf seine Hirtentasche.
Von seinem Vater übernahm er die Angewohnheit, den Gürtel aus den Hosenlaschen zu ziehen und auf der Fensterbank des Schlafzimmers zu deponieren. Seine fruchtbare Ehe wurde geschieden. Zuviel Arbeit, Alkoholprobleme. Auf die Bewerbung für den Hausmeisterjob in der Alanusschule bekam er eine Absage. Wir haben uns aus den Augen verloren.