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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Moby in Berlin 2005



Evian
13.02.2006, 16:42
Ich bekam einen Anruf aus der Redaktion: Ob ich Lust hätte, nach Berlin zu fahren. Moby würde dort sein neues Album vorstellen, Pressekonferenz, Ausstellung zum Album, Konzert, Aftershowparty. Eine von zwei Präsentationen in Europa. Ich sagte sofort ja, nicht so sehr wegen Moby, mir gefällt nur „Play“ richtig gut, aber ein popeliges Provinzmagazin bietet nicht alle Tage solche Abenteuer, und was wäre das Leben ohne Abenteuer?

Es regnet in Strömen.
Das Adrema Hotel ist für diesen Tag umgetauft: „Moby Hotel“ prangt in dicken Lettern überm Eingang, roter Teppich davor, rechts und links Stellwände, tapeziert mit Moby – Plakaten.
Große Männer in dunklen Anzügen und weißen Hemden stehen sehr aufrecht an der Tür. Und ich stehe davor, total nass geregnet und denke nur: „An denen musst Du jetzt vorbei...“ Mit quietschenden Schuhen und tropfenden Haaren versuche ich, so souverän wie möglich zu wirken, und siehe da: Alle sind furchterregend freundlich, die Men in Black, die Plattenfirmenabgeordneten, das Hotelpersonal. Nach und nach tröpfeln Presseleute ein, viele kennen sich, viele haben Kameraträger und Kollegen dabei, und diejenigen, die auch alleine da sind, tun´s mir gleich: Sie nehmen den Begrüßungs- – und Überbrückungssekt mehr als dankbar in Anspruch. Die Atmosphäre, bislang geprägt von Leuten, so cool , dass sie kaum laufen können, lockert sich ein wenig und man kommt ins Quatschen: Woher man komme, in welchem Hotel man residiere, ob man fotografieren dürfe. Ich darf nicht, habe aber trotzdem meine Kamera dabei – was wäre das Leben ohne Abenteuer?

Mit einiger Verspätung bittet man uns schließlich in den ersten Stock zur Pressekonferenz. Das gesamte Spektakel spielt sich in einem Rohbautrakt des Hotels ab. Die urban – karge Atmosphäre passt zwar ganz gut, färbt aber leider ab: Meine Jacke, meine Hose, meine Schuhe, alles weiß von rohem Putz an den Wänden und bröseligem Estrich auf dem Fußboden. So suche ich mir denn ein Plätzchen, die langsam trocknenden Haare wie Königspudelfell ums Haupt gekringelt, die Jacke klamm und formlos um die Schulter geworfen, in blau – weißer Hose und nass – schwarz – weißen Schuhen. Hier rennen Menschen herum, die aussehen, als seien sie direkt aus „Verbotene Liebe“ in dieses Hotel geflattert – wie machen die das bloß? Haben die vollimprägnierte Klamotten? Kann man auch Haare imprägnieren? Und gibt es Imprägnierungsspray gegen Rohbaucolorationen? Darüber zerbreche ich mir den Kopf und fühle mich in meine frühe Jugendzeit zurück versetzt: Wenn eine Person Fahrradschmiere auf seiner ultracoolen, neuen Hose hatte, dann ich. Wenn es ein Mädchen gegeben hat, dem auf einer Party mit süßen Jungs die Brille zerbrochen ist, dann war das ich – natürlich inklusive der demütigenden Zeremonie, mit lächerlich zusammengekniffenen Augen greinend auf der Tanzfläche herum zu kriechen, um die verdammten Brillenreste aufzusammeln......
Ich tue das, was ich in solchen Situationen immer getan habe: Ich tue so, als sei nichts. Während ich mein Schicksal verfluche, hocke ich mich hin, schlage die Beine übereinander, zücke einen Block und setze ein gelangweiltes Gesicht auf.

Moby tritt ein und es kommt Bewegung in die Meute. Alle erheben sich, Kameras surren und klicken, Blitzlichtgewitter. Der Meister sieht nicht sehr glücklich aus, sein Lächeln ist gequält, er ist unrasiert, man könnte meinen, er sei vor drei Minuten erst aufgestanden. Der Plattenfirmenabgeordnete, der ihn begleitet, bittet darum, während des Gesprächs keine Fotos mehr zu machen, die beiden setzen sich und es beginnt die langweiligste Pressekonferenz der Welt.
Meinen Block benötige ich keine Sekunde. Nichts, aber auch gar nichts, was Moby da erzählt, ist neu. Bush sei doof, in New York habe ihn auch keiner gewählt, die White Stripes seien klasse und überhaupt so viele junge, wilde Musiker aus den Staaten, Berlin sei immer eine Reise wert, sein neues Album beziehe sich auf seine vielen Aufenthalte in Hotels und so, er sei ein spiritueller Mensch und sehr offen und aufgeschlossen. Ist. Das. Öde.
Anschließend darf man, wie immer, nach Herzenslust Fragen stellen. Ich stelle keine. Alles, was man über diesen Mann wissen muss, wusste man schon vorher, alles, was es Neues gab, hatte er schon im Interview mit dem Plattenfirmatypen erzählt, es gab nichts mehr zu wissen. Moby hat keine Geheimnisse, keine Skandale, er macht halt Musik und ist ansonsten politisch zuverlässig und brav und lieb und langweilig.
Alle anderen scheinen das genauso zu sehen, denn niemand stellt eine Frage. Ein Spanier meldet sich nach quälenden Minuten des Schweigens schließlich, um zwei Dinge zu erfahren, die Moby zehn Minuten vorher bereits ausführlich erörtert hatte. Vielleicht hatte er ihn nicht verstanden, die Fragen sind jedenfalls in so schlechtem Englisch formuliert, dass man auf diese Idee kommen kann. Vielleicht hat er auch einfach nur Mitleid, denn irgendwie schämt man sich schon ein wenig fremd für einen Superstar, von dem niemand irgend etwas wissen will.

Noch einmal darf fotografiert werden und alle tun es, obwohl Moby sich während der Pressekonferenz kein bisschen verändert hat. Vielleicht, um das allgemeine Schweigen zu kompensieren.

Danach schauen wir uns die Ausstellung zum Album an. Einige der zukünftigen Hotelzimmer im Rohbautrakt wurden von einer Künstlerin passend zum Album gestaltet: Jeder Song ein Raum. So langweilig und nichtssagend wie Mobys neue Scheibe. Sie hat gute Arbeit geleistet. Wir sind alle in nicht einmal einer halben Stunde fertig mit Angucken.
Eigentlich sollte es nun Essen geben. Gibt es aber nicht, lediglich ein paar freundliche Worte und die Aufforderung, zwei Stunden später zum Konzert zu kommen. Es ist aber noch Sekt da. Den machen wir noch leer. Kein Wort über Moby, nur Genörgel darüber, dass man Hunger habe und der Sekt zu warm sei.

Evian
13.02.2006, 16:52
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Goodwill
14.02.2006, 14:48
Zwei von den drei Fotos finde ich schon einigermaßen aufregend. Das mit den leeren Papageienkäfigen ist ja quasi die Apotheose des Inhalts und die Luftballone wollen sagen: Hey, wir atmen auch nur Luft und liegen gerne rum. Moby sieht, soweit ich das beurteilen kann, im Fernsehen allerdings viel besser aus als auf dieser Pressekonferenz. Oder sagen wir lieber, er sieht auf MTV nicht so verknickt, gemobbt und grundlos zu heiß gebadet aus.

Was mich nur über viele Umwege zu der Frage führt, warum der Typ so langweilig rüber kommt. Insgesamt zu wenig verwüstete Hotelzimmer? Sollte man mit jemandem, der null Entziehungskuren hinter sich hat überhaupt ein Gespräch beginnen? Und wenn ja, über was?

Vor ein paar Jahren gab es mal eine Zeitungsmeldung über ein Familientreffen der auf Tourneen gezeugten Kinder von Screamin´ Jay Hawkins. Gut, früher waren andere Zeiten. Aber die über 50 Halbgeschwister, die sich da trafen, sind allein aus den Schlafzimmer-Anekdoten wahrscheinlich gar nicht mehr raus gekommen.

marie battisti
14.02.2006, 16:58
1. falsches forum, sofern das nicht die Einleitung der zufälligenlustigen und pointenreichen teil-II-begegnung ist.
2. Falls es Einleitung ist, zu lang, so lustig und pointenreich kann Teil II gar nicht sein, um von diesem Schlepper gezogen zu werden ohne dass der Hänger kippt.
3. Falls 1 oder 2 nicht zutreffen, kann es immer noch sein, dass ich im falschen Forum bin.

Evian
14.02.2006, 17:09
Sie sind im richtigen Forum, denn 1 trifft zu. Das ist mir allerdings erst klar geworden, als der Bericht bereits hier stand. Prominenter gleich Paparazziforum, das ist so eine Art Reflex. Vielleicht kann man ihn noch verschieben, wer kann das, wie geht das?

yellowshark
14.02.2006, 22:20
Frühjahrsputzgefühle, m.b.?

Graham
14.02.2006, 23:05
Apotheose, meiner Treu!

bangen
15.02.2006, 00:35
Und die Antworten in diesem Strang sind der Versuch einer Apologie.