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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Littmann, Corny, will sich sozial engagieren



emily minibar
10.12.2004, 18:29
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Corny Littmann ist Präsident des FC St. Pauli und Niederlagen gewöhnt. Der Rasen am Millerntor ist ein Spielfeld des Grauens, meistens jedenfalls. Der Weihnachtsmarkt vor dem Rathaus in der Innenstadt auch, immer. An dessen Rand kommt Corny gerade an, klein, allein, und blickt sich um, rechts, links.

Ich weiß, was er tun soll. Ein Pappschild wartet auf ihn, darauf steht Gelb auf Rot „Hunger?“ in McDonalds-Schrift. Er soll Gutes tun, Geld sammeln am Tag der Menschenrechte für arme Kinder im Sudan. Doch er findet seine Leute nicht. Er blickt auf die Alster unter der Schleusenbrücke, blickt auf den Weihnachtsmarkt, dreht sich um, kehrt zurück, die nächste Ecke absuchen. Zwei Weihnachtsmänner spielen Trompete und Schifferklavier, ein dritter Drehorgel. Corny weicht aus.

Corny Littmann ist nur etwa 1,70 Meter groß. Er trägt die übliche Totenkopf-Baseballkappe in Schwarz. Seine Daunenjacke ist von einem Beige, das Farbe nicht genannt werden darf. Wenn Corny lacht, zeigt er gelbe Zähne. Aber er lacht gerade nicht.

St. Pauli steht auf dem 9. Tabellenplatz, Regionalliga Nord. Vor knapp drei Jahren schlugen sie Bayern München zu Hause mit 2:1. Zu dem Zeitpunkt waren sie schon aus der Bundesliga abgestiegen und besaßen, wie heute, nicht einmal die Markenrechte am eigenen Verein. Aus der Drehorgel kommt „Rudolph The Rednosed Reindeer“, ein Lied, in dem es darum geht, dass ein Rentier uncool ist und nirgendwo mitspielen darf, bis der Weihnachtsmann es mal mitnimmt, dann ist es der Rentier-Held. Fällt eigentlich niemandem auf, wie scheiße das ist?

Egal, wir waren bei Corny. Aber da passiert nicht mehr viel. Er hat in der übernächsten Ecke seine Leute gefunden. Hoffentlich trägt er lange Unterhosen, seine schwarze Stoffhose ist dünn. Die Stelzenläuferin, die auch Geld sammeln will, wäre eben fast rückwärts über das Geländer gekippt, in die Schleuse, die ist leer, auf den blanken Beton. Sie kann eine Hummel-Statue greifen und hält sich daran fest. Die Hummel-Figur ist ein Hamburger Wahrzeichen und geht auf einen alten Wasserträger rurück, der den Überlieferungen nach griesgrämig, reizbar und ziemlich beschränkt war. Alte Männer mit zwei Eimern stehen heute noch gern bei städtischen Veranstaltung rum. So auch hier.

Corny geht dann los mit einer Sammelbüchse und seinem Schild und sieht aus wie ein leberkrankes Monchichi.

Wenn er sich weigern würde, würde die Senatskanzlei sicher den Kopf schütteln, käme er das nächste Mal mit einem Bürgschaftsbegehren für seinen Verein an.

A°¨’ð­danq
13.01.2005, 14:51
Es gilt doch wohl auch beim FC das gute alte, fälschlicherweise einem großen deutschen Reformator zugeschriebene Diktum "Wenn ich wüsste, dass morgen die welt unterginge, ich würde heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen". In diesem Zusammenhang möchte der Autor ausdrücklich auf das Tor von Leonardo Manzi gegen Hannover 96 verweisen.