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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schüssel, Wolfgang



Kottan
22.11.2004, 17:13
Die folgende kleine Geschichte trug sich zu, als in Österreich noch keine Chaos-Regierung mit wöchentlich wechselnden Ministern am Werk war, Parteibuchwirtschaft noch verfassungsrechtlich verankert war und sich der Vizekanzler so stark von anderen Politikerpersönlichkeiten abgrenzen wollte, dass er immer Mascherln (zu dt. Fliege) tragen musste.
Schauplatz ist das Reigen, eine Disco in Wien. An jenem besagten Abend im Herbst 1996 fand ein Wahl-Clubbing der ÖVP statt, da kurz darauf die Europawahl, die Wiener Gemeinderatswahl und die Bezirkswahl stattfinden sollte. Auf diesem Clubbing wurden daher diverse ÖVP "Promis" angeschleppt, um die politikmüde Jugend davon zu überzeugen, wie heiß es bei den Konservativen hergeht. Der Hietzinger Bezirksvorsteher Heinz Gerstbach, die Europaabgeordnete Ursula Stenzel und Wolfgang Schüssel waren anwesend und warfen sich ins Zeug, um zu demonstrieren, wie hipp sie sind.
Ein Freund und ich waren auch dort, und zwar aus verschiedenen Gründen. Erstens wohnten wir um die Ecke, das Reigen war damals "unsere Hütte", ziemlich gleich, was geboten wurde. Zweitens war der Eintritt frei und Alkohol recht billig. Und drittens, so unsere Argumentation, hatten wir unsere Wahlentscheidung schon getroffen, waren also quasi gegen jegliche Beeinflussung immun, und taten der Welt was Gutes, wen wir den Leuten das ÖVP-verbilligte Bier wegtranken, die sich davon vielleicht noch verleiten hätten ließen.
Müßig zu sagen, dass auf der Veranstaltung nur mäßig die Post abging und der Bär nicht so richtig ins Steppen kam. Wir beobachteten eher gelangweilt als noch belustigt, wie sich Wolfgang von seinen Jung-ÖVP-Hasis verabschiedete und sich auf uns zu bewegte, die wir als letzte neben der Tür standen. Auf einmal stand er vor uns, streckte meinem Freund die Hand hin und sagte: "Auf Wiedersehen!" Dieser bewies Geistesgegenwart und fragte mit einem verwunderten Blick: "Kennen wir uns?"
Herr Schüssel blieb trotz dieser wohl nicht erwarteten Antwort in der Fassung und gab die einzig sinnvolle Antwort: "Ich bin der Wolfgang Schüssel." Wir taten, als ob uns das nicht sagt, und weg war er.

Ob er sich dabei verarscht gefühlt hat, oder ob der Politikignoranz der Jugend und damit der Sinnlosigkeit solcher Clubbings nur innerlich den Kopf geschüttelt hat, kann ich leider nicht sagen.

Jedenfalls dürfte es ihm öfter unterkommen, nicht erkannt zu werden. Im letzten Wahlkampf konnte man im ORF sehen, wie er in einem steirischen Dorf ins Wirtshaus geht, eine Lokalrunde schmeißt und mit mehreren alten Damen einen hebt. Vor laufender Kamera fragte eine dann: "Sie sind von der SPÖ, nicht wahr?"
Tja, so ist das im schönen Österreich. Das kommt davon, wenn die auffälligen Söhne des Landes Politiker in Kalifornien werden und die Unscheinbaren Bundeskanzler.