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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Diddy, P. u.a.



chrislenz
28.09.2004, 17:54
Das ist mir jetzt etwas unangenehm, hier alle zwei Tage rumzuposten. Aber ich kann nicht anders. Bald geht es wieder nach Hause, dann ist erstmal Ruhe im Karton.

In New York ist Oktoberfest. Ich bin im „Zum Schneider“ verabredet, einer deutschen Kneipe mit entrindeten, weiß gestrichenen Bäumen und Holzmöbeln drinnen, irgendwo tief im East Village. Gestern mittag habe ich schon den Anstich verpasst, es ist also höchste Eisenbahn. Als ich ankomme, werden draußen bereits die Tische weggeräumt. Meine Verabredung, zwei fast identische blonde Mädchen aus Süddeutschland, steht aber nicht vorm Schneider, sondern vor dem Laden daneben. Sie sind aufgeregt: Da seien P. Diddy und Naomi Campbell drin und Tommy Hilfiger. Aha sage ich und schiebe es auf das Bier, die beiden sind schon länger hier. Zur Sicherheit werfe ich mal einen Blick in dieses Lokal, das das Flair eines gehobenen Italieners in Gelsenkirchen hat, und hinten auf einer Art kleiner Bühne sagt Naomi Campbell gerade etwas in ein Mikrofon. Ich schaue mich um, und alles fügt sich zu einem Ganzen. Die schönen, jungen Frauen, die draußen vor der Tür aufgedreht von einem Bein auf’s andere treten und zu laut reden, die fünf schwarzen Cadillac Escalades mit Fickfolie an den Fenstern, die hier im Parkverbot stehen, alle mit Chaffeur drin, die allgemeine Unruhe.

Unangenehm ist mir, was eine große, schlanke, schöne Brünette tut, als sie vom Schneiders-Türsteher erfährt, dass P. Diddy und seine Freunde „next door“ feiern: Kaum hat er den Namen ausgesprochen, öffnet sie den Mund und verzieht ihn zu diesem lautlosen, höchst ordinären „Whow!“, das nur amerikanische Frauen (weiß, dumm) perfekt beherrschen. Es symbolisiert unbedingte Paarungsbereitschaft angesichts großer Mengen von Geld oder Ruhm, ein pawlowscher Reflex. Noch dazu lässt die Brünette staksig ihr Becken kreisen, obwohl gar keine Musik zu hören ist, und mit all dem will sie wohl andeuten, dass sie eine super Bitch ist und eigentlich nach nebenan gehört und nicht hier vor’s Schneiders. Verheerend, was so ein eigentlich blöder Name wie „P. Diddy“ anrichten kann. Es ist wirklich nicht schön anzusehen. Der Türsteher lächelt gequält, ich mache, dass ich wegkomme.

Im Schneiders erstmal ein großes Bier. Es läuft Punkmusik, manche Figuren sind lederbehost, alle sind stockbesoffen, das Stimmengebrumm in der Luft ist schwerfällig, zischig und dumpf, man spricht deutsch. Wir setzen uns ans Fenster, verpassen will man ja auch nichts. Durch die Wand kommen die Bässe. Nebenan „performt“ wohl gerade jemand. Es ist eine seltsame Lage. Luftlinie 10 Meter entfernt feiern einige Weltberühmtheiten aus unbekannten Gründen in einer völlig charmefreien Bar, und wir sitzen hier mit den Biermösl Besoffskis und sind noch nicht mal sicher, ob wir nicht sogar auf der besseren Party sind. Wir trinken zur Vorsicht einfach weiter.

Um halb zwölf tut sich was. Plötzlich sind alle draußen. Durch die Scheibe sehe ich Usher, er trägt ein Mickey Mouse T-Shirt. Es werden Gruppenfotos gemacht. Fast alle sind schwarz, tragen Schwarz und haben Brillanten im Ohr, es ist etwas verwirrend. Ich gehe raus, eine rauchen, um das näher zu betrachten. Es passiert aber nichts. P. Diddy läuft an mir vorbei, mit einem sauber geschlitzten Schlitz am Knie seiner Jeans und Brillant im Ohr. Er wirkt total entspannt und easy, er ist unter Kumpels. Dann steigen die Jungs alle in ihre Escalades. Es ist Viertel vor Zwölf, und das war’s schon. Wahrscheinlich fahren sie jetzt schön nach Hause, machen ne Dose Bier auf und gucken DVDs in ihren Heimkinos. Ein guter Sonntag abend, es muss ja nicht immer die wilde Party abgehen. Nur, was das nun für eine Versammlung war, das habe ich nicht herausfinden können. Als wir das Schneiders verlassen, hängen nebenan nur noch zwei Leute an der Bar. Ein Spuk.

DonDahlmann
28.09.2004, 18:03
Das muss ihnen gar nicht unangenehm sein, dass ist alles sehr gut so. Das Wort "Fickfolie" ist sehr schön.