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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Lukas S., der Star an der Volksbühne



Graf Cervelato
23.08.2004, 13:44
Café Rost, Sommer 2001. Besuch in Berlin.

"Sie gehen wohl nicht häufig in Theater, was?" Ich wandte mich um und sah einem jungen dunkelhaarigen Mann ins Gesicht, den ich in meinem Leben noch nie gesehen habe. "Bitte?" fragte ich. "Na, interessieren Sie sich nicht für
Literatur, Theater, Kunst?" Ich drehte mich wortlos wieder um, und der junge Mann wechselte den Platz um direkt neben mir sitzen zu können. Er sah mich an und fragte:"Gehen Sie nie in die Volksbühne oder was?" "Bitte, was?" "Aha, Zeitung lesen wohl auch nicht, was?" "Was genau wollen Sie eigentlich, ich
kenne Sie nicht...!" "Aha! Sie lesen wohl tatsächlich keine
Theaterfachblätter was, ich war 2 Monate lang, DER Star an der Volksbühne, ich habe Kinski gelesen, Brecht... bei den Garderoben hängt übrigens ein Plakat von mir, ich muss sagen her-vor-ra-gender Photograph, wirklich hervorragende Aufnahme!"
"Nein, ich habe Ihr Plakat nicht gesehen!"
Ich musste schmunzeln - war das ein ulkiger Scherz oder meinte der das womöglich noch alles ernst?
"Nein, ich bedaure sehr, ich habe ihr Plakat leider bis dato übersehen?
Bitte wo hängt es denn?" flötete ich hinterlistig
" Sie sind wohl nicht oft hier was? Es hängt da hinten und ich werde hier heute im hinteren Bereich auf der Bühne eine Lesung abhalten, aber das Sie sich ja leider der Kultur gänzlich verschließen, werden Sie wohl nicht kommen wollen, was? Sie sollten sich das mal ansehen... "
Dann verschwand er wieder. Da ich auf eine Freundin wartete, die dort an der Bar arbeitete, blieb ich noch eine Weile und Herr S. begann seine
Lesung. Kinski und Brecht. S. tobte auf der Bühne, die Massen waren beeindruckt.


Ich weihte meine Freundin in die Geschehnisse ein und wir überlegten uns was man da mal machen kann.
Auf dem Weg zur Toilette fand ich in Vorraum sein gerühmtes Plakat, zog einen Stift hervor, verunzierte sein Haupt mit Hasenzähnen und Schielaugen und stohl mich schleunigst davon.
Keine 30 Minuten später, es war Pause, stürmte Herr S. hochroten Kopfes aus der Toilette und schrie durch den ganzen Raum:
"Ich HABE HUMOR, ich KANN auch über mich selbst lachen, aber was zu viel ist ist zu viel. Ich MAG Arschlöcher, aber das ist ja wohl... Scheisssssse!"
Schrie`s und warf sein Glas, gefüllt mit Cola quer durch den Raum, bis es an einer Wand zerschellte!
Er deutete auf mich und schrie: "Das warst DU!"
Ich drehte mich weg und lies ihn toben.
Er plärrte weiter: "Ich KANNN auch über mich selbst lachen, aber aber.... ich kann echt über mich selbst lachen....
Dam ganzen Geplärr folgten weitere Beschimpfungen und Beleidigungen und irgendwann sind wir einfach gegangen.
Es wurde unerträglich.

Ein Jahr später habe ich nur noch mal gelesen, dass er Nackt-Lesungen im Kit-Kat-Club abhielt. Wissen Sie hier eigentlich was aus Herrn S. geworden ist?

Tristram Shandy
23.08.2004, 13:50
Wie heißt denn Herr S. vollständig? So ist das Vergnügen nämlich auch nicht vollständig.
Und das Vorrecht, Prominente, anonymisieren zu dürfen, habe nämlich normalerweise hier nur ich.

Ach ja, "eine Geschichte zum Schmunzeln" (Amelie Fried).