Hoffmanns Reis-Stärke
21.07.2004, 21:17
Im Herbst 1975 stand ich eines späten Abends allein mit Heinrich Böll in einem Bonner Straßenbahnwartehäuschen und hatte, obwohl gegen ihn eigentlich nichts einzuwenden war, bei seinem Anblick sofort wieder Magenschmerzen bekommen, weil er mich an einen erst kurze Zeit zurückliegenden, ernsten Streit mit meiner Freundin erinnerte. Natürlich war ich selbst daran Schuld gewesen, hatte mich nach einem gemeinsamen Kinobesuch auf die Seite des Reporters und des schmierigen Kommissars aus „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ geschlagen, zuerst aus Schabernack, um sie für ihre ständigen feministischen Tiraden zurück zu ärgern („Schornsteine sind Phallussymbole, überall Zeichen der Unterdrückung.“), später war ich aus Ehrgefühl dabei geblieben.
An diesem Abend hatte ich zwei Stunden in einer mit Klaus Staeck-Plakaten tapezierten Kneipe verbracht, am Katzentisch ihrer Frauengruppe, die sich ausnahmsweise einmal nicht in ihrer Spezialkneipe getroffen hatte, zu der Männer, außer in Form höchstens acht Jahre alter Söhne der Mitgliederinnen, keinen Zutritt hatten; ab neun waren sie „Jungficker“ und mußten auch draußen bleiben. Eine Zeit lang konnte ich fast alle Staeck-Plakate auswendig, heute erinnere ich mich nur noch an: „Arbeiter, aufgepasst! Die SPD raubt Euch Eure Villen im Tessin!“
Nach einer Weile gesellte sich ein dritter Mann zu Böll und mir. Er sprach Böll an, ich konnte aber nicht verstehen, was er sagte, merkte nur, dass Böll unwirsch reagierte, woraufhin der Mann sich abwandte und zu mir kam. Ob er mir etwas von Jesus erzählen solle, fragte er, bei sich zu Hause, seine geliebte Mutter würde uns Kuchen spendieren. Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als Böll laut in unsere Richtung rief: „Und lassen Sie gefälligst den jungen Mann in Ruhe!“
Gleich darauf kam die Bahn. Beim Einsteigen sagte Böll zu mir, der Mann versuche es immer wieder. Wir saßen anschließend zu weit voneinander entfernt, um weiter miteinander zu reden. Er schlug den "Bonner Generalanzeiger" auf, eine Tageszeitung, die er unter dem Arm getragen hatte, und las.
An diesem Abend hatte ich zwei Stunden in einer mit Klaus Staeck-Plakaten tapezierten Kneipe verbracht, am Katzentisch ihrer Frauengruppe, die sich ausnahmsweise einmal nicht in ihrer Spezialkneipe getroffen hatte, zu der Männer, außer in Form höchstens acht Jahre alter Söhne der Mitgliederinnen, keinen Zutritt hatten; ab neun waren sie „Jungficker“ und mußten auch draußen bleiben. Eine Zeit lang konnte ich fast alle Staeck-Plakate auswendig, heute erinnere ich mich nur noch an: „Arbeiter, aufgepasst! Die SPD raubt Euch Eure Villen im Tessin!“
Nach einer Weile gesellte sich ein dritter Mann zu Böll und mir. Er sprach Böll an, ich konnte aber nicht verstehen, was er sagte, merkte nur, dass Böll unwirsch reagierte, woraufhin der Mann sich abwandte und zu mir kam. Ob er mir etwas von Jesus erzählen solle, fragte er, bei sich zu Hause, seine geliebte Mutter würde uns Kuchen spendieren. Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als Böll laut in unsere Richtung rief: „Und lassen Sie gefälligst den jungen Mann in Ruhe!“
Gleich darauf kam die Bahn. Beim Einsteigen sagte Böll zu mir, der Mann versuche es immer wieder. Wir saßen anschließend zu weit voneinander entfernt, um weiter miteinander zu reden. Er schlug den "Bonner Generalanzeiger" auf, eine Tageszeitung, die er unter dem Arm getragen hatte, und las.