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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : De Niro, Robert



mueller-gucci
24.06.2004, 14:46
New York ist die meistüberschätzte Stadt, die ich kenne. Eigentlich kotzlangweilig, durch strukturiert nach Wohnlage, nach entsprechendem Einkommen und was weiß ich alles. Vier Jahre sind zu lang, dachte ich immer. Aber wohin danach? Tokyo, London, Hamm-Westfalen, wo der berühmte doppelte Halbzug der Bahn geteilt wird?
Außerdem mochte ich meine Nachbarn. Verkrachte Künstler, viele Kellner, Schauspieler, Geldsäcke, Gin-Purtrinker. Ein freundliches Durcheinander weitgehend entspannter Leute, die eines gemeinsam hatten. Für New Yorker Verhältnisse viel Wohnraum – zumindest was Manhattan betrifft.

TriBeCa im Mai 1999. Harvey wurde 60, John-John hatte gerade seinen Pilotenschein gemacht. Wir wissen heute, dass er damals besser den Zug nach Martha`s Vineyard genommen hätte. Aber diese Kennedys sind bekanntermaßen Drama-Queens – so`n schlichter Abgang is offensichtlich überhaupt nicht ihre Baustelle. John John und seine zickige Alte wohnten in der North Moore Street.

Ein Stückchen weiter Richtung Hudson River, an der Kreuzung links. Hudson Street. 120 Hudson, Harvey`s Haus, 110 Robert`s Haus, dann über ´ne schmale Gasse, an dem Spirituosenladen vorbei, da war mein Haus – oder besser das Apartmenthaus, in dem ich wohnte. 90 Hudson. Schräg gegenüber das Restaurant von De Niro und seine Produktionsfirma. Alten Mietverträgen, die seit 15 Jahren weiter gereicht werden, hatte ich die Möglichkeit zu verdanken zwischen all diesen Prominenten zu wohnen. Und es waren wirklich viele. Harvey Keitel traf ich immer an Dana`s Geburtstag in ihrer Wohnung. Er war ihr Ex-Freund, ich auch. Dana. Musikerin. Sie hatte einen Song geschrieben, den irgendein Techno-Mensch gekauft hatte. Dana war sehr diskret was diesen vermeintlich peinlichen Song betraf. Bis heute weiß ich nicht welchen sie geschrieben hatte, aber Dana bekam jeden Monat einen Check per Post. Und von dem Geld lebte sie.

John-John`s zickige Alte stand immer in der Reinigung rum, beschwerte sich wild gestikulierend über hartnäckige Flecken und gab der Frau hinter der Kasse die Schuld. Dass die nur kantonesisch sprach, schien John-John`s zickige Alte nicht zu interessieren. Ich glaube nicht, dass die Frau hinter der Kasse ihre zickige Kundin vermisst. Wahrscheinlich denkt sie, dass sie einfach nur weggezogen ist.

Dann kam mein Geburtstag. Wir saßen bei Dana. Harvey war auch da. Wir soffen Wodka ohne Eis, Harvey erzählte von der Arbeit und holte weit aus. Das ging bis „Mean Streets“. Dana und ich wussten von Robert De Niro, was so ziemlich jeder weiß. Mehr nicht. Außer natürlich, dass er immer etwas verhalten grüßte, wenn er einen von uns sah. Angedeutetes Nicken, Fingerzucken, dann verschwand er meistens im Hausflur.

Am Tag nach meinem Geburtstag war ich immer noch besoffen. Arbeiten ging nicht. In der Nacht musste ich irgendwo gegen gestoßen sein. Jedenfalls war mein rechter kleiner Zeh blitzeblau. Duschen ging, Fahrstuhl ging auch. Mit jedem Schritt in Richtung Supermarkt wurde es schlimmer, und auf dem Weg zurück ging nichts mehr. Ich stand 20 Meter von meinem Haus entfernt. Linke Hand der Schlüssel, rechts ´ne fette Einkaufstüte mit allerlei Kater-Schweinereien und Getränken. Der Zeh war gebrochen. Der Tag helllicht. Viel Verkehr Richtung WTC.
Sie musste mich schon vorher bemerkt haben, denn ich stand ja schon eine Weile, um zu verschnaufen anstatt zu humpeln. Wir müssen ihm helfen, nun komm`, hörte ich sie sagen. Sie wohnen doch hier, sprach sie mich an? Ich nickte und glotzte nur ihren Kerl an. Was ist los?
Ich glaub` ich hab` mir letzte Nacht den Zeh gebrochen.
Sie nahm mir die Tüte ab. Er den Schlüssel. Sie stützte mich, und ich hüpfte ihm auf einem Bein hinterher. Dann drehte er sich um, fragte, ob alles in Ordnung wäre? Ja, es würde schon gehen. Er grinste, sie grinste und faselte was von, dass sie das kennen würde und dass ihr das auch schon mal passiert wäre. Er schloss auf. Grace, ich warte hier in der Tür, sagte er. Ich nahm Schlüssel und fuhr mit Grace nach oben. Ich muss eine unglaubliche Fahne gehabt haben und hielt im Fahrstuhl den Atem an bis es nicht mehr ging. Dann Atmung ganz flach, und sie stand vor mir mit meiner Tüte in der Hand. Wir sprachen auf dem Flur noch kurz über Dachgärten, und dass ich ihren von meiner Wohnung aus sehen konnte. Zumindest ein Stück davon. Ich schloss auf, drückte die Tür, und sie huschte an mir vorbei, um die Tüte in der Wohnung abzustellen. Dann gab sie mir die Hand und wünschte gute Besserung. Als Nachbar müsste man ja helfen, rief sie noch und verschwand im Flur.

Robert De Niro sah ich danach nicht mehr, ebenso wenig seine Frau Grace. John-John und seine zickige Alte sah ich auch nie wieder. Nur Dana öfter. Harvey ab und zu. Dann machte die Reinigung dicht, und ich zog weg.

fru fru
24.06.2004, 16:57
ooooooooch!

Benzini
24.06.2004, 18:31
Mir gefällt das. Jedenfalls um Längen besser als die im Buch veröffentlichte Scherl-Geschichte. Und diesen Volldeppen da über mir, könnte man den langsam mal über seine Rechte aufklären oder vielleicht besser gleich klammern evtl.