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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ünel, Birol (Siegfried macht sich warm)



Edding Kaiser
22.06.2004, 18:27
In der Mitte der 90er Jahre betrat ich in Berlin einmal eine Probebühne in der Erwartung, dort eine Kleingruppe geistig behinderter Menschen vorzufinden. Stattdessen sass aber ein junger Mann mit balkanesken Gesichtszügen und nacktem Oberkörper auf einem Plastikpferd und riss sich mit den Zähnen die Achselhaare aus.

Ich: „Ich suche das Spasti-Casting.“
Birol Ünel: „Ich bin Siegfried und mache mich warm.“

Gut zehn Jahre nachdem Birol Ünel in Frank Castorfs „Nibelungen“ den Siegfried gegeben hatte, erhielt er den Deutschen Filmpreis für seine Rolle in „Gegen die Wand“.
Auf der Gala trug er eine Augenklappe („Ich will heute nur nette Menschen sehen“) und während seiner genuschelten Dankesrede kratzte er sich umständlich, ausgiebig und unter Benutzung seines gesamten linken Armes unter der rechten Achsel.
Das Spasti-Casting hat gerade erst begonnen.

dipl.ix
27.09.2004, 19:53
heute habe ich beim mittagessen im „bateau ivre“ (in kreuzberg) birol ünel gesehen, nachdem mir in den letzten 12 monaten mindestens 10 freunde und bekannte erzählt haben, dass er „immer“ dort sei. bin halt ein spätzünder, aber auch nicht so oft im „bateu ivre“.

zuerst erwischte ich mich dabei wie ich birol ünel beim ersten vorbeilaufen an unserem tisch anstarrte. muss daran gelegen haben, dass ich vor drei tagen „gegen die wand“ gesehen hatte und er mir bekannt vorkam. beim drüber nachdenken woher ich ihn kannte, fiel mir dann mein starren auf. war aber ok, mein starren, denn er starrte zurück. er sah exakt so aus wie er etwa in der mitte des films aussah und beschäftigte sich damit am tisch zu sitzen, bier zu trinken, leute anzustarren und durch den laden, machmal auch raus, zu laufen. mal mit, mal ohne mobiltelefon am ohr. einmal lieh er sich auch einen stuhl bei uns aus und lief damit durch den laden.

am tisch sass birol ünels freundin, die sich in der zeit in der er wie ein 20km geher durch den laden flitzte, nicht vom platz rührte und konzentriert las. das die frau birol ünels freundin war erkannte ich an der aussage meiner begleitung, dass die beiden sich regelmässig wild schreiend im „bateau ivre“ stritten und sie ihm einmal kräftig (unter zuhilfenahme ihres gesamten linken armes) die rechte achsel kratzte, worüber er sich sehr zu freuen schien.

meine begleitung erzählte noch wie sie „gegen die wand“ im kino sah und zu ihrem freund sagte: „guck mal, das ist der typ der sich immer mit seiner freundin im »bateau ivre« fetzt“.

ich frage mich noch immer, ob man einem schauspieler in seinem wohnzimmer sagen darf, dass einem seine arbeit äusserst gut gefallen hat. nachdem ich „gegen die wand“ gesehen hatte, wollte ich das eigentlich tun.