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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Brus, Günter



manzarek
08.06.2004, 12:52
Die Ästhetik des Hässlichen, längst überanstrengte Phrase, doch noch immer zutreffend auf Brus, Gründungsmitglied (etwa auch Kassier?) der Wiener Aktionisten und alles in allem ein lustiger Kerl. Damals, also vor gut zwei Jarhen, als ich zwar schon von ihm gehört hatte und auch so manche Diskussion über ihn lebhaft mittrug, wusste ich nicht wirklich, wie er aussah. Ich kannte die Bilder aus dem Wiener Audimax (übrigens: gelungene Skyline, Herr Rubinowitz!), aber Blickfang waren nicht Brus´Gesicht, sondern eher seine Genetalien und Exkremente. Außerdem war er da ja noch jung, der Herr Brus.
So saß ich also, meine Zukunft als großer Kunstkritiker vor mich hin phantasierend, in der Grazer Straßenbahnlinie 5 Richtung Andritz. Gegenüber setzt sich ein älteres Ehepaar hin und unterhält sich lebhaft. "Wie schön", dachte ich mir, dass es noch Paare im gehobeneren Alter gibt, die sich gern haben. Weiter dachte ich nicht. Da läute das Mobiltelefon des Herrn, und bis heute könnte ich mir sonstwohin beißen, dass ich nicht mehr weiß, welche liebliche Melodei erklang. "Na, geht net, I hob leida ka Zeit, bis bold, Servas!", so der eher kurze Wortlaut des älteren Herrn mit leicht verkrustetem Gesicht. Wer war am anderen Ende? Etwa seine Wirtshausrunde? Seine Angetraute fragte, was denn los sei. Daraufhin entgegnete der schlanke ältere Mann mit leichtem Biermuskelansatz, dass Yoko nach Wien kommen würde, er aber keine Zeit für das gemeinsame Diner habe. Yoko? Doch nicht die japanische Walküre Mrs. Lennon? Ich wollte nicht länger wie ein gerophiler Spanner wirken und wendete meinen Blick ab. Bei der Station "Seniorenzentrum" (ach wie lustig, vor allem weil es stimmt) sprang das Ehepaar auf und lief Richtung Tür. "Wo steht denn jetzt unser Auto, Anna?" Anna (die Dame) konnte sich bei Gott nicht erinnern. Gemeinsames Gelächter, leichtes Husten, und weg waren sie.
So verlief mein erstes Zusammentreffen mit dem österreichischen Staatspreisträger Günter Brus und seiner Frau Anna. Als ich Tage später realisierte, wem ich da gegenüber saß und anstarrte, dachte ich mir, das muss ich irgendwo niederschreiben. So, das hab ich jetzt getan.