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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Pannenberg, Wolfhard (trifft die säkulare Welt)*



raumoberbayern
30.05.2004, 18:04
Es ist einer dieser Momente, die dem Leben eine neue Richtung geben. Frunk und ich besuchen das Melanchton-Oberseminar von Professor Wolfhart Pannenberg (http://www.google.de/search?hl=de&ie=ISO-8859-1&q=Pannenberg&meta=). Pannenberg ist eine der Größen, wenn es um die Ökumene geht, die Wiedervereinigung der seit der Reformation gespaltenen christlichen Kirche. Heute, kaum 15 Jahre später, ist dieses Thema aktueller denn je.

Ich bewundere den großen Münchner Theologen sehr, weil er es wie kein anderer versteht, die Grundlagen des christlichen Glaubens klar darzulegen und in ihren Begründungzusammenhängen außergewöhnlich stringt zu entwickeln. Pannenberg kennt die Angriffspunkte gottloser Argumentationen genau und verschließt auch vor deren systematisch-theologischen Konsequenzen niemals die Augen. Seine Frau bereitet herrliches Gulasch, zu dem er köstlichste Weine kredenzt. Beide sind großartige Gastgeber.

Frunk und ich sitzen in der letzten Reihe des übervollen Seminarraums. Das Semester ist beinahe vorüber. Pannenberg philosophiert über das Verhältnis Melanchtons zu Luther. Schon früh habe dieser die Vereinigung der eben zerrissenen Kirche angestrebt und sich auch in seinen Schriften den katholischen Positionen vorsichtig wiederangenähert. Im Gegensatz zu Luther, der zu dieser Zeit in endzeitlichen Visionen gefangen war, habe Melanchton versucht, zwischen den Lagern zu vermitteln.

»Stellen Sie sich nur vor, die Kirche wäre zu diesem frühen Zeitpunkt wiedervereinigt worden«, Pannenberg gerät ins Schwärmen. Wovon wären wir da nicht verschont geblieben: »Wieviel Leid und Elend. Die Religionskriege!«, Pannenberg läuft jetzt zu Höchstform auf, »Ja sogar die ganze Entstehung der säkularen Welt wäre uns erspart geblieben!!« Andächtig, angetan von seiner Argumentationskette, senkt der Theologe das Haupt. Dann blickt er sich im Seminarraum um. Überall betretenes Schweigen. Die Studenten starren betroffen nach unten, viele nicken. Ja, ja, schlimm, schlimm! »Verdammt, ich gehe gerne ins Kino«, denke ich und muss laut loslachen. Da trifft mich der Blick seiner Assistentin Christl Pfeil wie ein Blitzschlag. Wenn Blicke töten könnten wäre ich vermutlich zu Staub zerfallen. Pannenberg sieht mich an und beginnt sehr breit zu grinsen.



* für Alfred, den das freut

delminio
31.05.2004, 13:48
Ob Wolfhart Pannenberg da Melanchthon aber in seinen Möglichkeiten nicht doch etwas überschätzt hat? Als Mel Gibsons Passionsfilm anlief, war zu lesen, daß er und sein Vater einer speziellen Abspaltung der Katholischen Kirche angehören, die das Zweite Vatikanische Konzil nicht anerkennt.
Ich wollte es dann mal genauer wissen und habe nach Katholischen Kirchen in Nordamerika gegoogelt; - folgende katholische Kirchen habe ich gefunden (und die Liste ist nicht vollständig):
American Catholic - A Roman Catholic Church (http://www.americancatholic.org/)
Antiochian Catholic Church in America (http://www.geocities.com/Athens/Forum/7951/)
Byzantine Catholic Church in America (http://www.byzcath.org/)
Old Catholic Church of America (http://www.oldcatholic.org/)
The True Catholic Church (http://www.truecatholic.org/) (die haben seit Oktober 1998 sogar allen Ernstes einen eigenen Papst: Pius XIII)
The Old Roman Catholic Church in North America (http://www.orccna.org/)

Hier habe ich dann meine Recherchen abgebrochen, weil mir inzwischen schwummrig genug zumute war.

Sopran
31.05.2004, 14:33
Schöne Geschichte.

Welcher katholischen Richtung Mel Gibson angehört - dazu Zitat aus dem Wiener Standard:

Was seine Konfession angehe, betonte Gibson, dass er "römisch-katholisch" sei. Er praktiziere seinen Glauben allerdings nach dem "alten Ritus", der bis 1966 gegolten habe und "nie aufgehoben" worden sei. Deshalb sei es "legal", danach zu leben.

Old catholic ist vermutlich sowas wie die hiesige altkatholische Kirche (in der Schweiz christkatholische), die sich 1870 beim 1. Vatikanischen Konzil dem Unfehlbarkeitsdogma und der Rückkehr zum lateinischen Ritus verweigert hat. Das ist "katholisch light" mit Frauenweihe und ohne Zölibat.

Was Gibson da erzählt, hört sich eher nach diesen Lefebvre-Anhängern an. Die fanden wiederum das 2. Vatikanum 1966 unter anderem wegen der Liturgiereform nicht so gut.

raumoberbayern
01.06.2004, 12:57
Pannenberg hat eine überaus realistische Einschätzung der Möglichkeiten Melanchtons. Schließlich weiss auch er wie die Geschichte ausgegangen ist. Denn Melanchton (und Gleichgesinnte in beiden Lagern) hat sich nicht durchsetzen können. Die Kirche blieb geteilt und das Unheil nahm seinen Lauf.

»Die Tante Herta«, hat mein Großvater häufig über sein Cousine gesagt, dabei geheimnisvoll rumgetan und immer wieder den Kopf geschüttelt, »die ist fei a Reformierte. Und die glauben net an die Willensfreiheit«. Und auch so hat er sie kein bisschen leiden können. Dabei war er immerhin Lutheraner.

Einen starken Willen hatten sie beide. Vor allem die Tante Herta, die die Zimmer ihres Hauses einzeln an arme Theologiestudenten vermietet hat. Diese pflegte sie so lange zu schickanieren, bis auch das letzte Krümelchen freien Willens der Demut gewichen war. Heute weilt sie im reformierten Paradies.