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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Semmelrogge, Martin: Drei auf einen Streich



Siepi
26.05.2004, 23:13
Prominenten in München zu begegnen ist sicher leichter als in Gütersloh, tummeln sich doch in der Isarmetropole wesentlich mehr davon und es findet sich immer wieder ein Anlass, bei dem es sich die Berühmtheiten nicht nehmen lassen, sich mit ihresgleichen auf einen kleinen Plausch zu verabreden. Aber auch als Nicht-Prominenter findet sich ab und an, sofern man die Augen offen hält, eine Gelegenheit beim Tanken oder auf dem Viktualienmarkt die täglichen Notwendigkeiten mit einem berühmten Zeitgenossen zu teilen. Schwieriger wird es jedoch an kalten Winterabenden diese Spezies aufzuspüren, da es auch Prominente vorziehen, in dieser unwirtlichen Jahreszeit sich am warmen Offen zu kuscheln, statt sich draußen das Gesicht rot einzufärben. Trotzdem gab es an jenem frostigen Januarabend vor 20 Jahren für mich reichlich Gelegenheit, gleich drei Filmstars persönlich kennen zulernen.

Seinerzeit hatte ich mich entschlossen, mich als Taxichauffeur anzudienen, was natürlich vor allem bei solch kaltem Wetter von meiner Kundschaft gerne in Anspruch genommen wurde. Am frühen Abend stieg ein älterer Herr in mein Taxi, begrüßte mich knapp und nannte die Holbeinstrasse als Fahrtziel. Damit war dann die Unterhaltung auch schon beendet. Normalerweise wäre ich sehr verärgert gewesen, da wir uns bereits als mein Fahrgast zustieg in unmittelbarer Nähe der Holbeinstrasse befanden. Aber mein Ärger verflog sogleich, als ich erkannte, dass mein Fahrgast Siegfried Lowitz war, trotz oder vielleicht auch gerade wegen des grauen Wintermantels, den er trug und des Hutes, den er auch im Auto aufbehielt. Genau wie ich ihn aus dem Fernsehen kannte, verzog er auch bei mir beim Sprechen keine Miene, bewegte kaum den Mund, so dass ich mich wunderte, ob die Worte wirklich aus seinem Mund kamen. Er ließ sich nicht anmerken, ob er einen erfolgreichen Tag hinter sich gebracht hatte und gerade den Mörder schon gefasst hatte oder immer noch auf der Suche nach ihm war. Am Fahrtziel angekommen versüßte der Alte mir unsere Begegnung noch mit 30 Pfennig Trinkgeld, stieg schweigend aus und schritt in Gedanken versunken in die Nacht hinaus.

Kaum eine Stunde später, ich stand mit meinem Wagen vor dem Hilton, stieg ein offensichtlich gut situiertes Paar in meinen Wagen und bat mich, sie zum Filmball im Bayerischen Hof zu fahren, der alljährlich im Januar in der bayerischen Landesmetropole stattfindet. Hoppla, dachte ich mir, heute kommt es aber knüppeldick, schon wieder Schauspieler! Ich fuhr los und betrachtete das Paar im Rückspiegel: er jugendlich gesund aussehend mit dunklem Mantel und weißem Schal, sie blond und trotz der Kälte mit weit ausgeschnittenem Kleid. Während der Fahrt erzählte er ihr, wer alles heute Abend so da wäre: Mario, Michael, Katja und so weiter, so dass ich daraus schloss, dass es für Ihn Routine, für sie aber das erste Mal war. Sie nannte ihn Peter und der eingeweihte Leser wird sicher schon längst einen Verdacht haben, wer denn da in mein Taxi gestiegen war. Immer wieder blickte er auch mich in meinem Rückspiegel an und lächelte leicht und ich lächelte natürlich aus Höflichkeit zurück, um ihn nicht vor seiner Eroberung in Verlegenheit zu bringen. Denn ehrlich gesagt hatte ich, obwohl ich im Geiste mein gesamtes Filmlexikon bereits durchblättert hatte, keinen blassen Schimmer, wer dieser Fahrgast war. So verzichtete ich dann auch beim Erreichen unseres Fahrtziels auf ein Autogramm und kaum war die Autotür ins Schloss gefallen, vergaß ich auch umgehend, wie er ausgehen hatte und dass ich ihn jemals getroffen hatte.

Am frühen Morgen, so gegen 2 Uhr bin ich dann nochmals beim Bayerischen Hof vorbeigefahren, bei dem mir schon zwei Nachtschwärmer torkelnd entgegen wankten. Kaum hatten sie sich auf meine Rücksitze plumpsen lassen, vernahm ich das schrille Geräusch einer Kreissäge. Keine normale Handkreissäge, nein eher eine Kinderplastikkreissäge, wie sie stolze Familienväter heutzutage ihren fünfjährigen Söhnen schenken in der Hoffnung, sie mögen sich ebenfalls zu einem guten Heimwerker entwickeln. Ich wusste natürlich sofort, wem diese Kreissäge gehörte, ohne dass ich mich auch nur umdrehen musste. Das war unverkennbar die Stimme von Martin Semmelrogge. Insofern waren dann auch meine Sorgen gleich verflogen, die einem als Taxifahrer beschleichen, wenn stark alkoholisierte Fahrgäste den Fahrgastraum betreten. Denn einem Martin Semmelrogge hätte ich ohne Bedenken auch in diesem Zustand noch einen Drink angeboten, wenn ich denn noch etwas an Bord gehabt hätte. Auf der Fahrt versuchte er dann seine weibliche Begleitung mit kleinen Witzen zu unterhalten, ließ auch selber ab und zu sein etwas dreckiges Lachen erklingen, ganz so wie es mir in seinen Rollen als kleiner Gauner vertraut war. So wie er auf dem Rücksitz lümmelte entsprach er genau dem Bild, das ich von ihm hatte und mich hätte es nicht gewundert, wenn er damit geprahlt hätte, dass er den ganzen Abend heimlich diversen Schauspielerkolleginnen aus Jux und Tollerei Champagner in Ihre Handtaschen geleert hätte.

Letztendlich habe ich an diesem Abend alle drei Prominenten so kennen gelernt, wie ich sie aus ihren Filmen kannte. Sie entpuppten sich als die Typen, die sie sind oder anders gesagt, sie verkörperten sich einfach als sie selbst auf der Leinwand.

Und danach? Letztendlich sind sie sich alle drei treu geblieben. Kaum 15 Jahre nach unserer Begegnung verstarb der Alte. Martin hat zwischenzeitlich den Führerschein gemacht, spart sich das Taxigeld und fährt jetzt lieber selber. Und Peter? Tja komischerweise lebt Peter jetzt wie ich in der Schweiz. Auf meinen Streifzügen durch Zürich treffe ich ihn öfters. Er schaut mich an mit einer Mischung aus verlegenem Lächeln und der Hoffnung in den Augen, dass ich ihn diesmal erkenne. Aber leider bin ich mit meinen Gedanken woanders, beachte ihn nicht, gehe einfach an ihm vorbei, ohne ihn wahrzunehmen.

42
27.05.2004, 08:22
Wenn hier einer nach diesem "Peter" fragt gibt's einen auf die Birne.

vir
27.05.2004, 09:21
Wer ist denn dieser 'Peter'?

42
27.05.2004, 10:57
Bong!

Goodwill
27.05.2004, 13:01
"gut situiert (...) jugendlich gesund aussehend mit dunklem Mantel und weißem Schal"

Das muss Peter Alexander sein.

vir
27.05.2004, 13:05
Vielleicht aber auch Frankenfeld oder Nidetzky oder Thoms.

(-_-) zzz
27.05.2004, 13:26
Ah, die Redewendung "offensichtlich gut situiertes Paar" habe ich erst gestern genau so verwendet. Und zwar, um Anna von den zwei Leuten an der Kinokasse zu erzählen.
Also. Mir war fad und ich wollte in "Vergiss mein nicht". Vor mir an der Kasse stand ein arriviertes Paar in voller Feinweggeh-Montur: sie onduliert im langen Kleid, er graumeliert im Smoking.

Er (sonor): "Hat denn der Film schon angefangen?"
Kassierer: "Welcher denn?"
Er (blickt sich verlegen um, senkt Stimme): "Hrm. Der Wixxer."
Kassierer: "Ja, der läuft seit ner Viertelstunde. Kommt aber noch Werbung, glaub ich."
Er: "Dann also zwei Logenplätze bitte für (schaut leidend seine Begleitung an, die dreht sich weg, er beugt sich tief zu Kasse vor) Der Wixxer."
Kassierer: "Der Wixxer kommt im Kuppelsaal, da gibt es keine Loge."
Er (strafft sich, atmet tief durch): "Ja... dann eben Parkett. - Aber hinten."