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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ende sieht das Ende



eben
05.05.2004, 17:34
Diese ganz alten Geschichten sind heute merkwürdig.

Meine Mutter hatte damals, um ihrer kolossalen Langeweile etwas entgegenzusetzten, eine Schulbibliothek gegründet. Die lag unten im Keller zwischen Umkleide und Werkräumen, d.h.h freiwillig kam da keiner hin, weil es komisch roch und die Neonröhren immer kaputt waren. Um das zu ändern, bat sie aufs Geratewohl ihre Lieblingskinderautoren, zu einer Lesung vorbeizukommen, es kam aber fast keiner, weil die Schule in Mailand war. Bis auf die großen Autoren, also die vielverkauften, da hängte sich dann nämlich das Goetheinstitut dahinter und bezahlte Lesung, Flug und Hotel. Michael Ende war der erste, den kannte ich sogar, hatte „Die unendliche Geschichte“ grad verschlungen und war etwas aufgeregt, weil Herr Ende nach der Lesung noch zu uns nach Hause kommen sollte, zu einer Art Empfang mit Direktor, Goethemenschen und all diesen Leuten. Mein Vater, der gerne gebildetere Töchter hätte, hatte einen sehr anstrengenden Hang zur Bibliophilie und war ein hemmungloser Sammmler von Erstausgaben und signiertem aller Art. Er sah seine Chance, mich zu kontaminieren. Ich sollte also unbedingt mein Exemplar signieren lassen, die Gelegenheit! Mir war das Konzept noch fremd, es war doch schon bewiesen, dass der das Buch geschrieben hat, sein Name steht ja drauf, warum soll der ihn nochmal reinschreiben, aber mein Vater hatte eine stringente Art, Vorschläge zu unterbreiten. Und so stand ich dann zu fortgeschrittener Stunde mit dem dicken Buch im Dunkeln auf unserem Flur und fand die Vorstellung jetzt eher blöd, da reinzuplatzen und um eine Art Autogramm zu bitten. Autogramme. Daneben. Das war was für noch kleinere Mädchen. Ich hatte meine immer sofort verschenkt und sammelte stattdessen Aufkleber. Im Salon herrschte ein gleichmäßiges Gebrumme und Gelächter, man hörte das Kreischen und Rattern der Tram von draußen, es war ein weiches angenehmes Licht in dem sich die Menschen hin und her bewegten, Schemen hinter dem Milchglas der Türen. Sie wirkten glücklich auf eine Weise, bei der ich bestimmt nicht fehlte. Ich blätterte im Schinken herum und wollte es gerade sein lassen, als ich auf der letzten Seite unter dem letzten Satz der unendlichen Geschichte das Wort „Ende“ las. Das war nicht nur pathetisch, sondern sogar falsch, oder? Ich vergass meine romantischen out-of-setting-Gefühle, ging in den Raum und fragte Herrn Ende, warum denn da Ende stünde. Herr Ende fragte „Was steht da? Das ist falsch!“, strich das Wort durch und schrieb „Michael Ende“ drunter. Das war mein erstes und so sinnvoll signiertes Buch, dass ich es ohne Ehrabbrüche ins Regal stellen konnte. Ist mir bei der Polt-Geschichte unten grad wieder eingefallen, passt hier vielleicht nicht ganz hin.

Bartels Most
05.05.2004, 17:49
...

Kalle Kaulsdorf
05.05.2004, 18:02
Weil die, unendliche, Geschichte ja garkein Ende haben sollte. Meinen Sie das ist daher falsch Ende zu schreiben, eben?

eben
05.05.2004, 18:17
Herr Most, ich hab wohl tatsächlich eine Erstausgabe, und Herr Ende war überrascht und etwas verärgert über das Ende. Steht heut nicht mehr drin? Das Buch war damals aber schon 2 Jahre auf dem Markt...Lustig.

Bartels Most
05.05.2004, 18:23
...

DREA
05.05.2004, 18:25
Herr Kaulsdorf, moechten Sie sich wuerdevoll selbst zurueckziehen oder bevorzugen Sie Unterstützung?

eben
05.05.2004, 18:32
In meinem Buch hat Herr Ende sehr vollständig signiert und sogar das Datum dazugeschrieben: 26. Nov. 1981 steht da. Hey, endlich mal Lorbeeren.