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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Buch, Hans Christoph ist komisch



Werrnerr
24.03.2004, 16:25
Vor Jahren war ich bei einer Lesung von Hans Christoph Buch. Es war eine Veranstaltung des Instituts, an dem ich studierte, und somit eine Quasi-Pflichtveranstaltung. Von Buch hatte ich bis dahin noch nichts gelesen. Seitdem allerdings auch nicht.
Hans Christoph Buch arbeitete damals an einem neuen Roman, wie er uns bedeutungsvoll mitteilte. Er sollte heißen „Die Hochzeit von Port-au-Prince“ oder „Die Scheidung von Santo Domingo“. So genau weiß ich das nicht mehr. Egal. Fertig war er noch nicht, der Roman, aber bald sollte er es sein. Und aus eben diesem Roman wollte er uns jetzt vorlesen.

Höflich gespannt saß ich auf einem roten Sofa, das neben einem übergroßen Bücherregal platziert war. In einer Entfernung von fünf Metern saß Herr Buch an einem kleinen Tisch, den man auf ein Podest gestellt hatte.

Er wolle, so verkündete er, aus dem ersten Kapitel lesen. Der Roman spielte zwar im 19. Jahrhundert, doch traten Figuren auf mit Namen von bekannten Menschen, die erst im 20. Jahrhundert lebten. Rätselhaft. Ich hörte zu und verstand nicht viel. Andere hörten auch zu und einige wenige verstanden so viel, dass hin und wieder ein verstehendes Lächeln über ihr Gesicht huschte. Schmunzeln vielleicht. Ich schmunzle selten.
Am Schluss der Lesung herrschte Stille. Dann Klatschen. Höflich.

Nun ergriff Herr Buch wieder das Wort. Offensichtlich war er verärgert, denn er meinte, vor einem solchen Auditorium habe er ja noch nie lesen müssen. So etwas Verschlafenes. Er habe so gute Stellen gelesen, die so komisch gewesen seien. Ja, ob wir den Witz des Gelesenen denn nicht erfasst hätten. Da wäre ja keine Reaktion gekommen auf die Komik. Das wäre doch witzig gewesen. Andere Zuhörer hätten an der und der Stelle immer gelacht. Nur wir nicht. So was. Noch nie passiert wäre ihm das.
Ich fand diese Reaktion unangemessen. Ich saß hier seit einer Stunde gepflegt gelangweilt und hatte wirklich keine Lust auf Publikumsbeschimpfung. War das meine Schuld, dass die Komik nicht zündete? Und wo hätte sie es tun sollen?

Also rief ich ins Auditorium hinein: „Was soll das denn? Achten Sie beim nächsten Mal besser auf die Reaktion Ihres Publikums, dann müssten Sie sich jetzt nicht beschweren.“ Was Besseres fiel mir nicht ein.
Danach verließ ich den Saal, denn ich musste mal.

vir
24.03.2004, 16:31
Das ist schon ein extremer Zufall, wenn man einen Autor auf dessen Lesung sieht, Wernerr.

Iron Chef Morimoto
24.03.2004, 17:01
Werrnerr formuliert hier eine tolle Parabel auf das Forumsgeschehen der letzten Tage, und Du checkst das wieder nicht, vir. (Gehört aber eigentlich ins Lichte-Anekdoten-Forum)

vir
24.03.2004, 17:05
Parabeln gehören ins Tierforum, Du Eisenkoch.

bettyford
24.03.2004, 17:07
Parabeln sind tierlose Fabeln. Beides sollte sich aber weniger plumpen Mitdernasedraufstossens bedienen, daher unterstelle ich mal, dass Werner das Geschriebene genauso gemeint hat.

bettyford
24.03.2004, 17:08
plumpem?

Werrnerr
24.03.2004, 17:36
Das Kriterium Zufall habe ich vergessen. Ich bitte um Verzeihung.

Stimmen
24.03.2004, 21:04
Selten lehne ich Aufträge aus anderen Gründen als Zeitnot oder Unlust ab, aber ich sollte mal ein Cover für HC Buch machen, eine Geschichte war dabei, wo Karl May Hitler trifft, extrem langweilig und scheiße geschrieben, mußte ich aus ästhetischen Gründen ablehnen. In Erinnerung geblieben ist mir auch eine Debatte, die Buch letztes Jahr oder so lostrat, Inhalt vergessen, aber irgendwas vom Kaliber "Warum werden junge Frauen vom Feuilleton so gehypt" oder "Warum kriegen alte Schnarcher wie ich nicht mehr Preise".

oliverk
24.03.2004, 22:40
An die Hitler/May-Geschichte kann ich mich erinnern, die war im SZ-Magazin abgedruckt, ich weiß allerdings nicht mehr, worum es ging. Ich weiß aber, dass es ein Buch von Hans Christoph Buch gibt, das Leuten geschenkt werden kann, die nach Spanien trampten und anschließend Globetrotter werden wollten. „Tropische Früchte“ heißt es. Hinten steht „Nur in der Nacht des Vorurteils sind die Neger schwarz“ drauf. Ich fand das Buch nicht schlecht, wollte allerdings nie Globetrotter werden.
Buch brachte allerdings auch ein Werk heraus, das er „An alle!“ nannte. Seine „Offene[n] Briefe“ kann man dort nachlesen. „Lieber Willy Brandt! (Faksimile)“ etc.
Nicht uninteressant ist jedoch sein Interview mit Herbert Marcuse aus dem Jahr 1977:
Buch: Es gibt hierfür ein allerdings zweischneidiges Beispiel – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Einführung der Guillotine durch die Französische Revolution war ein Fortschritt, war human im Vergleich zu den Hinrichtungsmethoden, die unter der Monarchie üblich waren – so obszön das klingt.
Marcuse: So sieht eben in der bürgerlichen Gesellschaft der Fortschritt aus.

slowtiger
25.03.2004, 15:11
Nur mal gelinde gefragt: Wird das hier jetzt "Ganz normale Menschen treffen zufällig prominente Bücher"?

Ruebenkraut
26.03.2004, 07:57
wird das hier jetzt die "was da oben in #2 steht kann man ja in #10 noch mal mit anderen Worten sagen Endlosschleife?"