PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Feldmann, Rötger („Brösel“/ „Werner“); zeichnet keine Scooter



JPHintze
24.03.2004, 00:13
Herr Feldmann ist, hier im Land zwischen den Meeren sowie von Freunden populärer Zeichenkunst kurz „Brösel“ genannt, zweifelsohne lebende Legende.

Sein alter Ego, der als „Werner“ in die Comic- und Trickfilmgeschichte eingegangene gurkennasige, motoradfahrende und Bügelflaschenbier trinkende Klempner-Geselle, der zwischen Nord- und Ostsee, zwischen Hamburg und Kiel gemeinsam mit seinen archetypischen Freunden die fantastischen Freuden des einfacheren Gemüts auslebt, ist schlichtweg Kult.
„Werner“, also vielmehr der Zeichner „Brösel“, das sollte hier nicht unerwähnt bleiben, karikiert nicht nur äusserst treffend die kantigen und originalen Typen des Nordens, er ist mit Leib sowie in eigener Person solch ein Original von der Küste.
Behauptete also der Schöpfer der legendären Comicwelt des „Tintin“ von sich nicht ohne Grund: „Tintin, c´est moi!“, so kann Brösel ohne Scham von sich sagen, der reale „Werner“ zu sein.
Er braucht dieses hingegen gar nicht erst zu betonen, man weiss oder ahnt es spätestens dann, wenn man ihn gesehen hat.
Hier im Norden weiss es also jeder, der jemals mit den gezeichneten Werken dieses Mannes in Berührung gekommen ist.

Ulf´s Bekanntheitsgrad konzentrierte sich hingegen, damals jedenfalls, überwiegend auf die Region Lübecks.
Ulf war der, fast ständige, Plattenmeister des „Body&Soul“, eine der wenigen niveauvollen Discotheken in der Altstadt, die aber in anderen Erzählungen eine intensivere Rolle spielt.
Ulf hatte die Erscheinung eines jungen David Bowie, war immer munter und stets gut drauf.
Ebenso wie Bowie verstand es Ulf, das tuntige seiner Erscheinung mit überspielter Männlichkeit und ausladenden Witz wettzumachen; dennoch waren sich manche seiner hormonellen Tendenz und sexuellen Ausrichtung nicht ganz sicher.
Eingeweihte wussten dabei sicher, dass Ulf sich sein Nachtlager ausschliesslich mit „Lotti“ teilt, eine schon in die Jahre gekommene Labrador-Hündin.
Aber auch uns war die Basis dieser Beziehung völlig schleierhaft, für unterhaltsam und äusserst kurios fanden wir hingegen eine Regelmässigkeit, die seinesgleichen suchte. Das Haustier nervte nie.
Wenn Ulf im „Body“ für Musik sorgte, irgendwo am Tisch herumsass oder zuhause angetroffen wurde, war „Lotti“ nie zu sehen. Traf man ihn jedoch draussen irgendwo an, oder ging mit ihm die Strassen entlang, war „Lotti“ stets an Ulfs Seite. Befand man sich dann wieder in Räumen – war das Tier plötzlich weg; wie vom Erdboden verschwunden.

Eines Nachts im „Body“, vermutlich an einem Wochenende, rief mich Ulf im musikalischen Gedröhn zu seiner Kanzel hoch, oben auf der Gallerie.
In dieser Zeit war es eigentlich fast ständige Regel, nach der Inszenierung im „Body“ gegen 5.00 Uhr morgens gemeinsam in „Croquodeal“ sozusagen „auszuchillen“.
Das „Croquodeal“ lag unten an der Obertrave, rund zehn Minuten Fussmarsch vom „Body“ entfernt, bekannt als gemütliche, helle Altstadtkneipe mit gehobenem Dart-Bistrocharakter.
Ulf gab wie erwartet die Losung aus, sich also nachher, wenn die Schotten dicht sind, im „Croquodeal“ zu sammeln, fügte jedoch mit besonderem Ausdruck und feierlicher Augenakrobatik hinzu, dass ein besonderer Gast zugegen sei.
Es würde sich um den grossen Künstler Brösel handeln, und Ulf tänzelte voller Vorfreude, dass es so schien, als würde sich ihm eine fantastische Comickarriere eröffnen.
Brösel war also da.
Sicherlich, ich wusste um die ein oder anderen angedeutete Bezüge zu Lübeck, so in der gezeichneten Silhuette oder dem hinter Kiel getätigten Ausruf „Froie Bahn nach Marzipan!“, doch tatsächliche Beziehungen des Meisters zur Stadt an der Trave (neben sporadischen Signierstunden in Buchhandlungen) waren mir neu.
Und dann noch im „Body“!
Den Brösel würde ich eher im „Rider´s Cafe“ wähnen, einem Musik-Club vor den Toren der Stadt und eher von Zielgruppen wie Lederjacken- und Motorrad-Freunden bevorzugt.

Das komische war, dass der mir an diesem Abend hier noch gar nicht unter gekommen ist. Ich hatte damals nämlich die ganze Nacht eigentlich im „Body“ nichts anderes zu tun, als mich zwischen den Rändern der Tanzfläche und der Ecke Tresen, links am Eingang, zu bewegen.
Zu einer Zeit, die noch vor der persönlichen Entdeckung psychoaktiver Rauchkräuter lag und eine bewusstseinserweiternde Wirkung durch wodkahaltige Getränkemischungen erwartet wurde, alles jedoch unter Einhaltung der sprichwörtlichen „goldenen Mitte“ und deshalb fern jeglicher tragischer Bewusstseinsausfälle.
Das ganze sah dann praktisch also so aus, dass man über den Abend verteilt so einige Gläschen konsumiert, sich aber strikt von Biergetränken fernhält. Gegen morgengrauen nimmt der Konsum mit dem Alkoholpegel drastisch ab, bis man dann gegen Schluss mit der Schläffrigkeit kämpft.
Ich war also ausgesprochen müde und fand meinen Kumpan Riesenzwerg (von dem auch an anderer Stelle noch ausführlicher die Rede sein wird) durch die an mir zum Ausgang vorbeigleitenden Massen nur schwer, wollte ihm vor Torschluss die Anwesenheit des hohen Gastes jedoch nicht vorenthalten.
Riesenzwerg stand vor zwischen den Toilettentüren und befand sich offensichtlich, schüchtern verborgen in seinem verfilzten Afrohaar, mitten in einer komplizierten Diskussion mit einer völlig nüchternen Studentin aus Liberia.
Es ging um positive und negative Seiten des deutschen Kolonialismus zur Kaiserzeit.
Riesenberg meinte, Kolonialismus und Imperialismus seien grundsätzlich abzulehnen.
Ich als liberaler fand es dagegen typisch für Riesenzwerg, beides gleichzusetzen, wollte mich in dieser Diskussion aber schon aus Zeitgründen schon nicht einmischen und mahnte deshalb lieber zur Eile.
Die Tatsache, dass Brösel heute morgen mit dabei sein würde, beschleunigte mein Vorhaben kolossal.
Plötzlich mischte sich aus dem Hintergrund eine Rastafrau, dem Dialekt zufolge aus Schwaben. Sie wollte der Diskussion noch hinzufügen, dass Rassismus irgendwie immer scheisse ist, wir gingen aber schon zum Ausgang.

Ulf und Gefolge waren natürlich längst weg, den akkustischen „Rausschmeisser“ besorgte ein dafür vorbereitetes Tape, und im „Body“ wurde es still.
Etwa am „Pferdemarkt“ hatten wir die Gruppe dann fast wieder eingeholt, erkannten Ulf von weiten durch „Lotti“ an seiner Seite – von Brösel konnten wir bis dahin immer noch nichts sehen.
Im „Croquodeal“ angekommen, natürlich mit reichlicher Verspätung, fand man dann schnell wieder Anhang.
Und tatsächlich: Am grossen Tisch in der Mitte des Lokals sass, wie es einem König gerecht, Brösel, recht unscheinbar aber unzweifelhaft zu erkennen – die Konturen, Gestalt, Brille – wie man es aus Literatur, Film und Medien kannte.
Im „Croquodeal“ war wieder ´ne Menge los, es herrschte ein unglaublicher Lärm, und wer schon mal in solcher Kulisse kurz vor dem eindösen befand weiss, dass dies das Einlullen fördert.
Dem Brösel ging es ähnlich; auch er schien mit dem Schlaf zu kämpfen.
Ich griff zu dem bewährten Mittel, ein pralles Glas Hefeweizen zu ordern und daran zu arbeiten – das machte munter, frisch und brachte auf Touren.
„Du, Werner, probier´ mal was bayerisches – das macht munter!“
„Nee, lass ma. Ich brauch nur Schlaf...“
War also nix.

Ich war also auf dem Weg zur Munterkeit; dass machte sich insbesondere im Redefluss und Mitteilungsbedürfniss bemerkbar, welches ich selbst ab einem gewissen Punkt nicht mehr bremsen kann.
Brösel wurde mittlerweile von diversen weiteren Beobachtern erkannt, gegrüsst oder geehrt, Autogrammwünsche wurden allerdings nicht gestellt.
Der Mann war, so freundlich er sich auch den Umherstehenden gab, ganz einfach fertig.
Dem war also weder nach Gespräch und Konversation.
Dabei hätten sich wirklich interessante Gespräch entwickeln können, denn nur wenige Meter entfernt fand sich auch Günther Haase, ein begnadeter Lübecker Künstler des Bildes und der Worte, der heute jedoch traurigerweise nicht mehr zu den Lebenden zählt.
Der beschäftigte sich jedoch gerade mit Riesenzwerg; die beiden spielten Schach oder ein anderes Brettspiel.

„Sach mal, Werner, mal doch mal was!“
Eine Idee, die ich eigentlich nur völlig spontan ins Spiel brachte, die dann aber schnell zu Faxen entwickelte:
“Werner, deinem Werk an sich fehlt irgendwie der Tiefgang, also Tiefgang von der subtileren Art. Geh´doch mal in völlig andere Zusammenhänge ´rein, mach doch mal neue Schubladen auf!“
„Was willst Du?“ – der Künstler wurde anscheinend wach,
„mal doch mal was mit Mods und Scootern! Mal doch mal ´n Mod. Der könnte doch dann bei Röhrich Praktikum machen und Eckard ...“
“Nein!“
„Was?“
„Sowas wird´ ich auf keinen Fall zeichnen.“
Für mich unverständlich, aber deutlich.
„Wieso denn nich? Das würde doch mal völlig neue Seiten, also, da würden sogar neue Zielgruppen ...“
„Das würd´ich schon aus Anstand nicht machen, ausserdem is jetzt Feierabend, da zeichne ich sowieso nicht.“
“Aber ...“
„Jetzt halt´doch mal die Klappe, lass den Morgen doch einfach mal ruhig angehen!“
Das sass, hatte aber eine ungemeine Originalität.

Ansonsten spielte Brösel im Laufe des Morgens einen noch relativ sauberen Dart, munterte sich dann doch noch mit einigen Schnäpsen auf und wollte später sogar mit Günther Haase und Riesenzwerg an die Trave zum Angeln.
Ich mochte und konnte nicht Angeln, außerdem beschäftigte mich die Idee der zielgruppenorientierten Comicserien zu sehr.

http://www.jphintze.de/image/content/weblog/broesel1.gif
Brösel (links) und Günther Haase in künstlerischer Dienstkleidung

slowtiger
24.03.2004, 00:26
Es gibt Sätze, die lassen Einen erschauern. Sätze wie "„Body&Soul“, eine der wenigen niveauvollen Discotheken in der Altstadt, die aber in anderen Erzählungen eine intensivere Rolle spielt." Oder auch "fand meinen Kumpan Riesenzwerg (von dem auch an anderer Stelle noch ausführlicher die Rede sein wird)".

Ich hoffe nicht.

elinor
24.03.2004, 00:32
Bölk bölk bölk.

elinor
24.03.2004, 00:36
.

slowtiger
24.03.2004, 00:39
Abgesehen davon, daß Diskothekenerlebnisse grundsätzlich wenig Erzählenswertes hergeben, so stimmt auch hier mal wieder garnichts.

Erst einmal braucht es nicht dermaßen viele Anführungszeichen. Hund heißt Lotti, Figur heißt Werner, gut is. Dann war Werner stets der Klempnerlehrling. Da Brösels Comics allesamt dokumentarisch sind, war das Ansinnen, andere Zielgruppen anzusprechen, voll daneben. "Jetzt halt doch mal die Klappe" war da als Reaktion noch dezent.

rron
24.03.2004, 00:48
"Croquodeal", "Gallerie", "Schläffrigkeit", Sie legen einem wirklich einige fette Steine der Widerwärtigkeit in den langen Weg. Aber das Foto ist fesch und die Tristesse, die von solchen Läden ausgeht, haben Sie in Ihrer Geschichte gut "rübergebracht".

JPHintze
24.03.2004, 00:52
... der Fehler mit dem "Lehrling" ist durchaus beabsichtigt (dass ich die Inhalte Brösel Werke nur ungenau kenne, brauchte so (im Interesse der müden Leser) nicht umständlich erklärt werden.

Anführungszeichen sind in der Tat ziemlich zahlreich - ich hab´ die Dinger aber einfach gerne.

Frau H aus B
24.03.2004, 01:44
Titelvorschlag: "Feldmann, Roetger sagt: 'Jetzt halt doch mal die Klappe'".

Bartholmy
24.03.2004, 01:55
Lang wie öd.

vir
24.03.2004, 10:01
Man darf diesen Jean-Pierre Hintze nicht so bashen, der ist doch offensichtlich der Autor des Klappentextes vom Paparazzi-Buch.

mulle
24.03.2004, 10:10
Grauenhafte Geschichten, ganz schrecklich, machen Herzrhythmusstörungen.

Alberto Balsam
24.03.2004, 12:14
Das ekelhaft, spießige Milieu, der widerwärtige Zeichner und die Geschwätzigkeit des Autors machen es einem nicht gerade leicht die ganz okaye Geschichte zu mögen.
Der grauenvollste Satz: "Ansonsten spielte Brösel im Laufe des Morgens einen noch relativ sauberen Dart"

DREA
24.03.2004, 12:22
Kuerzen auf 2.500 Zeichen koennte helfen; Beseitigung des angestrengten, pseudo-lockeren Grundtons auch.

Edding Kaiser
24.03.2004, 12:25
Es ist dieser irishpubbige Grundton, der nervt.
Äh, ja, genau, DREA.

flaubertselbst
24.03.2004, 16:06
Geht's in diesem Forum häufiger um Comicfiguren, über die schon
in den Achtzigern nur die lachen konnten, die sich unter zur Hilfe
nahme von Unmengen Bölkstoff das zentrale Nervensystem durchlöchert hatten?

Nur mal so eine Frage, bin schliesslich neu hier.

Hochachtungsvoll, flaubertsebst.

bettyford
24.03.2004, 16:11
Ja, zu ungefähr 75 Prozent. Manchmal reden wir über überhaupt garnichts anderes. Und manchmal kommen gottgleiche Wesen und sprechen zu uns, lachen über unsere Wurmartigkeit und haben alles schon begriffen, gesehen und verdammt. Mitunter sind sie dabei ein wenig ironisch. Da stehen wir nämlich drauf.

huehnergott
24.03.2004, 16:53
ja, ja, man benötigt hier schon eine gewisse leidensfähigkeit!
nur sollte man aufpassen, dass man nicht zum spielball derer wird, die sich hier ihr eigenes ego aufpusten wollen.

das ändert aber nun nix an dieser unglückseligen werner-brösel geschichte, reine zeitverschwendung, dieses...

DREA
24.03.2004, 18:45
Info-PN bekommen, flaubertselbst?

verreibt ein bisschen Federglanzgel und geht in Plusterstellung

flaubertselbst
25.03.2004, 12:47
Okay, danke für die Einführung.
Also es geht u. a. darum aus einigen Egos die Luft rauszulassen.
Dazu muß man dann halt nur noch den Stöpsel finden.
Klasse, wirklich ein toller Zeitvertreib.
Aber ich suche mir jetzt dann doch ein anderes Objekt.
Und bald werfe ich euch selbst eine blutigen, stinkenden
Kadaver hin, über den ihr herfallen könnt.
Na, da rinnt euch schon das Wasser aus den Mundwinkeln, stimmts?
Ist doch besser als sich noch länger mit Bröseln abzugeben.

Hochachtungsvoll, flauberts.

bettyford
25.03.2004, 12:51
Nimm doch bitte den Müll mit raus, wenn du gehst.

Danke.

Zaungast
25.03.2004, 19:40
Schöne kurzweilige Zeitreise an die Stätten der Jugend, die ich nie als ekelhaftes, spießiges Milieu empfunden habe. Sei es drum, mir hat die Geschichte gefallen, aber möglicherweise ist die Norddeutsche Provinzseele ja auch nur leicht, zufrieden zu stellen.

Bruno-King of Ravioli
25.03.2004, 19:45
*pruuust*

flaubertselbst
27.03.2004, 12:23
Okay, ich mach' das mit dem Müll.
Will ja ein guter Mitbewohner sein. Und hier hat sich ja doch einiges angesammelt.

Plötzlich devot, flauberts.

SpiritusRector
28.03.2004, 22:57
fantastische geschichte das.
bloss nicht von den eitelkeitsfratzen einschränken lassen - weiter machen, mehr kapitel aus marzipan !!!

elinor
28.03.2004, 23:07
Das ging aber schnell.

DREA
28.03.2004, 23:13
reimt ein bisschen lustlos: "Dem agent provocateur ist keine Peinlichkeit zu schwer..."