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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Gerster, Petra



seven
15.03.2004, 17:09
Petra Gerster

Petra Gerster hat zur selben Zeit wie ich in Konstanz studiert. Da es in den ausgehenden Siebzigern an der ganzen Uni überhaupt nur ca. 6000 Studenten gab, ist man sich recht oft über den Weg gelaufen. Auch in ein paar Seminaren werden wir zur gleichen Zeit gesessen haben, aber genau kann ich mich daran nicht mehr erinnern. Petra sicher auch nicht. Sie gehörte nicht zu den auffallenden Erscheinungen in Konstanz und es gibt eigentlich nichts Bemerkenswertes über sie zu erzählen, außer einer Begebenheit, die sich anlässlich eines Festes zutrug welches in Petras WG stattfand. Es könnt ihre Geburtstagsparty gewesen sein.
Es ließ sich gut feiern in diesen Zeiten. Fast alle Studenten waren Spontis oder Maoisten oder jedenfalls irgendwie links. Eine Besonderheit in Konstanz war, dass selbst die am schlimmsten verfeindeten Gruppierungen es schafften sich zu gegebener Zeit noch halbwegs partytauglich, d.h. auch mal ordentlich daneben zu benehmen. Vor allem aber gab es damals noch große Altbauwohnungen, die für geringes Geld an Wohngemeinschaften vermietet wurden. Und das in Gegenden, wo heute nur noch Zahnärzte, Immobilienbüros, Werbeagenturen oder Unternehmensberater sitzen. In einem solchen Filetstück, Jugendstil, direkt an der Rheinbrücke, befand sich die befreundete WG in der auch Petra Gerster wohnte. Ich kam mit zwei oder drei Freunden dort an und einer meiner Begleiter bemerkte sogleich den bedenklich geringen Vorrat an Getränken, vor allem an Bier.
Wir gingen also ohne Verzögerung zur Sache.
Es waren nicht viele Gäste da, vielleicht 20. Unter ihnen ein Gaststudent aus Russland. Und das hatte in Zeiten in denen Glasnost und Perestrojka weder in Ost noch West geläufige Begriffe waren und noch dazu in Konstanz durchaus den Anflug einer exotischen Sensation. Dieser arme Mensch hatte sich offenbar schon seit dem Nachmittag mit etlichen geistigen Getränken erfrischt und saß entsprechend derangiert auf einem der Sperrmüllfauteuils herum, die in Vorikeazeiten zum Standard fortschrittlicher Wohngemeinschaften gehörten.
Außerdem war er unübersehbar in Petra Gerster verliebt oder bildete sich das im Zustand der Bewusstseinstrübung zumindest ein. Petra war wie gesagt keine besonders auffällige Erscheinung aber proper, außerdem nett, gastfreundlich und solo.
Mit dem Verzehr von Bier und dem Austausch launiger Worte beschäftigt bekam ich eher aus den Augenwinkeln mit, dass die Versuche des russischen Gastes, Petra seine Zuneigung zu bekunden im Laufe des Abends an Unbeholfenheit zunahmen.
Der ein oder andere Satz wurde etwas lauter gewechselt, Versuche des Russen, die Kommunikation in nonverbale Bahnen zu lenken wurden von Petra freundlich aber bestimmt abgewiesen und irgendwann gab es so etwas wie einen kleinen Eklat.
Türen wurden geknallt, Getrappel auf der Treppe, irritierte Blicke und jemand rief „der will sich die Rheinbrücke runterstürzen“.
Ruckzuck rannte alles raus den Russen retten. Meine Freunde und ich blieben in anderer Einschätzung der Lage vor den zur Neige gehenden Bierkästen sitzen. Der liebeskranke Russe tauchte nach einiger Zeit wieder auf und hatte sich natürlich nicht von der Rheinbrücke gestürzt. Nach und nach kamen auch seine Retter wieder zurück. Das Fest aber war zu Ende.
Immer wenn ich heute Petra die Nachrichten vorlesen sehe muss ich daran denken wie ein Russe ihretwegen einmal sterben wollte. Jedenfalls fast.

Herr Weber
15.03.2004, 17:52
Mich "mit geistigen Getränken erfrischen" könnte mein neues Frühlingshobby werden.

vir
15.03.2004, 18:26
Ist das die Frau von Eurem ehemaligen Arbeitsamtsdirektor? Ist ja egal, prima Geschichte auf jeden Fall.

Albin Kessel
15.03.2004, 18:32
Nein, sie ist seine Schwester und arbeitet beim ZDF. Ich hab mich immer gefragt, was sie wohl denkt, während sie die Nachrichten sprach, und ihr Bruder mal wieder heftigst kritisiert wurde.