PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schmidt, Renate (nimmt mir die Luft)



Lisa Neun
11.03.2004, 18:03
Neulich bin ich von Nürnberg nach Berlin geflogen. Mit einer dieser superengen Eurowings-Propellermaschinen, bei denen einem spätestens beim Servieren des vertrockeneten Flugsnacks die finale Platzangst trifft. Plötzlich hat sich Renate Schmid neben mich geklatscht. Weder beim hinsetzen noch während des gesamten Fluges hat sie ein Wort gesagt oder mich eines Blickes gewürdigt - aber die Mittelarmlehne hat sie mir weggenommen.

Während des Fluges hat sie Zeitung gelesen und sich vom Flugsnack nur die Weight-Watchers-POINTS-kompatiblen Häppchen geschnappt. Sie hatte eine schwarze wallige Strickjacke an mit Bommeln, die sicher teuer war aber auch etwas fusselig. Sie roch nach Body-Lotion - Nivea wars nicht.

Nach der Landung ist dann Horst Schmidbauer den Gang entlang gekommen und hat sie um finanzielle Hilfe gebeten bei "irgendeinem Behindertenprogramm". Sie hat gemeint: "Ruf mich an".

Ich war froh, als ich aus dem Flugzeug rauskam, weil das war schon recht eng.

joq
11.03.2004, 18:14
Klaustrophobie.
Muss es heißen.

Platzangst ist Angst vor großen Plätzen.

Lisa Neun
11.03.2004, 18:18
Platzangst ist die Angst zu zerplatzen, weil man keinen Platz mehr hat.

vir
11.03.2004, 18:21
Das mit der Crème finde ich gut beobachtet, falls man 'beobachtet' auch in Verbindung mit Gerüchen benutzen kann.

Der Admiral
11.03.2004, 18:35
Bromhidrosiphobie – Angst vor Körpergeruch

joq
11.03.2004, 18:37
http://www.seeklyrics.com/lyrics/Frank-Zappa/Stinkfoot.html

U_Sterblich
11.03.2004, 19:58
Die Sache mit der Mittelarmlehne ist ganz interessant. Irgendwann mal habe ich einen Forschungsbericht gelesen in dem es um Mittelarmlehnen ging und um Männer vs. Frauen. Die Forscher hatten herausgefunden, dass Männer manchmal ein bisschen um die Mittelarmlehne rangeln, dass Frauen sich meist automatisch aber eher kooperativ einigen, und dass aber wenn Mann und Frau nebeneinander sitzen, der Mann fast immer mit größter Selbstverständlichkeit die Mittelarmlehne für sich nimmt.
Dieses Wissen liegt seither wie ein Fluch über meinem Mitellarmlehnenverhalten, denn sobad ein Mann neben mir sitzt und wie selbstverständlich die Mittelarmlehne in Anspruch nimmt (und das tun sie tatsächlich so gut wie immer, die Männer), dann denke ich nun sofort: Aha! Schon wieder! Anschließend versuche ich, mir ein Stück Mittelarmlehne zu erobern, was Irritationen auslöst.
Am interessantesten ist es aber, wenn ich zuerst meinen Arm auf der Lehne habe und DANN kommt ein Mann. Wenn ein eine Frau kommt, lässt sie mich in Ruhe. Ein Mann aber hat subtile, eventuell gar nicht böse gemeinte Bewegungsmechanismen, den weiblichen Arm quasi unbemerkt von der Mittelarmlehne zu verdrängen, so dass irgendwann seine eigener, männlicher Arm darauf Platz findet. Hat man aber vorher entsprechende Studien gelesen und ist sich der Gefahr bewusst, beharrt also auf dem eigenen Arm auf der Lehne, dann ist für den benachbarten Mann der Tag gelaufen. Er weiß gar nicht weshalb. Die Mittellehne dringt ihm gar nicht ins Bewusstsein, aber die Laune ist im Keller. Man kann es beobachten, ist ganz interessant.

U_Sterblich
11.03.2004, 20:00
Vielleicht sollte ich die Evolution mal einfach so lassen wie sie ist.

stu
11.03.2004, 20:05
Du hast die Evolution doch gerade schon verändert! Weil wir alle jetzt dieses Wissen haben. Ab heute wird um Mittelarmlehnen gekämpft!

Frau H aus B
11.03.2004, 21:13
U, der Fluch des Wissens um diese Studie begleitet mich auch schon seit Jahren, und ich habe dasselbe beobachtet wie Du! Einmal setzte sich im Kino ein Silberrücken neben mich und versuchte, meinen Arm mit großem Krafteinsatz von der Mittellehne zu drängen, ohne Erfolg. Die Stimmung war dann während des gesamten Films ein wenig angespannt.

lost in translation
12.03.2004, 16:45
Der Kampf um die Mittelarmlehne ist ein immer wieder wenig erfreuliches Ereignis - aber man kann sich damit auch die Zeit auf einem Langstreckenflug gut vertreiben.

Auf einem Flug von Frankfurt nach London sass ich ich einmal neben einem eher etwas fuelligeren Herrn, der sich langsam ueber und unter der Armlehme in meinen Sitz ausdehnte - aeusserst unangenehm.

Natuerlich belegte er gleich die Mittelarmlehne mit seinem fleischigen Unterarm - ich kaempfte verbissen zurueck. Er liess sich jedoch nicht beirren, und orderte auf dem kurzen Flug nicht weniger als 3 dieser kleinen Rotweinflaeschchen (die Hoelle).

Als sich unsere Arme wieder einmal kreuzten, bemerkte er pikiert "there is not much space around here, isn't it" worauf ich zurueckgab "and I'd appreciate if you were not to take all of it" (auf diese, wie ich meinte, doch sehr schlagfertige Antwort war ich sehr stolz). Er wendete sich wieder seinen Rotweinflaschen zu und wir versuchten uns eisig, fuer den Rest des Fluges keines Blickes mehr zu wuerdigen.

ziegenpeter
18.03.2004, 18:53
Das Dilemma am Wissen um bestimmte menschliche Verhaltensweisen ist, dass man es gelegentlich nicht ausblenden kann und es in bestimmten Begegnungen bewusst abruft, die Interaktion beobachtet und nicht mehr intuitiv handelt, sondern den Ablauf innerlich hinterfragt und so den natürlichen Verlauf einer bestimmten Situation hemmt.

Ähnlich, wie bei Frau Sterblichs Mittelarmlehnen-Phänomen (#7 (http://www.hoeflichepaparazzi.de/forum/showthread.php?postid=316530#post316530)), verhält es sich bei mir mit der Körpersprache. Ich fand irgendwann gefallen an der Theorie, der Körper bringe die seelische Befindlichkeit zum Ausdruck. Ich war neugierig zu erfahren, wie ein bestimmter Gestus den Inhalt verbaler Botschaften um nonverbale Mitteilungen ergänzt, relativiert oder erweitert. Auch wenn ich mich damit nur sehr oberflächlich befasst haben mag; so sind mir doch ein paar Wissensfetzen im Gedächtnis verblieben.

Besonders bei Erst-, Zweit- und Drittbegegnungen, ertappe ich mich zuweilen dabei wie ich mein Gegenüber plötzlich durch einen Körperhaltungsfilter betrachte. Das ist im ersten Moment interessant. Ich bemerke dann etwa verschränkte Arme, überkreuzte Beine, gepresste Lippen oder ein vorgestelltes Bein etc. pp. Wenn ich daraus beispielsweise ableiten kann, dass ich es verunsichere oder eine Art Unbehagen auslöse, versuche ich darauf mit meiner Haltung zu reagieren. Ich löse alle Kreuzungen und Verschränkungen sämtlicher (bewusst steuerbarer) Extremitäten, wende mich der Person zu und suche den Augenkontakt. Manchmal entspannt sich eine solche Situation dann auch. Meistens aber wird es davon nicht besser. Mein Interaktionist scheint die demonstrative Offenheit noch mehr einzuengen. Das führt dann dazu, dass ich mich noch stärker beobachte. Und dann bin ich verunsichert. Zum Glück geht das immer schnell vorbei, so dass sich dann doch noch eine halbwegs normale Begegnung einstellt.

Charlson Lyes
18.03.2004, 19:12
wenn die verunsicherung meistens so schnell vorbeigeht, dass sich dann die halbwegs normalen begegnungen einstellen, dann sind sie ja wirklich ein glückspilz und ein mordskerl dazu, guter mann.

ziegenpeter
18.03.2004, 19:17
Sie erläutern mir sicher gleich höchst eifrig, was Sie mit Ihrem Posting eigentlich sagen wollen. Ja?

Charlson Lyes
18.03.2004, 19:20
nein.

ziegenpeter
18.03.2004, 19:21
Dann aber schnell nach nebenan, Herrn Bangens Frage noch beantwortet. Hopp!

Angelika Maisch
18.03.2004, 19:22
Charlson Lyes, man meint zu merken, daß sie von einem ganz entsetzlichen Mitteilungsdrang geplagt werden.
Kann das ein?

Charlson Lyes
18.03.2004, 19:24
ich bin ja erst das zweite mal hier, für mich ist das alles eine ganz neue welt.

Charlson Lyes
18.03.2004, 19:29
außerdem möchte ich mir ein bild einbauen und das darf ich jetzt.

Susi Torte
18.03.2004, 19:33
Irgendwie süß diese entwaffnende Ehrlichkeit.

Angelika Maisch
18.03.2004, 19:34
das ist es was ich meine, Charlson.
Kann sein, daß ich etwas altmodisch wirke mit meiner Ansicht, aber wenn ich in einer mir fremden Umgebung erst das zweite mal bin, dann kuck ich mir die erst mal in Ruhe an und entscheide dann, ob ich da etwas beizutragen habe und dann überlege ich mir reiflich, was das sein könnte. Auf jeden Fall würde ich wollen, daß es nicht so wirkt, als ob ich vor lauter Mitteilungsbedürfnis gleich platze.
Aber das ist, wie gesagt, vermutlich Geschmacksache.
Ich dachte nur, ich gebe es mal zu bedenken.

Charlson Lyes
18.03.2004, 19:43
danke gnädige frau,
ich konnte mich schon wieder nicht zurückhalten, schon wieder, nein!
das mich mein mitteilungsbedürfnis plagt stimmt zweifellos, unter anderem, ich trete ab.

Lisa Neun
18.03.2004, 19:58
Also ohne jetzt alles gelesen zu haben, so muss ich doch sagen, auch ich habe diese fürchterliche Eigenschaft erst zu reden und zu tun und dann zu denken. Hat aber nichts mit Modebewusstsein zu tun.

Lisa Neun
18.03.2004, 20:06
Der Akt der Beobachtung beeinflusst das beobachtete Objekt.

ziegenpeter
18.03.2004, 20:11
Es ist eben ein Dilemma. Aber Dank für den Hinweis.