chrislenz
09.10.2003, 00:52
Das WMF ist ein Club in Berlin. Einmal war ich da, und meine Begleitung zupfte mich plötzlich aufgeregt am Ärmel: „Guck mal da!“ Sie ruckte mit dem Kinn in Richtung eines blassen, kleinen Mädchens: Ein typisches Berliner Nachtschattengewächs, eine dieser zarten Flatterfeen, wie sie zu Dutzenden jede Nacht in die Clubs eintrudeln, um an der Bar ihren hochprozentigen Nektar zu saugen und ein bisschen in der Gegend herumzuschauen. Ihre Blicke sind immer sehr flattrig, man könnte denken, wenn sie Augenkontakt mit jemand haben, sterben sie sofort, so vorsichtig sind sie. Aber diese dort, behauptete meine Begleitung steif und fest, sei Kate Moss. Es gab da tatsächlich eine entfernte Ähnlichkeit. Aber mehr nicht. Ich lachte meine Begleitung aus. Kurze Zeit später war das Mädchen an der Bar von einem Kamerateam umringt. Das war also Kate Moss. Aha. Ich bekundete Desinteresse und verdrückte mich. Meine Begleitung blieb zurück, nicht bereit, ihren Abstand zum Supermodel auch nur einen Zentimeter zu vergrößern. Albern. Ich ging in den Hof. Ich musste an Kate Moss denken. Vor dem Bauwagen mit den Frauen-Toiletten war wie immer eine lange Schlange. Ich musste an Kate Moss denken. Ein Bekannter kam auf mich zu, fragte mich, ober ich schon wüsste, dass.... Ich wusste. Ich nahm einen frischen Kaugummi. Ich musste an Kate Moss denken. Es hatte keinen Sinn. Ich musste sie nochmal sehen.
Ich ging wieder hinein, und herum, ich suchte, ich begegnete weiteren Suchenden, schläfrigen Mitte-Heinis wie ich einer war, die eine Spur aufgeregter als sonst durch die düsteren Gänge turnten, der Größenwahn sirrte leise in unseren Hirnen, eine irre Hoffnung, ein Vielleicht, wir rannten durch das WMF, gespannt wie unsere Väter bei der Ziehung der Lotto-Zahlen, in der Hoffnung, ein unmöglicher Zufall würde unserem öden Leben schlagartig ein Ende setzen. Kate war wie vom Erdboden verschluckt. Wir wurden immer nervöser und rannten immer schneller im Kreis. Eine nur mühsam verschleierte Massenhysterie. Es war erbärmlich.
Nach etwa 300 Runden traf ich meine Begleitung wieder. Ihr Gesicht leuchtete. Sie platzte fast. Es musste etwas passiert sein. „Alter das glaubst du mir nicht! Ich war eben draußen auf Klo, aber da war voll die lange Schlange, also hab ich mich hinter den Bauwagen in den Schatten gehockt, und dann steh ich auf, und wer steht da am Ende der Schlange?!“ Eins. Zwei. Drei. „Kate Moss! Sie hat voll die Fresse gezogen, und dann hab ich ihr gesagt, sie soll sich doch einfach auch da in den Schatten hocken, und weißt du was?!“ Eins. Zwei. Drei. „Sie hat’s gemacht! Und ich hab Schmiere gestanden!“ Meine Begleitung lügt nie. Sie hat wenig Fantasie, sie ist heute Markenberaterin in Genf.
Während ich also durch den Club geirrt war auf der Suche nach dem legendären, unsterblichen Supermodel Kate Moss, hatte meine Begleitung sie beim Pipi machen bewacht. Hockend, im Schatten eines Bauwagens im schmuddeligen Hof des WMF. Da soll mal jemand drauf kommen. Ich entspannte mich, das Sirren wurde leiser. „Das Leben kann so gerecht sein“, dachte ich. „Ob sie mit der Concorde kommen oder mit der U-Bahn, müssen müssen sie doch.“ Dann habe ich meiner Begleitung noch erzählt, wie amüsant es für mich gewesen sei, in Ruhe eine Stunde an der Bar zu sitzen und sich die aufgescheuchten Mitte-Heinis anzuschauen, wie sie verzweifelt nach der kleinen Kate suchen.
Ich ging wieder hinein, und herum, ich suchte, ich begegnete weiteren Suchenden, schläfrigen Mitte-Heinis wie ich einer war, die eine Spur aufgeregter als sonst durch die düsteren Gänge turnten, der Größenwahn sirrte leise in unseren Hirnen, eine irre Hoffnung, ein Vielleicht, wir rannten durch das WMF, gespannt wie unsere Väter bei der Ziehung der Lotto-Zahlen, in der Hoffnung, ein unmöglicher Zufall würde unserem öden Leben schlagartig ein Ende setzen. Kate war wie vom Erdboden verschluckt. Wir wurden immer nervöser und rannten immer schneller im Kreis. Eine nur mühsam verschleierte Massenhysterie. Es war erbärmlich.
Nach etwa 300 Runden traf ich meine Begleitung wieder. Ihr Gesicht leuchtete. Sie platzte fast. Es musste etwas passiert sein. „Alter das glaubst du mir nicht! Ich war eben draußen auf Klo, aber da war voll die lange Schlange, also hab ich mich hinter den Bauwagen in den Schatten gehockt, und dann steh ich auf, und wer steht da am Ende der Schlange?!“ Eins. Zwei. Drei. „Kate Moss! Sie hat voll die Fresse gezogen, und dann hab ich ihr gesagt, sie soll sich doch einfach auch da in den Schatten hocken, und weißt du was?!“ Eins. Zwei. Drei. „Sie hat’s gemacht! Und ich hab Schmiere gestanden!“ Meine Begleitung lügt nie. Sie hat wenig Fantasie, sie ist heute Markenberaterin in Genf.
Während ich also durch den Club geirrt war auf der Suche nach dem legendären, unsterblichen Supermodel Kate Moss, hatte meine Begleitung sie beim Pipi machen bewacht. Hockend, im Schatten eines Bauwagens im schmuddeligen Hof des WMF. Da soll mal jemand drauf kommen. Ich entspannte mich, das Sirren wurde leiser. „Das Leben kann so gerecht sein“, dachte ich. „Ob sie mit der Concorde kommen oder mit der U-Bahn, müssen müssen sie doch.“ Dann habe ich meiner Begleitung noch erzählt, wie amüsant es für mich gewesen sei, in Ruhe eine Stunde an der Bar zu sitzen und sich die aufgescheuchten Mitte-Heinis anzuschauen, wie sie verzweifelt nach der kleinen Kate suchen.