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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : bodenstein, christian verschwendet meine jugend



sys
24.09.2003, 16:40
im winter 1995 spielte ich sterntaler nach, doch nicht auf der bühne, sondern davor. der mann, mit dem ich zu diesem zeitpunkt zusammen war, spielte mit seiner limburger band im legendären „dreikönigskeller“, einer übersichtlichen kellerkneipe nahe des mains, die seinerzeit frau maisch letztes jahr als after-fichtekränzi-lokalität zu klein und zu laut war.

das konzert hatte keinen eintritt gekostet und ich ging, die unteren zipfel meines oberteils spannend, spendengelder einsammeln. 120 mark waren zusammengekommen und ich setzte mich an die inzwischen etwas leerer gewordene bar. die musiker hatten sich nach abbau der instrumente verstreut. ich kannte niemanden der gäste, deshalb wartete ich darauf, dass sich jemand aus der band zu mir gesellte.

zu meiner linken sass niemand, rechts neben mir krallte sich ein offensichtlich schon stark angetrunkener mann an sein halbleeres bierglas und rauchte nervös. er hätte gut und gerne einen karabinerhaken gebrauchen können, um nicht vom hocker zu fallen. als ich das erste mal an ihm vorbei zur bühne rübersah, sprach er mich in einem gespielt lockeren ton an: „sag mal, seh ich XY ähnlich?“
mir fiel nichts dümmeres ein, als „wie aus dem gesicht geschnitten, ihr könntet zwillingsbrüder sein.“ zu antworten.
drei dinge waren mir nicht bekannt. zum einen, dass der genannte ein in limburg stadtbekannter neonazi war. zum anderen, wen ich vor mir hatte und drittens, dass das dahingesagte zu einem festen würgegriff an meine kehle zur folge haben würde.

ich liess mein glas los, dass ich gerade zum mund führen wollte. drei sekunden später mischte sich die eingreiftruppe ein, riss ihn weg von mir, es wurde sehr laut, dann totenstill.
„so kenne ich den christian garnicht.“ konnte man aus allen ecken vernehmen. der geräuschpegel blieb für den rest des abends so weit unten, als würde man noch mehr szenarien erwarten.

plötzlich waren sie alle da, ich wurde in eine andere ecke des raumes gebracht und man setzte sich zu mir.
einer von ihnen kannte nicht nur den würgenden, sondern auch den würgegriff.
„das hätte wirklich schief gehen können.“
einem ehemaligen soldaten mit einzelkämpferausbildung im ausland nimmt man das gerne ab und ist umso erleichterter, dass die hand nicht noch weitere drei sekunden am hals geklebt hat.

„wer ist das überhaupt?“
„christian bodenstein. ein musiker, der hat früher deutschen punk gemacht. die radierer könntest du eventuell kennen.“

http://www.sister.de/radierer.jpg

inzwischen ist herr bodenstein (www.die-radierer.de/radierer79.htm) von limburg nach frankfurt gezogen, was er genau macht, ist mir nicht bekannt, jedoch was sein ehemaliger schlagzeuger peter lack tut:

http://www.sister.de/lackenegger.jpg

DREA
30.09.2003, 12:16
Zugegeben, es hat deutlich mehr Maenner gegeben, die mich wuergen wollten als solche, die es mit Ernsthaftigkeit und Nachdruck versucht haben. Echte Wuerger hatte ich im Lauf der Jahre nur drei Mal am Hals und richtig beruehmt geworden ist keiner davon, aber immerhin waren sie zum Zeitpunkt des jeweiligen Wuergens alle davon ueberzeugt, dass ihnen ihre Musik Ruhm, Ehre und jede Menge Geld einbringen wuerde.
Fuer einen (Bass) waere das auch wahr geworden, haette er die Band nicht kurz vor ihrem kommerziellen Durchbruch verlassen. Der verkauft jetzt Versicherungen oder Weihnachtsmarktschlunz oder ist auf Entzug, je nachdem welcher Quelle man glauben will. Nummer zwei (Pianist) ist Arzt geworden und hat, wie man hoert, inzwischen einen undezent weissen Steinway-Fluegel vor der Terassentuer stehen; der pisselige Geisteswissenschaftler (Bass) hat eine C3 Professur und frickelt in seiner Freizeit angeblich kleine Elektro-Symphonien am Computer zusammen.
Ob es den Herren heutzutage gut geht, weiss ich nicht, ist mir auch egal. Ohne die Geschichte von Sys haette ich eh nicht an sie gedacht. Und jetzt lege ich "Life in the Bush of Ghosts" auf und danach Devo, und bei bei "something about the way you taste makes me want to clean my mouth" sing ich dann ganz laut mit.