PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : The Bachmann Conspiracy



maki
18.09.2003, 15:58
Norbert Gstrein liest in einem Raum, der sich nur geringfügig von einer Sauna unterscheidet, man sitzt Haut an Haut auf geschirrtuchbreiten Brettern übereinander. Die Literaturfreundinnen brettunterhalb halten mit ihren Rücken artig 1 cm Abstand zu meinen Beinen, ihre hennaroten Haare an meinen aufmerksam gefalteten Händen. Man ist versucht, ihnen "Einmal waschen und legen, wie immer?" in die nahen Ohren zu raunen.

Aber jetzt liest Gstrein, der Bachmannleser von 1989, er liest gut, aber im Publikum hat Daniel Kehlmann Mühe, wach zu bleiben, sein Kopf macht Kreisbewegungen, seine Augen machen Auf/Ab-Bewegungen, seine enorm konvexe Unterlippe ist zu ermattet zum Bewegen. Eine faszinierende Gymnastik ist das, und hätte ich nur genauer aufgepasst und nicht Gstreins leicht ölige Frisur angestarrt, hätte ich die Geheimzeichen vielleicht entziffert, die Kehlmanns Kopf aussandte, und zwar an Daniela Strigl. Die Bachmannjurorin 2003 hat kein Brett zum Sitzen ergattert, steht am Eingang, die Lider schlaff wie Kehlmanns Lippe, Haare strähnig, eine lustlos ausgemalte Malen-nach-Zahlen-Figur. Dann ist sie plötzlich weg, Gstrein hat gerade mal fünf Minuten gelesen. Offensichtlich hat sie Kehlmanns Code verstanden.

Danach ist Frau T., die alle Gstreinbücher besitzt und uns hier hergeschleppt hat, wie von Sinnen, deliriert über "diese Ausstrahlung, diese Ausstrahlung", und ringt mit innerem Autogrammwunsch. Wir versuchen, ihr Ringen saunaaußerhalb in Bier zu ertränken, da sitzt plötzlich ein Typ neben ihr, der aussieht wie der Typ aus "Delicatessen", clownsartig, aber in gut, sowas gibt es also.
Frau T und der Clown unterhalten sich sehr angeregt, so angeregt, dass die andern bedeutungsvolle Zeichen mit den Augenbrauen austauschen, dann stürmt er weg, er müsse jetzt zu Daniel und Norbert in den "Pudel".
Wer war der denn? fragt dann Frau T. "Das war Radek Knapp, Bachmannleser 1995".
Und wo zum Teufel ist der oder das "Pudel"? Der Wirt weiß es nicht, die Passanten wissen es nicht, Frau T. ist außer Rand und Band, Gstrein so nahe und doch unerreichbar, und wir irren noch pudelsuchend durch die Gassen, ohne Erfolg, denn es gibt keinen Pudel in Wien, wir sind ja nicht Hamburg, aber wo zum Teufel steckt die Bachmannbagage und was heckt sie aus?

Noch mysteriöser: Googelt man "Wien + Pudel + Lokal", steht an fünfter Stelle dies (http://bachmannpreis.orf.at/bp_2000/autoren/alfare_text.htm).

Jeremy
18.09.2003, 16:47
Es gab mal eine Golden-Pudel-Club Tour.
In Wien war sie im B72, Hernalser Gürtel / Bogen72.

l_tu
18.09.2003, 17:10
...

naupengheur
18.09.2003, 18:50
pudel ist ein Mafiaboss. Das wissen nur ein paar Wiener.

naupengheur
18.09.2003, 19:03
Ich bin mir nicht sicher, ob die Alte Schmiede so eine gute Idee hier ist. Es fehlt bissi der Sex-Appeal, obwohl mit den Saunablicken natürlich viel passiert. Aber da wachsen wie übelartige Schwammerln die Geschichten. "Wie Wendelin Schmidt-Dengler neben mir eingeschlafen ist." "Wie Elfriede Gerstl stehend bei der Tür eingeschlafen ist" "Wie Gerhard Fritzsch neben Kurt Neumann eingeschlafen ist" "Wie Herbert J. Wimmer mir in der Ubahn wegen meines Huts seine Visitenkarte in die Hand gedrückt hat und anschließend in der A. S. aufgetaucht ist" "Wie Bodo Hell mich gedemütigt hat" "Wie peinlich Daniel Kehlmann aussieht auch wenn er wach ist und von seiner Großmutter redet" Und das interessiert wirklich nur ein paar Wiener wenn überhaupt.

Yvonne Caldenberg
18.09.2003, 23:46
Mir gefällt heute oder fast immer besonders, dass ich keine der erwähnten Personen nicht einmal vom Hörensagen kenne und auch von "Delikatessen" und "Bachmannwettbewerb" bislang nur am Rande als Gerücht hörte, ein Gerücht mit Geruch dessen Ekelausstrahlung meine geistige Nase immer davor warnte näher anzudrängen.

Das ist aber alles gleichgültig. Oder das ist alles besonders wichtig, denn ganz unbeleckt, bilde ich mir ein, liest sich diese geschichte eben erst gut. Science Fiction, unverständliche Regeln die so sind wie sie sind, Ereignisse die sich als Ereignisse ereignen. Alles ohne Sinn aber mit dem starken Eindruck: Wow! so muss es gewesen sein, was für eine purzelbaumschlagende strange Welt, erzähl mir mehr davon.

Angelika Maisch
18.09.2003, 23:58
ist eben ein Maki.

Yvonne Caldenberg
19.09.2003, 00:06
Danke!
Wo ich viele Worte brauchte sagt Angelika es als haiku.
Danke!

naupengheur
19.09.2003, 10:33
geschwätziger? empfindsamer? ich arbeite noch am Haiku

Wie schön sie ist! Wie unter wirr, wie fallend
um ihren eingeschloßnen Hals die glatten Haare.
„Sehen geht vielleicht allein durch große Ferne.“
Ich sehe dich und schoene bist du fern.

Zur Seite ihrem glatten Schwarz bewacht er,
der Schattenkranichleu, die schönen Knie,
die weich geschürzten Lippen und die Augen,
die mondig in den Höhlen nach ihm schauen.

Sein Kranichhaar hält es nicht aus.
Er stochert hin in seiner Schrift und ihrer
mit den Augen, über ihren Rock, hinüber
erreicht sein Blick nur kurz. Er flößt die Tasche voll

und zittert noch, und geht. Bleibt blaß die Schöne
und grau, und klappt das Buch zu und
zieht ihren blauen Wollflaum über ihren Rumpf
und geht.
Ich bleibe nun allein zurück,

das Ding erkaltet. Und mein grüner Blei
entfällt mir aus den Fingern: klein und hell
klingt es in der Stille auf dem Boden,
und Neumann lächelt, flieht das Glas hinauf. Ich gehe.

naupengheur
19.09.2003, 12:03
Wer war hier in schwarz?
Drei Gläser, vier Autoren,
tiefe Beistriche.

naupengheur
19.09.2003, 12:04
One too many words.
Ist er jetzt doch gekommen?
Don’t look. Hör erst zu.

henriette mayr
25.09.2003, 01:02
http://www.derpudel.at/ ?

poldi
21.11.2003, 23:07
Pfudl Bäckerstraße 22, 512 67 05, Montag bis Samstag 9 bis 2, warme Küche 10 bis 23.30, Sonntag 9 bis 15, warme Küche 10 bis 15; deftige Hausmannskost (HS 75,- bis 245,-); die innerstädtische Beisl-Ikone wurde im September 94 von Ingrid Horejsi, der Betreiberin diverser Theater-Buffets übernommen, daß sich deshalb aber nichts an der Authentizität geändert hat, wird von Besitzerseite oft beteuert. Tatsächlich wurde die Karte ein klein wenig indifferenter, das Lokal neu ausgestrichen und die Preise massiv angehoben; Kinderspeisen; Schanigarten für 60 Personen.

Wien, wie es ißt... /99 (Falter-Verlag), Seite 108.