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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Roger Penrose (malt in mein Leben)



Aleks
25.08.2003, 21:35
Ein kleiner Engländer befindet sich in einem deutschen Bierkeller, wo Astronomen auf Bierbänken sitzen und mit alten Strickjacken bekleidet sind, die bis in die Kniekehlen hängen. Ständig wird ihm die Hand geschüttelt, obwohl ihm das peinlich ist. Immer wieder schütteln sie ihm die Hand, die Astronomen, vor allem der mit dem breitem Gesicht. Der schüttelt und murmelt immer wieder mit bayrischem Akzent "It's apleasure, Sir Penrose", "It's so nice to meet you, Sir Penrose", "What a great honour, Sir Penrose". Dann verzieht Sir Penrose immer wieder sein feingeschnittenes Gesicht zu einem schüchternem Lächeln. Unbeholfen steht er inmitten der raunenden Kollegen aus Germany, die mit riesigen Bierhumpen den 50sten Planeten feiern.

Roger Penrose ist nicht von dieser Welt. Er ist ein Magier, der mit leiser Stimme eine Fachsprache beherrscht, in der Wörter nur selten vorkommen. Benutzt er dennoch mal welche, dann klingt es wie eine Meditation in fremdem Singsang, beruhigend, aber völlig unverständlich. Früher, als ich so wie er sein wollte, stellte ich mir das Universum als riesige Gewitterblase in einem unendlichen Wasserstoffnebel vor. Ab und an tauchte der Kopf des Magiers vor flimmerndem Sternenhimmel auf, warf ernste Blicke in den Kosmos und sagte Unfaßbares. Ein anderer Guru ist Stephen Hawking, und den Disput zwischen Penrose und Hawking, abgedruckt in "Spektrum der Wissenschaften", las ich immer und immer wieder, obwohl ich eigentlich Vorfahrtsregeln lernen sollte. Weltfremd lag ich in einer Jugendherberge im Hunsrück, war benommen vom verborgenen Sinn ihrer Worte, während im Nebenraum Frauenfilme liefen. Das war alles sehr aufregend.

Später hingegen wirkte Kosmologie eher besänftigend auf mich. Ein großer alter Mann ohne Frisur sprach von der Allgemeinen Relativitätstheorie. Weyl-Tensor und Friedmann-Metrik quollen aus seinem Mund und umhüllten mich wie ein mongolisches Schlaflied. Inzwischen hatten Penrose und Hawking Bücher geschrieben, doch im Gegensatz zu Hawking sah Penrose zu normal aus, um als Druide populär zu werden. Er schien wirklich ein Mensch zu sein, er konnte laufen, essen, bewegte sich normal und brauchte keine Computerstimme, um Vorträge zu halten. Seine Bücher aber könnten die Fibel einer Weltrevolution werden, wenn sie nicht so phänomenal undurchsichtig wären. Es geht um Intelligenz, Geist, Kosmos, Leben, in dämonenhafter Hermetik und rundherum glücklichmachend. Wohlige Schauer der Welterkenntnis liefen mir über den Rücken, als ich eine Passage aus "Computerdenken" in meinem allerersten Liebesbrief zitierte, dessen Anlaß und Ergebnis allerdings weniger wohlig waren. Die Passage steht auf derselben Seite wie Gödels Satz, von dem mir nur in Erinnerung geblieben ist, daß er die prinzipielle Fehlerbehaftung jedes mathematischen Beweises beweist. Ich verharrte in Verwirrung drei Sphären diesseits dieser Magie.

Aber jetzt steht er plötzlich neben mir. Es ist meine allererste Tagung, und als das Händeschütteln zu Ende war, beginnt Sir Penrose mit der Entfaltung seines Großhirns. Zwei Overheadprojektoren, ein Satz bunter Stifte und der Magier bilden ein zuckendes Mobile, das die Wand bemalt. Als es vorbei war, setzt barocke Streichmusik ein: Sir Penrose hatte die Welt mit einer Kinderzeichnung erklärt.

Yvonne Caldenberg
26.08.2003, 01:07
Ich weiß nicht, wer Penrose ist und das verklärte Ende der Geschichte gefiel mir nicht, vor allem die Kinderzeichnung nicht.

Aber der Anfang! Astronomen die auf deutschen Bierkellerbänken sitzen, so weit weg von den Sternen, das verstehe ich, das ist gut.