Yvonne Caldenberg
13.08.2003, 13:42
Den letzten Sonntag in Berlin kann man sich ungefähr so vorstellen: Das Wetter war so wie heute, allerdings war Sonntag und deshalb mehr Menschen in Straßen und Parks, weniger Autos auf den Straßen (Autos sind Hunde mit Wochenverdauung, am Wochende müssen sie wenigstens einmal ausgeführt werden, aus der Stadt heraus ins Grüne. Ausnahmen gibt es: Manche Autos sind wie Kätzchen, das Autoklo heißt Waschanlage). Aber von dieser Abschweifung abgesehen war der letzte Sonntag wie heute, nur dass ich letzten Sonntag keine Mittagspause hatte und auch nicht vor dem Computer saß. Aber diese Details kann man sich in der Vorstellungskraft leicht aus dem Gesamtbild herausrechnen und dann stimmt das Bild des Vergleichs ziemlich genau.
Soviel zur Atmosphäre und zum Background des Ganzen. Ich möchte, dass man sich vorstellen kann, was ich erzähle. Es ergibt wenig Sinn über die Verständlichkeit hinwegzuschreiten und da ich Sinn mag, lasse ich das bleiben. Also. Ich hatte am Sonntag gefrühstückt, etwas später als heute. Danach ging ich aus dem Haus, es war elf oder elf Uhr dreißig. Ich lief vielleicht eine halbe Stunde in eine unüberlegte Richtung und sah keinen einzigen Hund. Dann war mir heiß, ich sah Schweißflecke an mir und ich setze mich in ein Café, innen, in den Schatten, innen war Platz, und bestellte ein Wasser und einen Gin Tonic und las in Morris' "News from Nowhere". Ein italienisch aussehender Mann kam an meinen Tisch und fragte, ob ich einen Milchkaffee von ihm möchte. Ich sagte, dafür wäre es zu heiß, aber Wasser und Gin Tonic gerne. Er holte das und sich ein Bier und setzte sich zu mir.
Er hieß Marco und wollte mit mir zu Goran Bregovic. Ich wusste nicht, wer das ist, und er gab mir einen Flyer und erklärte das sei Poesie vom Balkan und er gehöre zum Management und könne umsonst Karten besorgen für Dienstag in einer Woche auf der Museumsinsel, Open Air. Er schrieb mir seine Telefonnummer auf den Flyer und ich schrieb meine auf seine Camel-Schachtel. Dann unterhielten wir uns noch über das Wetter, Badeseen, den neuen Terminator-Film und ich ging ohne zu zahlen. Er meinte, das Café gehöre einem Onkel und das sei in Ordnung.
Dann ging ich zur Bushaltestelle und stieg nach zehn Minuten in den nächsten Bus, eine Linie, die ich nicht kannte. Nach einer halben Stunden stieg ich Nähe Innsbrucker Platz aus, freute mich, dass ich die Gegend nicht kannte und lief langsam in Richtung Rathaus Schöneberg. Mein Handy klingelte, es war Marco, der nur noch einmal erklären wollte, dass er mich sehr gerne bei dem Konzert wiedersehen würde, es ginge aber auch anderweitig, im Open Air-Kino, Badesee oder zum Frühstück. Ich hatte nichts einzuwenden und sagte einige freundliche OK-Sachen. Dabei stolperte ich und fiel hin. - Nein danke, alles in Ordnung, fast nichts passiert, nur eine leicht blutende Schramme am linken Unterarm, ein roter Fleck am rechten Knie (inzwischen blau-grün) und das Handy war in Stücken. Ich schaute mir das im sitzen genau an, niemand war in der Nähe, kein Hund. Ich war über eine Topfpflanze gestolpert, die Mitten auf dem Gehweg stand, eine Art Palme oder Papyrus, grün, groß und gesund, in einem Terracottatopf der Jagdszene zeigte, vielleicht Antik oder indisch oder etruskisch oder irgendwie dazwischen nachgemacht, das wahrscheinlich.
Ich stand auf und ging einmal rund um die Pflanze. Dann bückte mich und hob den Topf an - es war gerade so möglich. Ich packte die Handy-Stücken ein, schob den Topf zum Straßenrand, nach fünf Minuten kam eine Taxi und die Pflanze und ich stiegen ein. Gegen ein nettes Trinkgeld hiefte der Chauffeur die Planze in meine Küche, wo sie nun neben dem Fenster auf einem ansonsten nutzlos gewesenen Barhocker steht. Den Barhocker hatte ich vor zwei Jahren, ich muss betrunken gewesen sein, vor einer Kneipe gestohlen und nach Hause getragen. Ich war mit jemandem zusammen und nicht glücklich. Gestolpert bin ich damals nicht. Seither stand den Barhocker sinnlos in der Küche und staubte ein. Ich gieße, die Pflanze täglich, sie heißt jetzt Goran. Marco rief ich an und erklärte alles, beziehungsweise nicht alles, das hätte sich seltsam angehört. Ich sagte, ich wäre über einen Hund gestolpert, das Handy sei kaputt aber sonst alles OK. Ih gab ihm meine andere Nummer und vielleicht gehen wir zu dem Konzert oder baden.
Im Terracottatopf habe ich eine alte Postkarte gefunden mit einer Briefmarke von Hitler, einem Bild von Bad Reichenhall und Sütterlinschrift. Die Schrift ist verwaschen, ich kann sie kaum lesen. Es fängt an mit "Lieber Hans, ich bin..." und endet mit "im Herbst und bei bester Gesundheit sehen wir uns wieder. Ich freue mich auf den Tiergarten. Deine Dich liebende Martha."
Soviel zur Atmosphäre und zum Background des Ganzen. Ich möchte, dass man sich vorstellen kann, was ich erzähle. Es ergibt wenig Sinn über die Verständlichkeit hinwegzuschreiten und da ich Sinn mag, lasse ich das bleiben. Also. Ich hatte am Sonntag gefrühstückt, etwas später als heute. Danach ging ich aus dem Haus, es war elf oder elf Uhr dreißig. Ich lief vielleicht eine halbe Stunde in eine unüberlegte Richtung und sah keinen einzigen Hund. Dann war mir heiß, ich sah Schweißflecke an mir und ich setze mich in ein Café, innen, in den Schatten, innen war Platz, und bestellte ein Wasser und einen Gin Tonic und las in Morris' "News from Nowhere". Ein italienisch aussehender Mann kam an meinen Tisch und fragte, ob ich einen Milchkaffee von ihm möchte. Ich sagte, dafür wäre es zu heiß, aber Wasser und Gin Tonic gerne. Er holte das und sich ein Bier und setzte sich zu mir.
Er hieß Marco und wollte mit mir zu Goran Bregovic. Ich wusste nicht, wer das ist, und er gab mir einen Flyer und erklärte das sei Poesie vom Balkan und er gehöre zum Management und könne umsonst Karten besorgen für Dienstag in einer Woche auf der Museumsinsel, Open Air. Er schrieb mir seine Telefonnummer auf den Flyer und ich schrieb meine auf seine Camel-Schachtel. Dann unterhielten wir uns noch über das Wetter, Badeseen, den neuen Terminator-Film und ich ging ohne zu zahlen. Er meinte, das Café gehöre einem Onkel und das sei in Ordnung.
Dann ging ich zur Bushaltestelle und stieg nach zehn Minuten in den nächsten Bus, eine Linie, die ich nicht kannte. Nach einer halben Stunden stieg ich Nähe Innsbrucker Platz aus, freute mich, dass ich die Gegend nicht kannte und lief langsam in Richtung Rathaus Schöneberg. Mein Handy klingelte, es war Marco, der nur noch einmal erklären wollte, dass er mich sehr gerne bei dem Konzert wiedersehen würde, es ginge aber auch anderweitig, im Open Air-Kino, Badesee oder zum Frühstück. Ich hatte nichts einzuwenden und sagte einige freundliche OK-Sachen. Dabei stolperte ich und fiel hin. - Nein danke, alles in Ordnung, fast nichts passiert, nur eine leicht blutende Schramme am linken Unterarm, ein roter Fleck am rechten Knie (inzwischen blau-grün) und das Handy war in Stücken. Ich schaute mir das im sitzen genau an, niemand war in der Nähe, kein Hund. Ich war über eine Topfpflanze gestolpert, die Mitten auf dem Gehweg stand, eine Art Palme oder Papyrus, grün, groß und gesund, in einem Terracottatopf der Jagdszene zeigte, vielleicht Antik oder indisch oder etruskisch oder irgendwie dazwischen nachgemacht, das wahrscheinlich.
Ich stand auf und ging einmal rund um die Pflanze. Dann bückte mich und hob den Topf an - es war gerade so möglich. Ich packte die Handy-Stücken ein, schob den Topf zum Straßenrand, nach fünf Minuten kam eine Taxi und die Pflanze und ich stiegen ein. Gegen ein nettes Trinkgeld hiefte der Chauffeur die Planze in meine Küche, wo sie nun neben dem Fenster auf einem ansonsten nutzlos gewesenen Barhocker steht. Den Barhocker hatte ich vor zwei Jahren, ich muss betrunken gewesen sein, vor einer Kneipe gestohlen und nach Hause getragen. Ich war mit jemandem zusammen und nicht glücklich. Gestolpert bin ich damals nicht. Seither stand den Barhocker sinnlos in der Küche und staubte ein. Ich gieße, die Pflanze täglich, sie heißt jetzt Goran. Marco rief ich an und erklärte alles, beziehungsweise nicht alles, das hätte sich seltsam angehört. Ich sagte, ich wäre über einen Hund gestolpert, das Handy sei kaputt aber sonst alles OK. Ih gab ihm meine andere Nummer und vielleicht gehen wir zu dem Konzert oder baden.
Im Terracottatopf habe ich eine alte Postkarte gefunden mit einer Briefmarke von Hitler, einem Bild von Bad Reichenhall und Sütterlinschrift. Die Schrift ist verwaschen, ich kann sie kaum lesen. Es fängt an mit "Lieber Hans, ich bin..." und endet mit "im Herbst und bei bester Gesundheit sehen wir uns wieder. Ich freue mich auf den Tiergarten. Deine Dich liebende Martha."