Hohlblockstein
10.07.2003, 01:10
Ich verstehe die Leute nicht, die mit 50 Jahren bei Ö3 anrufen, ein Auto einsacken und dann on air jubeln: "Super, ich hab ja in meinem Leben noch nie etwas gewonnen!" Man braucht kein fixierter Spinner sein, der im Schreibtischkalender nachschaut, welche zehn auffälligen Ansichtskarten er morgen wieder kurz vor Einsendeschluss in den Postkasten hauen muss, um regelmäßig bei Preisausschreiben zu gewinnen. Für mich, der seit seiner Kindheit ständig an Gewinnspielen teilnimmt, ist es zur angenehmen Gewohnheit geworden, alle paar Wochen einen Brief oder ein E-Mail zu bekommen, in dem mir herzlich zu meinem Preis gratuliert wird. Diesmal war es halt nicht nur eine CD oder Frisbeescheibe oder - das bislang höchste der Gefühle - ein Wertkartenhandy, sondern ein Wochenendtrip nach New York inklusive Konzertbesuch einer zu hypenden Gitarrenband, gesponsert von einer Plattenfirma.
Und so war der Moment der Enthüllung: Ich fuhr gerade wieder im Zug von einem quälenden Wochenende von meinem Elternhaus inklusive Matura-Jubiläums-Treffen nach Wien zurück und dachte darüber nach, warum ich nicht lächeln konnte. Warum es quälend war? Es hat etwas mit Sprachlosigkeit, Unzufriedenheit, ungünstigem Sozialklima, Bier und "Gimme some truth" zu tun. Warum ich nicht lächeln kann? Siehe letzte Antwort. Da läutete mein Handy, es war ein junger Mann mit angenehmer, auf Weltgewandtheit hindeutender Stimme, der bei der Plattenfirma irgendwas mit Promotion für internationale "Künstler" (Record-Label-Jargon) zu tun hat. Er fragte mich, ob ich mitfliegen wollte. Ja, wollte ich. Gleich, nachdem ich aufgelegt hatte, hatte ich Schuldgefühle, mich nicht enthusiastisch genug gefreut zu haben. So bin ich. Später, kurz vor Wels wohl, habe ich dann auch doch noch gelächelt, nämlich als ich die bislang getrennten Vorstellungen von mir und New York zu einer vereinen konnte.
Im Madison Square Garden kam es dann wenige Tage später zu der Situation, die alleine schon den Flug nach New York wert gewesen wäre (Die Lehren von "Dead Poets' Society" und der Spaß von "The Emperor's New Groove" auf dem Monitor in der Rückenlehne vor mir waren auch nicht schlecht). Die Situation, in der ich mich, was so verdammt selten geschieht, nicht in der Rolle des passiven, immer leicht gelangweilten und frustrierten Beobachters befand, sondern in der eines jungen Mannes, der etwas Außergewöhnliches, etwas Aufregendes und Stolzes tut. Als wir nämlich, wenige Stunden nach der Landung am JFK-Airport, nach dem Abendessen mit einer New Yorker Plattenfirmenabgesandten (wobei auch ein kalifornischer Sunnyboy im stylishen Feinrippunterhemd zugegen war, der einer anderen zu hypenden Band entstammte) zur Konzerthalle gingen und gerade den letzten Gehsteig auf dem Weg dorthin überquerten, hielt an der Straßenecke ein Taxi, dem zwei blonde Mädchen entstiegen. Und eine von ihnen, die mit der schwarzen Kappe und den etwas zu schlanken Beinen unter dem Midirock, war Kirsten Dunst, jene Kirsten Dunst, die mich auf dem Desktop meines alten PCs in einem grünen Kleid in der Wiese liegend immer so bezaubernd anlächelte, dass ich bei jedem Windowsstart unweigerlich zurücklächeln musste, und jene Kirsten Dunst, die auf dem Desktop meines neuen PCs nur rote Stiefel, einen weißen Hotpants-Slip und eine Jeansjacke trägt und die auf dem Foto zwar nicht lächelt, aber dafür recht sexy ihre Oberschenkel und ihre halb entblößte rechte Brust ansehen lässt. Man kann sagen, dass ich ihre Karriere seit längerem verfolge, man kann auch einfach sagen, dass ich ein Fan von ihr bin.
Ich wies die anderen aus meiner Gruppe auf meine Entdeckung hin, wobei ich sie kurz aus den Augen verlor. Glücklicherweise kam es so, dass Kirsten und ihre Busenfreundin in der Schlange beim Einlass direkt vor uns standen. Ich rückte noch ein Stückchen auf und beäugte sie unauffällig von der Seite, um die ohnehin nur in den Räumen des unberechtigten Zweifels angesiedelte Wahrscheinlichkeit, dass ich ein ordinary New York Girl mit ihr verwechselt hatte, auszuräumen. Und ich räumte aus und sagte jetzt den anderen zum inzwischen vierten Mal, dass ich sie jetzt eigentlich doch ansprechen sollte und war auch gerade dabei, damit anzufangen, meine Sozialkräfte darauf zu konzentrieren, sie belästigungsfrei an die Schulter zu tupfen und dann etwas zu sagen wie "Excuse me, but you are Kirsten Dunst, aren't you?", da drehte sie sich plötzlich zu mir um und stand so frontal vor mir, wie es vielleicht nur Kalifornierinnen können und fragte mit offensiver Freundlichkeit etwas wie "So, what's the matter behind here?" (Wie ich später erfahren habe, versteht sie anscheinend durch ihren deutschen Vater unsere Sprache einigermaßen und hatte so mitbekommen, dass sich hinter ihr jemandes Gedanken ausschließlich um sie drehten.)
Und ja, sie war es wirklich, das hatte ich ohnehin schon zweifelsfrei gewusst, als ich sie aus dem Cab aussteigen sah, Schande auf die Räume des Zweifels von vorhin! Sie war es mit der blassen Haut und den hohen Wangenknochen und den schmalen blauen Augen und den kurzen Zähnen, die ich von meinem alten Desktop ebenso gut kannte wie meine eigenen. Und so gab ich also, während mein Körper Adrenalin ausschied, bekannt, was wir beide ohnehin schon lange wussten: "You are Kirsten Dunst!", um eine Information nachzuschieben, die ihr noch nicht bekannt war: "You are on the desktop of my computer!" Darüber kicherten sie und ihre Freundin herzhaft. Und ich, der es gewohnt ist, vor dem Reden nachzudenken, und allzu oft nicht einmal darüber, was ich sagen soll oder ob ich etwas sagen soll, sondern darüber, warum ich nichts zu sagen habe, redete jetzt ohne nachzudenken in ihr Gesicht hinein, in diese Augen, die mich ansahen, auf diese kurzen Zähne zu, die genauso aussahen wie die, die 6000 km entfernt auf meiner vom Stromnetz getrennten alten Festplatte von lächelnden Lippen freigelegt waren. Ich jetzt also, Kontrollinstanz ausgeschaltet, sagte noch: "I am from Austria, I'm ...", und als ich ihr sagen wollte, dass das mein erster Tag in Amerika war und das alles sehr außergewöhnlich war, kam von hinter uns, von meiner Gruppe, die ja, das hatte ich in dem Gefühlschaos vergessen, auch noch da war, der Vorschlag auf deutsch, uns beide zu fotografieren. Ich übersetzte das: "Could we maybe take a photograph?", und sie strahlte "Sure!", genauso, wie sie es zu Peter Parker in "Spider-Man" sagt, als der sie fragt, ob er sie im Gen-Labor fotografieren darf. Und während ich noch überlegte, ob und wie ich sie berühren durfte, hatte sie schon meine Schulter umfasst, und ich tat also dasselbe mit ihrer. I touched K.I.R.S.T.E.N. D.U.N.S.T.! Und ich versuchte, mein kontrolliertes, voreingenommenes Lächeln zu lächeln (ich wollte auf einem Bild mit Kirsten Dunst nicht grinsen like a moron, im Endeffekt grinse ich aber, als wollte ich der Grinsekatze Konkurrenz machen). Ein Blitzlichtgewitter aus zwei Kleinbildkameras prasselte über unsere Gesichter. Dann sagte ich wahrscheinlich noch "Thanks" und "Bye" zu ihr, ich kann mich nicht erinnern. Das nächste was ich weiß ist, dass ich einen Begleiter darauf hinwies, wie meine Knie zitterten. Bis ich auf meinem Platz ganz vorne auf der Tribüne war, ließ ich mir die Bemerkungen der anderen darüber gefallen, dass ich einen Mega-Smile spazierentrug. Auf der Tribüne mit Profilblick auf die Bühne bereute ich es, ihr kein Busserl auf die Wange gedrückt zu haben. Na ja, ich wollte nicht aufdringlich oder unverschämt erscheinen. Trotzdem, vielleicht hätte ich die Situation ausnutzen sollen. Aber wohin führt das? Schließlich hat Kirsten auch primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale, diese hätte ich wohl auch in der Gunst des Augenblicks heimsuchen sollen?
Das Ganze war so überraschend und so jenseits meines Horizontes, etwa so wie am Montag zuvor, als mir bewusst wurde, dass ich in vier Tagen nach New York fliegen würde, nur noch viel unwahrscheinlicher. Damit, dass man eines Tages nach New York kommen wird, rechnet wohl jedes First-World-Twentysomething, aber dass man dann in New York aus dem blauen Himmel heraus die Hollywood-Beauty trifft, für die man schon lange die romantischste Schwärmerei pflegt, und dass die einen dann noch in ihrer besten Laune anspricht, damit füllt das Unterbewusstsein die Träume to make a young boy sigh.
Tags darauf erfuhr ich vom Musikredakteur eines österreichischen Magazins, der beim Konzert backstage war, dass Kirsten Dunst seit kurzem mit dem Sänger der Band, die hier die Vorgruppe geben durfte, liiert ist, dass sie bei der After-Show-Party dabei war und dem Sänger danach in die Dusche gefolgt ist. (Okay, sie betrügt mich, ich wusste es. Aber ich werde um sie kämpfen.)
Teil des Gewinns war auch ein Frühstück mit der aufstrebenden Band. Es wurde natürlich ein Mittagessen daraus, wir sind hier schließlich im Rock-'n'-Roll-Business und Frühaufstehen ist nicht, wenn man schon mal im Madison Square Garden spielen darf. In einem asiatischen Restaurant in der Nähe des Hotels der "Künstler" (Letzteres war in der 21. Straße) aßen also zu Mittag: die verkaterten fünf der hoffnungsvollen Jungband, drei lucky, aber nicht unbedingt happy winners (um den Begriff "glückliche Gewinner" zu differenzieren), ein Crewmitglied, ein Plattenfirmenmensch, ein Medienmensch, eine Busenfreundin und zwei lieblich hübsche, benennen wir sie mit der Derbheit der Abgebrühten, Rock-Chicks. Und Kirsten war dabei, fünf Plätze links von mir, neben ihrem Lover, neben ihrer Busenfreundin. Ich vermied es, sie anzuschauen. Am Ende des Lunchs wollte der Medienmensch noch ein Foto mit Kirsten und mir. Ich wollte mich nicht aufdrängen und war skeptisch (nicht zuletzt um der Schmach zu entgehen, falls sie mich nicht wiedererkennen würde), aber sie war einverstanden, und als wir zum zweiten Mal für ein Foto posierten, diesmal ohne Berührung meinerseits, und ich ihr ins Gedächtnis rufen wollte, dass wir "already met yesterday at the Madison Square Garden", fiel sie mir ins Wort, dass "we met last night". Ja, sie erinnerte sich an mich! Und natürlich, es hieß "last night" und nicht "yesterday"! Und ja, ich schaute beim Klicken der Kamera nicht blöd ins Objektiv, sondern redete mit ihr! So soll es doch sein; soll mir keiner sagen, dass Kamera Priorität vor Kirsten hat! Und soll mir keiner sagen, dass Kirsten on screen ein fades Brot ist. Ist zwar wohl zulässig, aber nicht bei mir, denn love conquers all, auch verbessernswerte Bildschirmpräsenz.
Und so war der Moment der Enthüllung: Ich fuhr gerade wieder im Zug von einem quälenden Wochenende von meinem Elternhaus inklusive Matura-Jubiläums-Treffen nach Wien zurück und dachte darüber nach, warum ich nicht lächeln konnte. Warum es quälend war? Es hat etwas mit Sprachlosigkeit, Unzufriedenheit, ungünstigem Sozialklima, Bier und "Gimme some truth" zu tun. Warum ich nicht lächeln kann? Siehe letzte Antwort. Da läutete mein Handy, es war ein junger Mann mit angenehmer, auf Weltgewandtheit hindeutender Stimme, der bei der Plattenfirma irgendwas mit Promotion für internationale "Künstler" (Record-Label-Jargon) zu tun hat. Er fragte mich, ob ich mitfliegen wollte. Ja, wollte ich. Gleich, nachdem ich aufgelegt hatte, hatte ich Schuldgefühle, mich nicht enthusiastisch genug gefreut zu haben. So bin ich. Später, kurz vor Wels wohl, habe ich dann auch doch noch gelächelt, nämlich als ich die bislang getrennten Vorstellungen von mir und New York zu einer vereinen konnte.
Im Madison Square Garden kam es dann wenige Tage später zu der Situation, die alleine schon den Flug nach New York wert gewesen wäre (Die Lehren von "Dead Poets' Society" und der Spaß von "The Emperor's New Groove" auf dem Monitor in der Rückenlehne vor mir waren auch nicht schlecht). Die Situation, in der ich mich, was so verdammt selten geschieht, nicht in der Rolle des passiven, immer leicht gelangweilten und frustrierten Beobachters befand, sondern in der eines jungen Mannes, der etwas Außergewöhnliches, etwas Aufregendes und Stolzes tut. Als wir nämlich, wenige Stunden nach der Landung am JFK-Airport, nach dem Abendessen mit einer New Yorker Plattenfirmenabgesandten (wobei auch ein kalifornischer Sunnyboy im stylishen Feinrippunterhemd zugegen war, der einer anderen zu hypenden Band entstammte) zur Konzerthalle gingen und gerade den letzten Gehsteig auf dem Weg dorthin überquerten, hielt an der Straßenecke ein Taxi, dem zwei blonde Mädchen entstiegen. Und eine von ihnen, die mit der schwarzen Kappe und den etwas zu schlanken Beinen unter dem Midirock, war Kirsten Dunst, jene Kirsten Dunst, die mich auf dem Desktop meines alten PCs in einem grünen Kleid in der Wiese liegend immer so bezaubernd anlächelte, dass ich bei jedem Windowsstart unweigerlich zurücklächeln musste, und jene Kirsten Dunst, die auf dem Desktop meines neuen PCs nur rote Stiefel, einen weißen Hotpants-Slip und eine Jeansjacke trägt und die auf dem Foto zwar nicht lächelt, aber dafür recht sexy ihre Oberschenkel und ihre halb entblößte rechte Brust ansehen lässt. Man kann sagen, dass ich ihre Karriere seit längerem verfolge, man kann auch einfach sagen, dass ich ein Fan von ihr bin.
Ich wies die anderen aus meiner Gruppe auf meine Entdeckung hin, wobei ich sie kurz aus den Augen verlor. Glücklicherweise kam es so, dass Kirsten und ihre Busenfreundin in der Schlange beim Einlass direkt vor uns standen. Ich rückte noch ein Stückchen auf und beäugte sie unauffällig von der Seite, um die ohnehin nur in den Räumen des unberechtigten Zweifels angesiedelte Wahrscheinlichkeit, dass ich ein ordinary New York Girl mit ihr verwechselt hatte, auszuräumen. Und ich räumte aus und sagte jetzt den anderen zum inzwischen vierten Mal, dass ich sie jetzt eigentlich doch ansprechen sollte und war auch gerade dabei, damit anzufangen, meine Sozialkräfte darauf zu konzentrieren, sie belästigungsfrei an die Schulter zu tupfen und dann etwas zu sagen wie "Excuse me, but you are Kirsten Dunst, aren't you?", da drehte sie sich plötzlich zu mir um und stand so frontal vor mir, wie es vielleicht nur Kalifornierinnen können und fragte mit offensiver Freundlichkeit etwas wie "So, what's the matter behind here?" (Wie ich später erfahren habe, versteht sie anscheinend durch ihren deutschen Vater unsere Sprache einigermaßen und hatte so mitbekommen, dass sich hinter ihr jemandes Gedanken ausschließlich um sie drehten.)
Und ja, sie war es wirklich, das hatte ich ohnehin schon zweifelsfrei gewusst, als ich sie aus dem Cab aussteigen sah, Schande auf die Räume des Zweifels von vorhin! Sie war es mit der blassen Haut und den hohen Wangenknochen und den schmalen blauen Augen und den kurzen Zähnen, die ich von meinem alten Desktop ebenso gut kannte wie meine eigenen. Und so gab ich also, während mein Körper Adrenalin ausschied, bekannt, was wir beide ohnehin schon lange wussten: "You are Kirsten Dunst!", um eine Information nachzuschieben, die ihr noch nicht bekannt war: "You are on the desktop of my computer!" Darüber kicherten sie und ihre Freundin herzhaft. Und ich, der es gewohnt ist, vor dem Reden nachzudenken, und allzu oft nicht einmal darüber, was ich sagen soll oder ob ich etwas sagen soll, sondern darüber, warum ich nichts zu sagen habe, redete jetzt ohne nachzudenken in ihr Gesicht hinein, in diese Augen, die mich ansahen, auf diese kurzen Zähne zu, die genauso aussahen wie die, die 6000 km entfernt auf meiner vom Stromnetz getrennten alten Festplatte von lächelnden Lippen freigelegt waren. Ich jetzt also, Kontrollinstanz ausgeschaltet, sagte noch: "I am from Austria, I'm ...", und als ich ihr sagen wollte, dass das mein erster Tag in Amerika war und das alles sehr außergewöhnlich war, kam von hinter uns, von meiner Gruppe, die ja, das hatte ich in dem Gefühlschaos vergessen, auch noch da war, der Vorschlag auf deutsch, uns beide zu fotografieren. Ich übersetzte das: "Could we maybe take a photograph?", und sie strahlte "Sure!", genauso, wie sie es zu Peter Parker in "Spider-Man" sagt, als der sie fragt, ob er sie im Gen-Labor fotografieren darf. Und während ich noch überlegte, ob und wie ich sie berühren durfte, hatte sie schon meine Schulter umfasst, und ich tat also dasselbe mit ihrer. I touched K.I.R.S.T.E.N. D.U.N.S.T.! Und ich versuchte, mein kontrolliertes, voreingenommenes Lächeln zu lächeln (ich wollte auf einem Bild mit Kirsten Dunst nicht grinsen like a moron, im Endeffekt grinse ich aber, als wollte ich der Grinsekatze Konkurrenz machen). Ein Blitzlichtgewitter aus zwei Kleinbildkameras prasselte über unsere Gesichter. Dann sagte ich wahrscheinlich noch "Thanks" und "Bye" zu ihr, ich kann mich nicht erinnern. Das nächste was ich weiß ist, dass ich einen Begleiter darauf hinwies, wie meine Knie zitterten. Bis ich auf meinem Platz ganz vorne auf der Tribüne war, ließ ich mir die Bemerkungen der anderen darüber gefallen, dass ich einen Mega-Smile spazierentrug. Auf der Tribüne mit Profilblick auf die Bühne bereute ich es, ihr kein Busserl auf die Wange gedrückt zu haben. Na ja, ich wollte nicht aufdringlich oder unverschämt erscheinen. Trotzdem, vielleicht hätte ich die Situation ausnutzen sollen. Aber wohin führt das? Schließlich hat Kirsten auch primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale, diese hätte ich wohl auch in der Gunst des Augenblicks heimsuchen sollen?
Das Ganze war so überraschend und so jenseits meines Horizontes, etwa so wie am Montag zuvor, als mir bewusst wurde, dass ich in vier Tagen nach New York fliegen würde, nur noch viel unwahrscheinlicher. Damit, dass man eines Tages nach New York kommen wird, rechnet wohl jedes First-World-Twentysomething, aber dass man dann in New York aus dem blauen Himmel heraus die Hollywood-Beauty trifft, für die man schon lange die romantischste Schwärmerei pflegt, und dass die einen dann noch in ihrer besten Laune anspricht, damit füllt das Unterbewusstsein die Träume to make a young boy sigh.
Tags darauf erfuhr ich vom Musikredakteur eines österreichischen Magazins, der beim Konzert backstage war, dass Kirsten Dunst seit kurzem mit dem Sänger der Band, die hier die Vorgruppe geben durfte, liiert ist, dass sie bei der After-Show-Party dabei war und dem Sänger danach in die Dusche gefolgt ist. (Okay, sie betrügt mich, ich wusste es. Aber ich werde um sie kämpfen.)
Teil des Gewinns war auch ein Frühstück mit der aufstrebenden Band. Es wurde natürlich ein Mittagessen daraus, wir sind hier schließlich im Rock-'n'-Roll-Business und Frühaufstehen ist nicht, wenn man schon mal im Madison Square Garden spielen darf. In einem asiatischen Restaurant in der Nähe des Hotels der "Künstler" (Letzteres war in der 21. Straße) aßen also zu Mittag: die verkaterten fünf der hoffnungsvollen Jungband, drei lucky, aber nicht unbedingt happy winners (um den Begriff "glückliche Gewinner" zu differenzieren), ein Crewmitglied, ein Plattenfirmenmensch, ein Medienmensch, eine Busenfreundin und zwei lieblich hübsche, benennen wir sie mit der Derbheit der Abgebrühten, Rock-Chicks. Und Kirsten war dabei, fünf Plätze links von mir, neben ihrem Lover, neben ihrer Busenfreundin. Ich vermied es, sie anzuschauen. Am Ende des Lunchs wollte der Medienmensch noch ein Foto mit Kirsten und mir. Ich wollte mich nicht aufdrängen und war skeptisch (nicht zuletzt um der Schmach zu entgehen, falls sie mich nicht wiedererkennen würde), aber sie war einverstanden, und als wir zum zweiten Mal für ein Foto posierten, diesmal ohne Berührung meinerseits, und ich ihr ins Gedächtnis rufen wollte, dass wir "already met yesterday at the Madison Square Garden", fiel sie mir ins Wort, dass "we met last night". Ja, sie erinnerte sich an mich! Und natürlich, es hieß "last night" und nicht "yesterday"! Und ja, ich schaute beim Klicken der Kamera nicht blöd ins Objektiv, sondern redete mit ihr! So soll es doch sein; soll mir keiner sagen, dass Kamera Priorität vor Kirsten hat! Und soll mir keiner sagen, dass Kirsten on screen ein fades Brot ist. Ist zwar wohl zulässig, aber nicht bei mir, denn love conquers all, auch verbessernswerte Bildschirmpräsenz.