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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Riehl-Heyse, Herbert; Levay, Sylvester



MC Hausmacherleberwurscht
24.04.2003, 15:08
Ich habe ein feines buttergebratenes Schnitzel an der Lippe. Es knuspert zwischen den Zähnen, derweil mein Blick über den Rokoko-Tisch hinweg, an der bronzenen Stehle eines Jünglings auf dem schweren Schreibtisch vorbei, durch das weit geöffnete, von langen Stors gesäumte Fenster streift.

Draußen, im Garten von Schloss Schönbrunn in Wien, stolpert ein Japaner über das Stativ eines Landsmannes, der mit einer darauf montierten, zweifamilienhausgroßen Mittelformatkamera die unwirklichen Wandelgärten der Kaiserin Elisabeth verewigen will. Es gab kein Geschrei, die beiden wollten nur nicht mehr aufhören, sich vor einander zu verbeugen.

Es gibt Menschen, die in Schönbrunn wohnen. Sylvester Levay gehört dazu, samt Familie. Levay ist Komponist, hat Musicals wie Mozart oder Elisabeth verbrochen, ist trotzdem ein netter, denkender Mensch und hat mit "Fly Robin, Fly" (Silver Convention) wenigstens einen echten Disco-Hammer geschrieben.

Ansonsten macht er Filmmusik, veritabler Action- oder Comedy-Dreck ("Hot Shots" oder Stallones "City Cobra" und alle, wirklich alle "Airwolf"-Filme). Heute hat er mich und anderes Schreiberpack ins Privatgemach geladen, um über das Musical Mozart zu salbadern, weil es von Wien nach Hamburg umzieht.

Doch wird reden über Filmmusik, Hans Zimmer, Ryuichie Sakamoto und er sagt: "Ich bin der Mann fürs Grobe in Hollywood!". Dabei lacht er ungarisch laut, haut jovial auf meinen Schenkel und reicht mir noch ein Schnitzel. Nun mag ich den kleinen Mann, weil jeder, der sich nicht so wichtig nimmt und mich mit Schnitzeln füttert, sich direkt in mein Herz schmusegaunern kann.

Levay hat eine hübsche Frau und eine Tochter, die ganz nach der Mutter kommt. Nach dem Mittagessen bei einem Drink, habe ich gerade eine erstklassige Rokoko-Sex-Phantasie mit der Tochter als es an der drei Meter hohen Eingangspforte schellt.

Ich plaudere mit dem Fräulein Levay und beobachte aus dem Augenwinkel die Tür. Geduckt, der Kopf schief und halb zwischen den Schultern verschwunden, kommt Herbert Riehl-Heyse herein und herzt den kleinen Sylvester.

Ich lasse ab vom Fräulein und denke an Streiflichter, Reportagen, Glossen, Kolumnen, frei von Rokoko-Sex, aber voller journalistischer Sorgfalt, gewitzter Ironie und dem gewissen Etwas, dass einen auch nach 300 Zeilen weiterlesen lässt.

Groupiesk suche ich die Nähe zur süddeutschen Instanz. Entschuldige mich beim Fräulein und stelle mich gesprächsbereit in den Raum. Riehl-Heyse schlendert beiläufig in das gut besetzte Zimmer, nickt wie dereinst Josef Strauss mehrmals wippend mit dem Kopf, raunt ein "Grrüss Gott!" und setzt sich mit einem charmanten Schwung auf den von mir warmgesessenen Stuhl neben dem Fräulein Levay. Lässt den Kopf auf seine aufgestützte Hand sinken und säuselt: "Hallo, du Schöne!" Das Fräulein kichert sich eins und busselt den Schreiberfürsten.

Ich steh so da und eh mir fad und es insgesamt peinlich wird, nehm ich noch ein übriges Schnitzel von einer Platte und verdrücke mich schmausend neben das im Zimmer aufgebaute Keyboard, auf dem Sylvester Levay just im Moment meiner Ankunft beginnt, ein Potpourri der besten Mozart-Musical-Stücke zu hämmern. Mir, lässig an einer Ecke des Keyboards lehnend, wird so unvermittelt die Rolle der Kammersängerin zuteil. Tatsächlich richten sich etliche Augenpaare verstört auf mich und das zwischen den Fingern meiner rechten Hand fettglänzende Schnitzel. Die Frage "Der wird doch jetzt nicht singen?" steht für eine Sekunde im Raum.

Riehl-Heyse schaut nicht. Er herzt das Fräulein.

Später waren wir noch gemeinsam am vermeintlichen Grab von Wolfgang Amadeus Mozart. Und beim Gang über den knirschenden Friedhofskies war ich plötzlich mit Riehl-Heyse und Frau Levay alleine. Wir plauderten über Original-Notenblätter aus der Feder von Mozart, die Frau Levay beinahe mal ersteigert hätte. Ich erfuhr, das Riehl-Heyse mal scharf auf Frau Levays Schwester war, sie beinahe geheiratet hätte und er deswegen ein alter Freund der Familie sei. Dann lamentierten wir ein wenig über den Niedergang von 1860 und er fragte nach dem Wetter in Hamburg.

Dann kam ein fetter Kulturredakteur vom Stern und sprach Riehl-Heyse auf irgendwelches Journalisten-Insidergemurmel an, das kam so mit der Attitüde - du ein Großer, ich ein Großer, lass uns über die wichtigen Entwicklungen ein paar Worte verlieren. Als die Stern-Fettel von talentierten Jungautoren fabulierte, die die Süddeutsche gerne abwerben wolle aber "da habe er ja auch noch ein Wörtchen mitzureden", da wurde mir ein bisserl schlecht.

Riehl-Heyse sagte nur Aha und SoSo. Irgendwann gar nichts mehr. Im Bus meinte er, er wolle ins Hotel, müde sei er. Schon damals muss der Krebs weit gewesen sein.

Das Fräulein Levay brachte den "Onkel Herbert" schließlich ins Hotel. Mozart floppte in Hamburg. Sylvester Levay arbeitet an "Airwolf 5". Eine Verabredung zum Schnitzelessen im Restaurant "Tirol" in Hamburg blieb er mir bis heute schuldig.
Und in der Nacht zum Mittwoch ist Herbert Riehl-Heyse mit 62 Jahren am Krebs gestorben.

honz
24.04.2003, 15:22
Es schreibt MC Hausmacherleberwurst, Passwortprobleme

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Koje, (400€/Woche) Mitte Juni, auf luxururiöser, aber extrem hässlicher Plastikschüssel (Sun Odysee 43 ) in der Türkei wegen dringenden terminlichen Schwierigkeiten zu vermieten.

Angebote per pn.

MC Hausmacherleberwurscht
25.04.2003, 12:01
Upps, schon 40 pn's! Alle, wirklich alle wollen segeln !

raumoberbayern
06.10.2006, 09:08
Freitagsschnitzel