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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Braun, Egidius kommt mit Plastiktüten



Werrnerr
11.04.2003, 23:36
Egidius Braun, der Aachener Kartoffelheld, gilt als großer Fußballfreund. Deshalb war er auch einige Jahre DFB-Präsident. Seine größte Freundschaft gilt dem Kinder- und Jugendfußball. Das jedenfalls wird er nicht müde, in jedem interview zu betonen. Denn der große Fußball rekrutiert doch die vielen, vielen Talente aus den eigenen, d.h. deutschen Reihen. So jedenfalls sollte es sein.
Ebenfalls in Interviews betont er gerne, Mitglied eines kleinen Vereines zu sein. Und er sagt das so lange, bis er gefragt wird, um welchen Verein es sich denn handle. Und dann blinken seine Äuglein voller Schalk und mit gekonnt gespielter Bescheidenheit, aus der der Stolz aus allen Poren hervorbricht, nennt er den SV Breinig als seinen Heimatverein.
Nun gibt es aber in dem kleinen Ort Breinig noch einen anderen Verein, einen ungleich kleineren und jüngeren, den FC Breinigerberg. In diesem Verein lernte mein Sohn ab seinem fünften Lebensjahr das Fußballspiel.
Der FC Breinigerberg veranstaltet alle zwei Jahre ein Jugend-Fußballturnier, an dem an zwei Tagen Mannschaften von Bambini aufwärts bis zur A-Jugend teilnehmen. Zu einer solchen Gelegenheit wird sich ganz besonders herausgeputzt: neue Spielfeldmarkierungen, Aufbau einer Cafeteria im Vereinsheim, Bierstand mit Unmengen von Bierzeltgarnituren, Wurstbude, Hüpfburg: überall Remmidemmi.
Beim Turnier vor vier Jahren ging das Gerücht, dass am Samstagnachmittag Egidius Braun zu Gast sei. Wann er komme, sei noch unklar, aber dass er komme, sei ausgemachte Sache. Und, so hieß es, er habe für die Kinder Überraschungen dabei.
Ich hatte an diesem Nachmittag Dienst im Bierwagen. Irgendwann formierten sich die meisten der Anwesenden zu einem Menschenknäuel. Inmitten dieser Ansammlung sah ich einen Menschen in Lodenmantel und Trachtenhut, der zwei weiße Plastiktüten hochhielt. Er rief etwas, das ich nicht verstehen konnte. Dann ließ er die Tüten wieder runter und wurde von kurzbehosten Halbstarken geplündert.
Mein Sohn kam stolz zu mir, ein paar Autogrammbilder deutscher Nationalspieler in der Hand. Was er weniger zu achten schien, war ein grüner Aufkleber mit DFB-Logo. Den gab er mir. Ich griff mir ein Bier und trug es mir dem Aufkleber zu dem hohen Gast, der sich mittlerweile volkstümlich auf einer der Bierzeltbänke niedergelassen hatte und jetzt offensichtlich gerne einen Schlucken zu sich genommen hätte. Etwas ruppig machte ich mir zwischen den F- bis C- Jugendlichen Platz, stellte ihm ein Bier hin und bat ihn, den Aufkleber zu signieren. Für meinen Sohn. Er tat´s mit dickem, schwarzen Filzschreiber.
Meinen Sohn, dem ich später meine Errungenschaft zeigte, interessierte das überhaupt nicht. Wer denn das sei. Ich erklärte es ihm. Na gut, meinte er, und klebte das Ding auf sein Bett.
Dort klebt es heute noch. Das Autogramm ist verblasst.
Im folgenden Jahr sah ich Herrn Braun nebst Gattin beim Reitturnier des Reitervereins Büsbach. Da gehe ich gerne hin, obwohl mich Pferde überhaupt nicht interessieren. Er trug wieder die Lodenkombination des vorigen Jahres. Ich wollte ihm freundlich zuprosten, doch er hatte seine Gattin im Arm und kein Bier in der Hand.

Murmel
12.04.2003, 00:07
Mann, schreib das doch irgendwo anders auf, verdammt. Warum gibt es so wenig Unerfreuliches, wenn ich es mal brauche?

Hilde
12.04.2003, 11:35
Halt.

Ich hab wohl etwas komische Witzrezeptoren, aber dieser Satz hat mich doch zum Lachen gebracht, und das ist doch schon mal was:

Ich hatte an diesem Nachmittag Dienst im Bierwagen.

Morena Jablonski
12.04.2003, 14:26
Kennt jemand Jochen Sprenzel? Diesen sehr unsympathisch aussehenden Sportreporter? Heißt er überhaupt so? Mein Vater sah den mal irgendwo, in einem Restaurant. Er brachte mir ein Autogramm mit von ihm. "Für meine Tochter" hat er da bestimmt gesagt, wohl wissend, dass seiner Tocher irgendein beknackter Sportreporter sowas von am Arsch vorbei geht. Hilflos und beschämt musste ich die Karte irgendwohin legen, mit diesem blöden Menschen drauf, mein erstes Fremdschämerlebnis, und immer wenn Jochen Sprenzel heute irgendwo zu sehen ist, bricht das Trauma wieder auf.

Hilde
12.04.2003, 14:45
http://www.ard-euro2000.de/wir/img/foto/portrait/sprentz.jpg

Jochen Sprentzel

Hilde
12.04.2003, 14:48
http://www.dfb.de/dfb-info/images/braun6.jpg

Egidius Braun

Hilde
12.04.2003, 14:57
was mach ich eigentlich hier?

Morena Jablonski
12.04.2003, 14:58
Ja, frag Dich das ruhig mal.

DerSchorsch
12.04.2003, 15:13
Den Egidius "Pater" Braun habe ich auch mal gesehen, vor ein paar Jahren, auf dem Flug von Zürich nach München. Da saß der nämlich auch in der Maschine, und ob du's glaubst oder nicht, der Egidius Braun war beinahe brauner, äh, bräuner als ich, obwohl ich gerade drei Wochen Griechenland auf dem Buckel hatte. Weil der Rückflug ging von Athen nach Zürich, und den Flug von Zürich nach München gab's umsonst dazu. Gratis, von der Swissair. Eine Occasion. Warum nicht, schau ich mir halt mal wieder Zürich an, und die Swissair hat eh das bessere Essen, so hab ich mir gedacht. Hat auch prompt hingehauen, das mit dem Essen, die Stewardess kam sogar nochmal vorbei und fragte mich etwas in - jetzt muß ich mich vorsichtig ausdrücken, denn hier lesen Schweizer mit, und die sind bei manchen Themen ein wenig - na ja, also sie fragte mich etwas auf Schwyzerdütsch. Also richtig auf schweizerisch, nicht dass jetzt manche meinen: so wie im Schweizer Fernsehen gesprochen wird, nur jetzt als Beispiel, Herrgott, das ist jetzt aber auch ein heikles Thema, in das ich mich hineinmanövriert habe, also sie fragte mich im breitesten, vielleicht sagen wir auch: tiefsten oder auch höchsten, massivsten, schwärzesten Dialekt, so Berner Oberland- oder Hinterlandmäßig, ob ich -
Hier muß jetzt mal gesagt werden, dass es die Schweizer ums Verrecken nicht ausstehen können, wenn so ein fremder Fötzel daherkommt und irgendetwas meint zu ihrem Sprachproblem sagen zu müssen. Das Schlimmste, wenn einer auch Schwyzerdütsch reden will. Das ist für die quasi ein neuer Geßlerhut, mit den bekannten Folgen. Jetzt ist es aber so, dass ich gar nicht zu denen gehöre, die da immer glauben, dass beim Schwyzerdütsch die Zunge nur wie so eine Waldschnecke im Mundraum herumtolle, ganz im Gegenteil, ich verstehe Schwyzerdütsch fließend, ich bin fast ein Passiv-Schwyzerdütsch native speaker. Aber nach drei Wochen Kalimera-Kalispera war ich einfach nicht darauf gefasst. Auf die Frage der Stewardess antwortete ich deshalb folgerichtig mit "Hä?" und schickte gleich noch ein "Bitte?" hinterher, damit sie nicht auf den Gedanken käme, ich wolle sie nachäffen.
"Ach Entschuldigung, ich hab glaubt, Sie sin us Bärn" sagte sie jetzt auf Hochdeutsch und deutete auf meine Zeitung. Tatsächlich. Ich laß eine Berner Zeitung. Es gab keine andere mehr, als ich ins Flugzeug stieg. Jetzt wollte ich ihr erklären, dass sie ruhig weiter in ihrem Idiom mit mir reden könne, wollte meine Schwyzerdütsch-Kompetenz (passiv) herausstreichen, aber natürlich vergebens. Ich sag ja, ein heikles Thema.

"Möchte Sie noch ä Brödli" wiederholte sie freundlich, aber sehr bestimmt die Eingangsfrage in ihrem makellosen Hochdeutsch-Imitat und würgte damit meine Schwyzerdütsch-Sympathiebeteuerungsversuche selbstredend ab. Den Trick mit der Berner Zeitung verzieh sie mir nicht.

"Ja" machte ich und nahm das Brödli, das sich als schmackhaftes Croissant entpuppte.
Meine Güte, jetzt bin ich aber ins Reden gekommen, das alles war ja noch vor meiner Egidius-Braun-Begegnung, das war in dem Airbus von Athen nach Zürich, den Egidius Braun sah ich beim Anschlußflug von Zürich nach München, und zwar in einer Fokker war das. Ich steig in das kleine Flugzeug und geh den schmalen Gang nach hinten, und da saß ein großer, beleibter Herr auf einem Sitz gleich neben dem Gang. Den Sitz hatte er zurückgestellt und sich selbst ein wenig zum Gang hin gedreht, er lag mehr im Sitz, den Hereinkommenden zugewandt. Er lächelte. Doch, den Eindruck hatte ich. Da liegt ein älterer, sehr gebräunter Herr im Gangsitz, streckt uns den Bauch entgegen und heißt uns willkommen. Er denkt: Ich weiß, ich weiß, ihr erkennt mich gerade, ja, ich bin's wirklich, ich bin euer Egidius Braun, seid mir willkommen. So lächelte ich auch. Da lächelte er noch ein wenig strahlender. Ich hätte sofort mit ihm ins Gespräch kommen können, Kinder- und Jugendfußball kurz mal antippen und wir wären wie alte Bekannte am Fachsimpeln gewesen, mitten im Gang. So einen Eindruck hat er mir gemacht, der Egidius Braun. Na ja, bin dann natürlich weitergegangen zu meinem Sitzplatz. Nach einer Weile kam die neue Stewardess und fragte "Möchte Sie ä Brödli?" und ich lächelte sie in der Art Egidius-Braunscher Bonhommie an, als ich dieses Mal fehlerfrei "Ja, danke schön" antwortete und das Croissant schnappte.

Werrnerr
24.04.2003, 20:57
Ach ja, da fiel mir noch etwas ein. Aber dafür muss ich ein wenig ausholen. Außerdem ist es aus zweiter Hand, kommt aber aus der Familie.
In den zwanziger Jahren wanderte einer der 250 Onkel meiner Mutter aus. Ziel war Uruguay. Warum, ist mir schleierhaft. Milliarden Migranten gab es für die USA und Onkel Theo geht nach Montevideo. Seine Sache.
(Meine Oma, Onkel Theos Schwester, sagte zeitlebens "Monteviideo", konte aber nichts mehr ändern).
1980 feierte die FIFA den 50. Jahrestag der ersten Fußballweltmeisterschaft. Die fand 1930 statt, und zwar in Uruguay. Weltmeister wurde Ururguay.
Die FIFA lud ein zu einer kleinen Weltmeisterschaft der Weltmeister. Und so fanden sich im Winter 1980 (der dort ja Sommer ist) die sechs Nationalmannschaften, die bis dahin die Weltmeisterschaft errungen hatten, in Uruguay ein, um ein kleines, inoffizielles Turnier zu veranstalten. Zwei Gruppen à drei Mannschaften.
Delegationsleiter der DFB-Mannschaft war Egidius Braun. Der kommt, wie ich fürher schon mal erwähnte, aus dem kleinen Ort Breinig. Breinig ist der Nachbarort eines anderen kleinen Ortes, Büsbach. Aus Büsbach kam der Onkel meiner Mutter.
Wie Herr Braun nun erfahren hatte, dass sich in Montevideo ein gebürtiger Büsbacher befindet, weiß ich nicht. Auf jeden Fall bekam der Onkel irgendwann einen Anruf vom DFB, in dem ihm der Besuch des Herrn Braun angekündigt wurde.
Wie ich durch den Vetter meiner Mutter weiß, war es ei sehr herzliches Treffen. Braun blieb auch recht lange. Es gab schließlich einige Erinnerungen auszutauschen.
Ob Egidius Braun mit weißen Plastiktüten kam, weiß ich jedoch nicht.