Karl Raduns
31.03.2003, 21:31
Manchmal haben wir Hunger. Hungerhunger, magenzersetzenden, ungesunden, nach Bierbegleitung lechzenden Hunger. Dann gehen wir ein halbes Milchmasthähnchen essen, in der „Henne“ am Leuschnerdamm. Nebenan im Kültürzentrum rockt die kurdische Folkloregruppe, hier aber lauschen wir „Café del Mar LVII“, während unsere Blicke über die sehr bierselige Einrichtung schweifen. (Meine Herren, die Fassbrause kostet nur 1,40.)
Das halbe Milchmasthähnchen also. Phantasien, wie ein buntschillernder Hahn in einem Milchsee umherschwimmt. Küken, die an Kuh Elsa nippeln. Hallervorden, der seine Augäpfel kurzzeitig nach vorne rollt, um der Industriellengattin den Tod des Firmenlenkers nahe zu bringen. Brustmuskeln, nie im Adlerflug erprobt, doch schwellend wie ein Bocksgesang oder ein erster Satz von Liszts albernem Bläserkonzert: Nun also weiss strahlend, goldbraun verhüllt, auf meinem Teller. Ohne Soße. Dazu reicht man eine Gabel. Sind wir Rechtshänder, hilft diese Gabel der linken, blossen, Hand beim Zerreissen des jungfräulichen Fleisches. Der Genuss tierischen Eiweisses wird erhöht, wenn man es sich entgegen muselmanischen Brauches mit der Linken, der Ungeübten, zuführt. Mit links zu essen, ist wie mit links zu masturbieren: ungewohnt, ungelenk, neu, und praktisch wie der erste Sex. (Bei Linkshändern ist es natürlich umgekehrt.)
Das Problem, das Problem ist, dass nach einer Weile unweigerlich beide Hände völlig unbrauchbar, weil komplett fettverschmiert sind. Das macht es schwierig, den Bierkrug zu halten. Der schwangeren Begleiterin gleitet das Glas Spree-Quell aus der Hand, dem süßen Begleiter fällt es schwer, eine schmierfreie Kippe zu schnorren.
Da hält sich Iris Berben schon bedeutend wackerer: Noch jeden Schluck des Cabernet Sauvignon, den sie und ihr kurzhaariger, angegrauter Begleiter zum Hahn geniessen, nimmt sie aus einem souverän geführten, von erfahrener Hand umschmeichelten langstieligen Glas, das nicht die geringsten Spuren garstigen Unterhautfettes zeigt.
Ich begreife das nicht. Vielleicht stösst Iris Berben Unterhautfett einfach ab. Sie hat ja selber keines. Das mag an ihrem immensen Wasserkonsum liegen. Oder an der Tatsache, dass sie an dem ganzen Abend nur eine, eine einzige, Zigarette geraucht hat. Und natürlich überhaupt nicht so alt aussieht, wie sie ist. Wobei kein Mensch weiss, wie alt sie nun wirklich ist. Aber jedenfalls älter. Darauf weist mein Begleiter im Matrosenhemdchen hin, der sowieso nicht glaubt, dass das Iris Berben sei. Aber der hat ja auch seine Brille nicht auf und sitzt in der falschen Richtung.
Ich würde es jederzeit zugeben: Ich stehe auf Iris Berben. Ich kann mich zwar an keinen einzigen Film, kein Fernsehspielchen, keine Kleinbühnenaufführung mit ihr erinnern, aber ich weiss, dass ich auf sie stehe und dass ich sie erkennen würde, hätte sie rote Haare, Sommersprossen und einen Affen namens Nilsson. Statt an ein Äffchen jedoch verfüttert sie Brotstücke an einen kleinen, weissgelockten Hund, der arg traurig und verloren zwischen den Tischen herumläuft und ansonsten süss und ziemlich dumm ausschaut. Das Matrosenhemdchen findet, er sehe aus wie der Hund aus den kleinen Strolchen, nur dass er kein Pitbull ist und statt einem Ringelauge ein braunes linkes Schlappöhrlein hat.
Iris Berben besitzt einen kleinen weissgelockten Hund, der statt eines Ringelauges ein braunes linkes Schlappöhrlein hat.
Das ist nun etabliert. Mittlerweile sind die drei halben Dinger an unserem Tisch verzehrt, und die Schwangere bestellt das dritte Wasser. Querelle probiert sich durch die angebotenen Schnäpse, und ich starre immer noch verzückt ins Berbsche. Dem Ringelhemdlein wird das zuviel, er möchte Wetten abschliessen, sie sei das nicht, was ich aber ablehne. Dann steht Frau Berben auf. Sie muss wohl mal aufs Klo. Scheu hebe ich den Blick (sie geht ganz nah an uns vorbei), und ich stelle fest: Viel Schminke. Sehr viel Schminke. Und das Kinn sitzt nicht mehr so wie vor zwanzig Jahren. Ihr weisses Blüschen wirkt sehr adrett, aber leider trägt sie dazu eine zugegeben gut sitzende vorn und hinten abgeschrabbte Jeans, deren ordentlicher Schlag fransig kaskadiert über spitze, hellbraune Stiefel fällt. Modell Wedding, sozusagen.
Das Problem, das Problem ist, dass uns jetzt die Pointe ausgeht. Gerne hätte ich berichtet, wie sie sich zu uns setzt und vom letzten Shooting für die TUI-Werbung berichtet. Wie sie den schwangeren Bauch bewundert und dem Begleiter für‘s blauweiss Geringelte Komplimente macht (und für seine Brille). Stattdessen kommt sie sehr unspektakulär vom Klo zurück und ich muss dem nebensitzenden Medienmogul lauschen, wie er seiner japanischen Freundin ein Feng-Shui-Buch abzuschwatzen versucht. So ein Blödsinn, wo Feng-Shui doch aus China kommt.
Vielleicht noch dies: Die Wirtin kommt aus Franken. Sie spendiert uns einen Erdbeerschnaps (der übrigens nicht direkt aus Erdbeeren gemacht wird, sondern da lässt man anderen Schnaps über Erdbeermaische laufen, bis er nach was schmeckt: Auch das hatte ich nicht gewusst.). Frau Berben gibt ihr beim Abschied Küsschen und sagt „Danke!“, nachdem sie sich in ihr Fuchspelzjäckchen geschmissen hat. Ich möchte mal wissen, wieso das sein muss, dieses „Danke, dass wir bei Dir ganz viel Geld lassen durften, liebe Wirtin“ – wenn ich ein Auto kaufe, oder einen Bildband von Herrn Gotha, sage ich dann auch „Danke“?
Aber ich find‘s gut, dass Iris Berben am Leuschnerdamm Hähnchen essen geht. Da gehe ich jetzt öfters hin.
Das halbe Milchmasthähnchen also. Phantasien, wie ein buntschillernder Hahn in einem Milchsee umherschwimmt. Küken, die an Kuh Elsa nippeln. Hallervorden, der seine Augäpfel kurzzeitig nach vorne rollt, um der Industriellengattin den Tod des Firmenlenkers nahe zu bringen. Brustmuskeln, nie im Adlerflug erprobt, doch schwellend wie ein Bocksgesang oder ein erster Satz von Liszts albernem Bläserkonzert: Nun also weiss strahlend, goldbraun verhüllt, auf meinem Teller. Ohne Soße. Dazu reicht man eine Gabel. Sind wir Rechtshänder, hilft diese Gabel der linken, blossen, Hand beim Zerreissen des jungfräulichen Fleisches. Der Genuss tierischen Eiweisses wird erhöht, wenn man es sich entgegen muselmanischen Brauches mit der Linken, der Ungeübten, zuführt. Mit links zu essen, ist wie mit links zu masturbieren: ungewohnt, ungelenk, neu, und praktisch wie der erste Sex. (Bei Linkshändern ist es natürlich umgekehrt.)
Das Problem, das Problem ist, dass nach einer Weile unweigerlich beide Hände völlig unbrauchbar, weil komplett fettverschmiert sind. Das macht es schwierig, den Bierkrug zu halten. Der schwangeren Begleiterin gleitet das Glas Spree-Quell aus der Hand, dem süßen Begleiter fällt es schwer, eine schmierfreie Kippe zu schnorren.
Da hält sich Iris Berben schon bedeutend wackerer: Noch jeden Schluck des Cabernet Sauvignon, den sie und ihr kurzhaariger, angegrauter Begleiter zum Hahn geniessen, nimmt sie aus einem souverän geführten, von erfahrener Hand umschmeichelten langstieligen Glas, das nicht die geringsten Spuren garstigen Unterhautfettes zeigt.
Ich begreife das nicht. Vielleicht stösst Iris Berben Unterhautfett einfach ab. Sie hat ja selber keines. Das mag an ihrem immensen Wasserkonsum liegen. Oder an der Tatsache, dass sie an dem ganzen Abend nur eine, eine einzige, Zigarette geraucht hat. Und natürlich überhaupt nicht so alt aussieht, wie sie ist. Wobei kein Mensch weiss, wie alt sie nun wirklich ist. Aber jedenfalls älter. Darauf weist mein Begleiter im Matrosenhemdchen hin, der sowieso nicht glaubt, dass das Iris Berben sei. Aber der hat ja auch seine Brille nicht auf und sitzt in der falschen Richtung.
Ich würde es jederzeit zugeben: Ich stehe auf Iris Berben. Ich kann mich zwar an keinen einzigen Film, kein Fernsehspielchen, keine Kleinbühnenaufführung mit ihr erinnern, aber ich weiss, dass ich auf sie stehe und dass ich sie erkennen würde, hätte sie rote Haare, Sommersprossen und einen Affen namens Nilsson. Statt an ein Äffchen jedoch verfüttert sie Brotstücke an einen kleinen, weissgelockten Hund, der arg traurig und verloren zwischen den Tischen herumläuft und ansonsten süss und ziemlich dumm ausschaut. Das Matrosenhemdchen findet, er sehe aus wie der Hund aus den kleinen Strolchen, nur dass er kein Pitbull ist und statt einem Ringelauge ein braunes linkes Schlappöhrlein hat.
Iris Berben besitzt einen kleinen weissgelockten Hund, der statt eines Ringelauges ein braunes linkes Schlappöhrlein hat.
Das ist nun etabliert. Mittlerweile sind die drei halben Dinger an unserem Tisch verzehrt, und die Schwangere bestellt das dritte Wasser. Querelle probiert sich durch die angebotenen Schnäpse, und ich starre immer noch verzückt ins Berbsche. Dem Ringelhemdlein wird das zuviel, er möchte Wetten abschliessen, sie sei das nicht, was ich aber ablehne. Dann steht Frau Berben auf. Sie muss wohl mal aufs Klo. Scheu hebe ich den Blick (sie geht ganz nah an uns vorbei), und ich stelle fest: Viel Schminke. Sehr viel Schminke. Und das Kinn sitzt nicht mehr so wie vor zwanzig Jahren. Ihr weisses Blüschen wirkt sehr adrett, aber leider trägt sie dazu eine zugegeben gut sitzende vorn und hinten abgeschrabbte Jeans, deren ordentlicher Schlag fransig kaskadiert über spitze, hellbraune Stiefel fällt. Modell Wedding, sozusagen.
Das Problem, das Problem ist, dass uns jetzt die Pointe ausgeht. Gerne hätte ich berichtet, wie sie sich zu uns setzt und vom letzten Shooting für die TUI-Werbung berichtet. Wie sie den schwangeren Bauch bewundert und dem Begleiter für‘s blauweiss Geringelte Komplimente macht (und für seine Brille). Stattdessen kommt sie sehr unspektakulär vom Klo zurück und ich muss dem nebensitzenden Medienmogul lauschen, wie er seiner japanischen Freundin ein Feng-Shui-Buch abzuschwatzen versucht. So ein Blödsinn, wo Feng-Shui doch aus China kommt.
Vielleicht noch dies: Die Wirtin kommt aus Franken. Sie spendiert uns einen Erdbeerschnaps (der übrigens nicht direkt aus Erdbeeren gemacht wird, sondern da lässt man anderen Schnaps über Erdbeermaische laufen, bis er nach was schmeckt: Auch das hatte ich nicht gewusst.). Frau Berben gibt ihr beim Abschied Küsschen und sagt „Danke!“, nachdem sie sich in ihr Fuchspelzjäckchen geschmissen hat. Ich möchte mal wissen, wieso das sein muss, dieses „Danke, dass wir bei Dir ganz viel Geld lassen durften, liebe Wirtin“ – wenn ich ein Auto kaufe, oder einen Bildband von Herrn Gotha, sage ich dann auch „Danke“?
Aber ich find‘s gut, dass Iris Berben am Leuschnerdamm Hähnchen essen geht. Da gehe ich jetzt öfters hin.