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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Biller, Maxim



U_Sterblich
11.03.2003, 15:26
Ich wohne ja in diesem Berlin Mitte, von dem man immer hört. Prallvoll mit angesagten Clubs und Bars, Lounges und Locations. Mir örtlich am nähesten gelegen ist das "103", ich gehe da also oft vorbei und strafe die fehlgeleiteten Insassen mit verachtenden Blicken. Nicht immer, nur wenn ich es so brauche für mein Ego. In der Sonntagsbeilage vom Tagesspiegel füllte Maxim Biller letztens in diesen Promi-Fragebogen über was er mag und was er nicht mag ein, dass er von Bars am liebsten das 103 in Berlin Mitte mag. Ist sein gutes Recht, ich habe von Maxim Biller nie verlangt, er möge meinen Geschmack teilen.
Heute früh traf ich Goodwill an der Straßenecke, wo das 103 ist, wir mussten die Tram besteigen, die bereits herannahte, darum hatte ich keine Zeit mehr ins 103 zu gehen, wo ich einen Schlüssel abzuholen hatte, der bei einer der Bedienungen für mich hinterlegt wurde. Goodwill meinte, wir könnten ja unser nächstes Treffen da drin abhalten und ich so: ja, vielleicht paparazzen wir dabei auch noch Maxim Biller.
Nun gut, das Treffen fand in der Kochstraße statt und nach getaner Arbeit fuhr ich wieder zurück, ich nehme jetzt immer die Tram Nr. 50, seit mir dort Tilda Swinton gegenüber saß.
Im 103 trat ich an die Bar und fragte die Bedienung nach dem Schlüssel, und sie fragte, ob ich was trinken mag, da nahm ich einen Kaffee. Hinten in der Ecke stand dann Maxim Biller auf, gut zu identifizieren an seiner Brille, er zog seinen Mantel an, schwätzte noch mit Diesem und Jenem und verließ dann in Begleitung einer Frau den Laden.
Ich aber saß noch ein Weilchen an der Bar vom 103, trank Kaffee und plauschte so Stammgast-mäßig mit der Bedienung.

Dirk von Foerster
11.03.2003, 15:39
Ich nehme mal an, dass die Frau nicht Esra oder ihre Mutter war. Ich hab das Buch nicht gelesen, aber man kann ja nicht nichts darüber hören. Was man aber darüber hört, wirft, wie ich finde, ein sehr peinliches Licht auf den Autor, den ich eigentlich immer noch oft verteidigt habe, als er schon kaum noch zu retten war.

Juri
11.03.2003, 15:47
Aber Du zitierst ihn immer noch kopfnickend, wenn er Beziehungsrealismen von sich gibt.

Tristram Shandy
11.03.2003, 15:50
Ohne je viel von Maxim Biller gelesen zu haben oder ihn je getroffen zu haben, schäme ich mich immer, wenn ich nur den Namen höre. Ich weiß nicht, woran das liegt.

Hat er vielleicht so eine Art Peinlichkeitsaura um sich, U.? Oder ist nichts davon zu spüren, wenn man in seiner Nähe steht?

Elpenor
11.03.2003, 16:07
Mikro im Leben. Vor einer Nanosekunde noch Lottmanns Walkürritt seiner Begegnung mit Max Goldt (http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?s=&threadid=10219) gelesen, etwas weiter in dem Strang taucht eine Bemerkung von Hermes Phettberg auf.

"Ich weiß nicht, ob es Euch auch so geht, ich habe gewisse Leute zweimal. Also - jetzt werde ich mich vollendet hassenswert machen -aber ich rede jetzt nicht von Max Goldt, der unverrückbar wundervoll ist, und den Sprachraum feinst möbliert, sondern nehme ihn nur als Beispiel: also ich habe ihn hirntechnisch mit dem Hape Kerkeling aufbewahrt. Und beim Herunterholen (nicht genital jetzt) hab ich immer beide."

Soweit die Fakten, die unzerbrechlichen. D.h. fast, eine Fakte fehlt noch, nämlich die, daraufhin zu dieser Maxim Biller Begegnung gespurtet zu sein. Der Stoß gegen das Mikro ist nun der nach dem Hermesschen Prinzip des Herunterladens in meinem Kopf befindlicher Zwilling Max Goldt / Maxim Biller, wo ein Goldt, da ein Biller, was sich hier wieder bewies.

U_Sterblich
11.03.2003, 16:09
Falls er eine hat, dann ging sie in der allgemeinen Peinlichlichkeitsaura der Location unter. Außerdem scheint mir, dass Maxim Biller seine Medienpräsenz jetzt als groß angelegte Kontaktanzeige zu nutzen sucht. Kein Interview, kein Fragebogen, kein Artikel über ihn, in dem er nicht darüber lamentiert, noch immer die Traumfrau zu suchen.

U_Sterblich
11.03.2003, 16:15
Elpe, und ich dachte beim Aufschreiben so "Maxim Biller", soso, haben wir bei dem erwähnten Treffen, bei dem Du ja auch präsent warst, nicht gerade über den Realnamen eines prominenten Forum-Mitgliedes spekuliert, der so ähnlich heißt wie Biller nur mit anderem Buchstaben vorne, und dadurch auch so ähnlich wie Hitler? Und mit Vornamen auch wie Biller?

Balthasar Matzbach
11.03.2003, 16:26
Wenn ich mich recht erinnere, dann war Herr Biller mal für die eher schlecht gelaunten Passagen und Texte im Zeit-Magazin verantwortlich. Ich mag mir über Autoren, die ich nie zur gänze gelesen habe, kein Urteil erlauben, aber bei Herrn Biller kam es mir so vor, als wäre er gerne das schlechte Gewissen des Landes, weswegen er auch gerne damit kokettierte, dass er oder seine Vorfahren jüdischer Herkunft seien, eine Aussage, die bei den meisten deutschen Kritikern ja sofort jeden Beißreflex einstellen läßt. Deswegen schrieb er wohl lange böse und gemein, und andere, die das lasen, nannten ihn auch so. Aber ich glaube, dass man ihn so nie wahrgenommen hat. Vielleicht, weil man wußte, dass eine Lüge war, vielleicht, weil er einfach schlecht schreibt, das weiß ich, wie erwähnt, nicht. Zumindst kam es mir so vor, dass Herr Biller seine schlechte Laune wie eine Art Latz vor der Brust trägt, damit er sich nicht bekleckert, und später rein bewestet die Schultern heben kann.

Tristram Shandy
11.03.2003, 16:37
Wer mag das sein? Maxim Gorki? Walter Giller? Nadja Tiller? Arthur Miller?

Ach so! Ich hab's!

MissJuni
11.03.2003, 17:15
Wer noch mehr über Berlin Mitte erfahren möchte, dem sei der Film "Let it rock" zu empfehlen. Ja, ich weiß, dass das jetzt eigentlich ins Film-Forum gehört.

Jeremy
11.03.2003, 17:25
Nö, sei dem nicht.

Goodwill
11.03.2003, 17:34
Als ich noch in München gelebt habe, da tat das auch der Herr Biller zeitweilig. Er war noch ganz am Anfang. Schrieb Niedermach-Tiraden, Metzel-Texte, Hass-Kolumnen und das recht anmutig. Zumindest kam es mir so vor. Biller, der Relativfrühvollendete, hatte zumindest einen neuen Ton miterfunden. Zeitschriften wie "Tempo" und "Wiener" bildeten damals willigst den Resonanzkörper für das Geschrammel gegen schlechten Geschmack aller Art. Wo Biller war, war Missmut - aber immerhin akzeptabel formuliert.

Die Negativmacht seines Wortes bekam ich auf einer überbordenden Studenten-Party sogar einmal selbst zu spüren. Begeistert davon, den selbsternannten Welthasser auf einem Fest zu sehen, auf dem auch ich mich amüsierte, sprach ich ihn anlässlich einer zufälligen Begegnung im Flur mit dem Satz "Bist Du nicht der Maxim Biller?" an. Die Frage war zugegebenermaßen nicht originell. Biller stieß mir ein knappes "Ja" vor die Fresse und passierte mich mit einem blasiert in die Ferne gerichteten Brillenblick. Die Stimmung hat er mir nur damit prompt versaut.

Entsetzlicher Mensch
11.03.2003, 18:29
1987 für "Tempo" geschrieben zu haben gab damals ungefähr das selbe Selbstbewusstsein als 2000 bei Pixelpark gearbeitet zu haben. Nicht die einzige Parallele, dies.

Dirk von Foerster
11.03.2003, 19:30
Wer noch mehr über Berlin Mitte erfahren möchte, dem sei der Film "Let it rock" zu empfehlen.

Gibt es da draußen irgend jemanden, der tatsächlinch noch mehr über Berlin Mitte erfahren möchte? Kann's mir eigentlich nicht vorstellen.

Lenin
11.03.2003, 19:57
Hier muss ich Goodwill korrigieren. Ja, es war in München, ja, es war auf einer Party (Sylvesterparty 1991 bei den Garmischern in der Hohenzollernstraße). Goodwill hatte zu Weihnachten ein Buch von Biller unter dem Weihnachtsbaum gefunden, wir standen im Korridor, wo auch der alte Kiss-Flipper aus dem Massmann-Stüberl (Hallo, Thomas!) stand. Goodwill wies mich Richtung Küchentür und sagte: "Das ist jetzt aber der richtige Maxim Biller!"

Hintergrund: am Vorabend in der Wunderbar (TOTAL lustiges Wortspiel, aber ganz gute Bar, damals, inzwischen nicht mehr vorhanden) waren wir uns nicht einig gewesen, ob da ein echter Maxim Biller allein in jener Kellerbar stand oder nicht. Der Wunderbar-Biller hatte aber eine andere Brille. Überhaupt die Brille. Sowas von intellektuell. Dann noch der Nachname, der ja ein Anagramm von Brille ist und sozusagen auf diese Intellektualität nochmal hinweist. Und dann noch "Maxim". Größte Brille, das wurde sein Spitzname, trotz des Gegensatzes zu diesem schwarzen sichtbeschränkenden Brillengestell.

Jetzt waren wir uns nahezu sicher. Jede Faser des Billerschen Körpers und dessen Accessoires sagte: Ich bin Maxim Biller! Schwarze Haare, ein grauer Mantel (obwohl die Wohnung gut geheizt war, wahrscheinlich Garderoben-Überlastung), 3-Tage-Bart und diese 50er-Jahre-Brille, auf dem Kopf ein lustiges Mützchen. Hatten wir uns am Vorabend geirrt? Goodwill flüsterte mir zu, dass Biller jetzt direkt hinter mir sei. Biller verschwand in die Küche, an deren Türpfosten ich lehnte, mit etwas zu Essen kam er wieder heraus.

ICH (sorry!) fragte ihn: "Warst Du gestern abend in der Wunderbar?" Nach kurzem Überlegen kam ein erstauntes und fragendes "Nein!?" zurück. Ich zuckte mit der Schulter, "hm, wohl verwechselt" und wandte mich ab.

Hilfscheckerbunny
12.03.2003, 14:59
Einige von Euch wissen vielleicht gar nicht wie der Maxim Biller aussieht!
(So wie ich zum Beispiel!). Aber das macht gar nichts! Weil es sehr reizvoll sein kann, nicht zu wissen wie die Hauptfigur aussieht. Das bietet einem die schöne Gelegenheit seine Phanstasie spielen lassen! Und das tut man heutzutage sowieso viel zu selten!

Der Admiral
12.03.2003, 15:09
Also, ich find das schon nützlich.
http://www.br-online.de/bildung/tk-deutsch/literatur/folge_4/img/biller_3.jpg

ingwer
12.03.2003, 15:25
1987 für "Tempo" geschrieben zu haben gab damals ungefähr das selbe Selbstbewusstsein als 2000 bei Pixelpark gearbeitet zu haben. Nicht die einzige Parallele, dies.

nicht die einzige parallele? waren die bei tempo auch unterbezahlt?

Der Admiral
12.03.2003, 15:34
Das kann ich nicht sagen. Gemeint war aber wohl, zwei Jahre später auf der Strasse gesessen zu haben.

Entsetzlicher Mensch
12.03.2003, 15:57
yep.

Beiweiss
12.03.2003, 16:32
Hab ich richtig verstanden? Der Admiral war mal unterbezahlter Pixelpark-Mitarbeiter?

Der Admiral
12.03.2003, 16:48
Nein, natürlich nicht. Ich gebe zu, daß ich schon ein wenig neidisch rübersah zu den New-IT-Emporkömmlingen. Aber daß die und die von Tempo unterbezahlt waren, kann ich nur vermuten. Aber das sicher eine der Parallelen - dieses "Wahnsinn! Ich darf hier mitmachen. Und ich werde sogar noch dafür bezahlt!"
Und wenn dieser entsetzliche Mensch nochmal den Captain nachmacht, dann, dann, äh, ich denk mir dann was aus.

Klingeltonk
15.10.2007, 12:46
Ich finde es immer reichlich kompliziert, sich über alle möglichen Dinge, Leute und Musik eine Meinung zu bilden, um das jeweilige Thema nicht im blassen Egalmodus zu halten. Vieles kann leicht bemeint werden (Joachim Löw ist ein ganz guter Bundestrainer), von vielem anderen weiß man nicht recht, ob es schwarz oder weiß ist, nicht zuletzt, weil man davon überhaupt keine Ahnung hat.

Ein solcher Fall ist für mich das Verbot des Buches von Herrn Biller. Die bewährte Methode der Meinungsherstellung bei Literatur (lesen) scheidet aus, und die eigentlich verläßlichen Fremdmeinungen aus den Zeitungen klingen, als habe der Redakteur wütend den gröbsten Entendunst geladen (Lotte! Werther! Kestner!). Das Urteil selbst scheint seltsam zu sein (Schwiegermutter niedermachen ja, über Tochter klatschen nein), und so sitze ich ratlos da, Mephista oder Mumpitz, deshalb meine Frage: welche Fremdmeinung ich hier adoptieren könnte?

Sopran
15.10.2007, 12:56
Ich könnte Ihnen einfach das Buch leihen.

Alberto Balsam
15.10.2007, 12:58
ich finde, und ich denke Biller (Maxim) wird sich mir anschließen, dass das Urteil gut und richtig ist, er schreibt halt Scheiße, und die Richter wollen nichts anderes als ihn davor bewahren sich komplett zum rachsüchtigen Affen zu machen

joq
15.10.2007, 13:09
so ist es.
las gestern in der sofaz ausschnitte aus dem buch, die in den himmel gelobt wurden und dabei so hanebüchen lahm waren, dass sie von mir hätten sein können.

Alberto Balsam
15.10.2007, 13:17
oder aber, die Richter sind perfide Schweine, die mit Biller gemeinsame Sache machen (vielleicht von ihm bestochen worden?), um seinen Marktwert zu steigern. Bernhards Holzfällen hat ja das kurzfristige Verbot auch genutzt

joq
15.10.2007, 13:18
glaubch nicht.

außerdem, bei alban nikolai herbst hat das verbot des romans "meere" dem autoren auch nicht genutzt. er muss weiter sein weblog vollschreiben.

Klede
15.10.2007, 13:20
Immerhin (http://search.ebay.de/search/search.dll?from=R40&_trksid=m37&satitle=biller+esra&category0=). Biller ist aber natuerlich auch sensationell vertrottelt. Jetzt geht es um 100.000 Euro Schmerzensgeld, die Biller vielleicht zahlen soll, das ist allerdings noch bescheuerter als Biller selbst.

Klede
15.10.2007, 13:21
Joq, Herbsts Verkaufszahlen vor und nach dem Verbot duerften sich allerdings teuflisch aehnlich sehen.

Freewheelin_Biller
15.10.2007, 13:34
Hab ich eigentlich mal erzählt, wie ich zu meinem Pseudonym kam?

Verboten Wolf
15.10.2007, 13:49
Brauche auch eine Meinung zu diesem Thema, wenn möglich bis morgen (Interviews drohen). Ich dachte mir so: "Autoren sollen eh kein autobiographisches Zeug schreiben, das ist armselig und einfallslos." Korrekturen und Ergänzungen dieser Meinung werden dankbar angenommen.

Edgar_Biller
15.10.2007, 13:54
Ich bin ja der Meinung, Autoren sollen eh kein autobiographisches Zeug schreiben, das ist armselig und einfallslos.
Du kannst morgen im Interview sagen, dass Biller selbst sich gerade gestern dir gegenüber in einem Forum entsprechend geäußert habe.
Als Gewinn nehme ich die Klede-DVD.

Klingeltonk
15.10.2007, 13:57
Dieses Billerbü verwirrt mich jetzt ein wenig, Freewheelin und Edgar.

Edgar_Biller
15.10.2007, 13:59
Ich dachte, ich krame das alte Pseudonym mal hervor, wenn ich schon einen eigenen Strang kriege.
Und schön, dass du offenkundig nicht zu etwas Größerem weitergezogen bist, Klingeltonk!

Kalte Dusche
15.10.2007, 14:01
Vielleicht sollten wir auf Freewheelins Frage mal antworten:
Nein, nur zu!

Edgar_Biller
15.10.2007, 14:01
Ich würde jetzt gern einen "Wenn Fußballbundesligisten Tageszeiten wären"-Strang mit dir aufmachen. Also mit Klingeltonk jetzt.

Klingeltonk
15.10.2007, 14:06
Etwas Größeres als Paparazzi wird es niemals geben.

Werder Bremen ist elf Uhr vormittags,
aber jetzt bittschön wieder zurück zu Billermeinungen!

Stimmen
15.10.2007, 14:11
Daß Autoren nicht autobiographisch schreiben sollen, ist als Meinung so armselig und einfallslos wie ihr Gegenteil. Autoren sollten überhaupt keine allgemeinen Ansichten über Literatur vertreten, und auch Nicht-Autoren sollten das nicht. Sobald Autoren eine Form von Literaturtheorie ausmünzen, läuft sie - es gibt kein Gegenbeispiel - immer sofort darauf hinaus, daß zum allgemeinen Ziel erklärt wird, was der Autor selbst am besten kann und schon seit Jahren praktiziert. Nicht-Praktiker hingegen haben, wenn es um Ziele der Kunst geht, ohnehin kein Mitspracherecht, woraus sich glasklar ergibt: Theorien zur Literatur existieren nicht; oder sind bestenfalls das, was sich heranbildet in kleinen Hasen, wenn es nachts dunkel wird im großen Wald.

Hier (http://www.faz.net/s/Rub1DA1FB848C1E44858CB87A0FE6AD1B68/Doc~EA436440C704F44E5A8C08D7ED430DAFF~ATpl~Ecommon~SMed.html#5047DF20425749F1A0651A8CDBE8B54B) kann man sich noch weiter zu Biller bilden: FAZ-Ausschnitt mit offenbar völlig beliebigen, unjuristischen Streichungen eines Hilfsredakteurs. Auf der ersten Seite heißt es irgendwo: "Damals sagte mir Barbara, sie sei [schwanger] von mir, liebe aber einen anderen Mann." Auf der nächsten Seite: "... nahm [Esra] mein Gesicht in beide Hände und sah mich traurig lächelnd an."

Edgar_Biller
15.10.2007, 14:12
Erst noch für Kalte Dusche: Als ich mich hier anmeldete, gab es das Bonanza-Forum gerade noch so. Deshalb dachte ich, es sei witzig, sich Edgar Biller zu nennen, weil in den Achtzigern mal ein Edgar Biller bei Formel 1 mit Ingolf Lück einen Studiobesuch gewonnen hatte, im Vorfeld wochenlang reisserisch angekündigt wurde und sich bei seinem Auftritt schließlich als völliger Langweiler entpuppte, aber es lieferte Stoff für mehrere Wochen große Pausen in der Schule. Wenn man ihn heute gugelt, hat man die Wahl zwischen HUK-Coburg-Vertreter, Karnevalspräsident und Leiter des Altenheims St. Pius in Ingolstadt, vielleicht ja alles drei.

Stimmen
15.10.2007, 14:20
...

Regular Gonzales
15.10.2007, 14:32
zu #32: Und das sagt eine, die ihre Freundin umgebracht hat und dann im Schneesturm erfroren ist. Na toll.

Freewheelin_Biller
15.10.2007, 14:42
Auch bei den Ingolstädter Narren offenbar nicht eitel Sonnenschein: Während Edgar Biller im Google-Cache noch als Präsident gelistet (http://209.85.135.104/search?q=cache:hcEez06y4DsJ:www.narrwalla.com/Page/Vorstand.html+narrwalla+biller&hl=de&ct=clnk&cd=4&gl=de) ist, hat man auf der aktuellen Seite (http://www.narrwalla.com) seinen Namen und sein Foto schon gelöscht, obwohl er im Februar noch die Erstürmung des Rathauses angeleitet hatte.

Verboten Wolf
15.10.2007, 14:58
Wenn man mir solche Interviewfragen stellt, bedaure ich immer sehr, nicht Herrndorf zu sein, Gründe siehe oben. Sonst natürlich auch.

Alberto Balsam
15.10.2007, 15:55
Beim Fußball, oder?

Klingeltonk
15.10.2007, 16:23
Hellmuth Karasek hat herausgefunden, daß der Werther bei der Schilderung solcher Intimitäten (Karasek erläutert: „also Werthers Lotte beim Oralverkehr“) auch verboten worden wäre.

joq
15.10.2007, 17:39
das ist wirklich ein fuchs, der hellmuth.

Die Wucht
06.11.2007, 22:13
Soeben die vollständige Esra-Entscheidung (http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20070613_1bvr178305.html) gelesen und zum wiederholten Male den Mephisto-Beschluss (http://www.lrz-muenchen.de/~Lorenz/urteile/njw71_1645.htm) und wundere mich über Äußerungen wie die von Hellmuth Karasek noch mehr, wonach es Buddenbrooks, Werther usw. nicht geben würde, hätten damals Esra-Maßstäbe gegolten. Das stimmt nicht! Er hat die Esra-Entscheidung einfach nicht verstanden.

Wer über erkennbare Personen Herabwürdigendes oder Intimes in einem Roman schreibt, bewegt sich im Spannungsfeld von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsschutz. Dabei geht das Bundesverfassungsgericht von einem verständigen Leser aus, der zwischen Roman (=Fiktion) und Reportage (=Wirklichkeitsabbildung) zu differenzieren weiss. Dieses Bild eines kundigen Lesers gilt auch und grade bei einem Text wie Esra, in dem Wirklichkeit und Fiktion verschwimmen (Randziffern 93 - 95, 98 f.). Maxim Biller darf über die Figur der Mutter seiner Ex schreiben, dass sie alkoholsüchtig, besitzergreifend, raffgierig etc. (Randziffer 98) ist. Das ist zwar herabwürdigend, aber nicht in einem Maße, dass es sich um eine sog. Schmähschrift handelt. Die Richter gelangen zu diesem Ergebnis, weil entsprechende Schilderungen der Mutter durch Gerüchte und Hörensagen in den Text einbezogen wurden und nicht durch eigenes Erleben des Ich-Erzählers (Randziffer 97). Außerdem spiele die Figur der Mutter in der Funktionalität des Romans eine erhebliche Rolle, zumal sie mit den Konflikten des Ich-Erzählers verbunden seien (Randziffer 96). Ergebnis: Keine Schmähung der Mutter, Kunst hat Vorrang.

Hier greift das Bundesverfassungsgericht einen Wertungsmaßstab aus dem Mephisto-Beschluss auf: Die künstlerische Transzendierung von "Abbild" und "Urbild". Klaus Mann hatte seine Figur nicht hinreichend ausgestaltet und vom Vorbild Gustav Gründgens gelöst. Außerdem hat er Gründgens noch einige negative Eigenschaften angedichtet. Dadurch wurde seinem Ansehen Schaden zugefügt und der Roman durfte erst nach einsetzendem Verblassen der Erinnerung an Gründgens wieder verlegt werden. (Wie man sowas misst, würde mich allerdings auch mal interessieren).


Das Vorbild für die Mutter ist mit ein Mal googeln aufzudecken, da Biller die Verleihung des Alternativen Nobelpreises 2000 an sie in seinem Roman erwähnt. Aber sie muss sich den Verdacht ihres Umfeldes gefallen lassen (im Unterschied zu Gründgens bzw. seinem Adoptivsohn), es werde "schon etwas dran sein", was Biller über sie schreibt.

tbc

Tristram Shandy
06.11.2007, 22:53
"Außerdem hat er Gründgens noch einige negative Eigenschaften angedichtet."

Da liegt der Hase im Pfeffer. Wenn man per se und von vorneherein davon ausgeht, dass es sich bei der beschriebenen Person um eine konkrete historische Person handelt, sind Fiktionsmarker nicht mehr Fiktionsmarker, die eben die Figur nicht mehr 'erkennbar' machen, sondern nur noch 'herabwürdigende Verfälschungen'.

Aber eben solche Eigenschaften, die eben NICHT der historischen Person entsprechen, sind doch Anzeichen dafür, dass es sich bei der beschriebenen Person auch eben NICHT um die historische Person handelt, sondern um eine fiktionale Figur.

Die Wucht
06.11.2007, 23:08
Zur Ex-Freundin:

Auch sie ist als Vorbild erkennbar, ebenfalls durch ein Mal googeln (Bundesfilmpreis 1989). Im Unterschied zu den Ausführungen zur Mutter erkennt das Bundesverfassungsgericht hier schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht. Dafür gibt es zwei wichtige Argumente:

1. Die Beziehung der Ex-Freundin zum Autor, ihre Ehe, die Krankheit ihrer Tochter und ihre neue Beziehung sind mehr oder weniger unmittelbar der Wirklichkeit entnommen, so dass dem Leser nicht nahegelegt wird, diese Geschehnisse als Fiktion zu verstehen. "Abbild" und "Urbild" (wieder "Mephisto"-Maßstab) liegen dicht beieinander und sind teilweise deckungsgleich. Das haben die unterinstanzlichen Gerichte ermittelt. (Randziffer 101). Das wäre an sich kein Problem, wenn nicht:

2. Dinge an die Öffentlichkeit gelangen, die da nichts zu suchen haben, es sei denn, die Dargestellten sind damit einverstanden. Die Intimsphäre der Ex-Freundin wird durch die Darstellung der Sexualität mit dem Ich-Erzähler, die Ausführungen über die Beziehung zu einem anderen Partner und die lebensbedrohliche Krankheit ihres Kindes verletzt (Randziffer 102 f.).

Anders gesprochen: Es ist überhaupt kein Problem über seine Ex-Freunde zu schreiben und sie durch den Kakao zu ziehen. Entweder verzichtet man auf Auskünfte über sie, die sie für andere eindeutig erkennbar machen. Oder man verzichtet auf detaillierte Sexdarstellungen und/oder Auskünfte über schwerste Krankheiten von Kindern und sonstige erhebliche Schwierigkeiten, die Eltern mit ihren Kindern haben.

Ich weiss wirklich nicht, wieso das Abendland durch solche Prinzipien bedroht sein soll. Eher müßte man jede Freundschaft mit einem Schriftsteller fürchten, falls der aus Enttäuschung oder Materialmangel indiskret wird und wichtige Privatangelegenheiten ausplaudert.

Die Wucht
06.11.2007, 23:15
Nein, Tristram. So kategorisch gilt das nicht. Wenn eine Figur auf der Grundlage einer echten Person geschaffen wird, diese wird zwar realitätsgetreu,aber aus einem negativen Blickwinkel gezeichnet und zur Steigerung dieses Eindrucks wird der Figur noch etwas in die Schuhe geschoben (bspw. sexuelle Belästigung von Angestellten) - dann ist das Indieschuhegeschobene eine Beleidigung in Romanform. Eine "künstlerische Transzendierung" oder Ausschmückung wäre es, wenn man die Figur eine Urlaubsreise machen lässt, die die reale Person nicht gemacht hat (um ein Beispiel zu nennen, es gäbe bessere).

Tristram Shandy
07.11.2007, 09:04
Nach wie vor gilt dann aber, dass jemand sich anmaßt, darüber zu urteilen, was "echt" und was "ausgedacht" ist. Und zusätzlich zu dieser Anmaßung wird danach auch noch mit zweierlei Maß gemessen: Das "Echte" wird kritisiert als "da hätte er sich was ausdenken müssen" und das "Ausgedachte" wird dann auf einmal kritisiert als "hinzugedichtet und nicht der Wahrheit entsprechend".

Wenn man in der Argumentation konsequent bliebe, käme man mit der "Echtheit" eh nicht weiter, selbst wenn der Autor sich um "Echtheit" bemüht hätte (hat er aber ja nicht, siehe die Fiktionsmarker). Mehr dazu unter dem Stichwort "Mimesis". Nur der radikale Fiktionsbegriff bringt einen nach vorne, und der bedeutet, dass es sich bei fiktionalen Texten nicht um die Abbildung von Wirklichkeit handelt, sondern um Texte.

Die Wucht
07.11.2007, 13:55
Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zufolge war das Problem bei der Figur der Tochter nicht alleine die mangelnden Fiktionalisierung (s.o.), sondern dass ausserdem in den entsprechenden Passagen, die echt wirkten und waren, Intimitäten über eine erkennbaren Person kund getan wurden. Für die Intimitäten wird von keiner Seite ein Echtheits- oder Wahrheitsbeweis verlangt, vielmehr wurde es vom Bundesverfassungsgericht für unzumutbar erachtet - für beide Seiten.

Mit der Anmaßung über die Entscheidung von Echt und Erfunden verhält es sich nicht ganz so radikal, wie von dir geschildert. Die zugrundeliegenden Verfahren wurden vor Zivilgerichten ausgetragen. Dort gilt der Beibringungsgrundsatz. Jede Partei muss das für sie Günstige vortragen und beweisen. Sowohl Biller mit seinem Verlag, als auch die beiden Klägerinnen haben sich eingehend über Echtes und Erfundenes geäußert (im ersten Drittel der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung weit verteilt nachzulesen, beginnend bei Randziffer 4). Da lag weniger der Streitpunkt, über den die Richter zu urteilen hatten, da die Parteien sich da weitgehend einig waren. Sondern: Dürfen in einem fiktiven Text über eine reale erkennbare Person Intimitäten über sie preis gegeben werden? Wann ist die Grenze zur "Kunst als Waffe" überschritten? Maxim Biller war vielleicht starrsinnig, vielleicht schlecht beraten, die geringfügigen Änderungen nicht vorzunehmen, die die Erkennbarkeit des Vorbildes betrafen.

Jedenfalls muss man ihm zugutehalten, dass er Künstlern und Rechtsanwendern zu einer weitreichenden Klarheit in der Frage Kunstfreiheit vs. Ehrenschutz verholfen hat. Mir ist es neu, wieviel die aktuelle Verfassungswirklichkeit es Schriftstellern ermöglicht, über erkennbare Personen in einem fiktiven Text zu schreiben ohne eine Persönlichkeitsrechtsverletzung zu beanstanden.

Ruebenkraut
07.11.2007, 21:17
Tristram (oben): "Nur der radikale Fiktionsbegriff bringt einen nach vorne, und der bedeutet, dass es sich bei fiktionalen Texten nicht um die Abbildung von Wirklichkeit handelt, sondern um Texte."
"Nach wie vor gilt dann aber, dass jemand sich anmaßt, darüber zu urteilen, was "echt" und was "ausgedacht" ist."

Wäre der Schriftsteller ganz allein oder schriebe er für seine Schublade oder für sein eigenes Seelenheil, brauchte er natürlich keine Rücksicht auf andere zu nehmen. Ist er aber in der Welt und nimmt bewusst Bezug auf sie (willst Du das in diesem Fall ernsthaft abstreiten?), dann ist das "in der Welt sein" ganz automatisch Gegenstand von solchen "Anmaßungen".
Wäre es so, dass jeder (literarische) Text axiomatisch als fiktiv anzusehen wäre (ich halte das mindestens für eine ebensolche "Anmaßung", denn Teile der Gegenwartsliteratur beruhen doch auch auf der Schwebe zwischen Realität und Fiktion), dann könnte jeder unter Berufung darauf seine persönlichen Rache- und Beleidigungsfeldzüge abziehen. Klar, man könnte auch die "Beleidigung" abschaffen oder die Persönlichkeitsrechte insgesamt. Aber der Streit ist trotzdem in der Realität. Und die Gesellschaft muss diesen Streit zwischen Autor und einer dort benannten Person irgendwie lösen.

Da wir nix besseres kennen, erscheint es mir akzeptabel, dass solche Streitigkeiten gerichtlich ausgetragen und entschieden werden (nicht also "je"mand, sondern bestimmte mände, bei mehren Instanzen sogar eine ganze Reihe bestimmter mände). Die Annahme, Personen in der Literatur müssten immer als fiktiv angesehen werden, bringt eben nicht nach vorn, sondern versucht den Streit durch Ignoranz zu umgehen - keine besonders kluge Strategie.

Stimmen
28.11.2007, 17:18
Esra ist der neue Archipel Gulag; Klagenfurt; ein realistisches Verhältnis zur Realität; Kritiker haben Gulasch im Kopf; Rainald Goetz auch + 1 häßliche Stehlampe, irgendwo hier (http://www.watchberlin.de/watchberlin/#watchberlin-content-6342-2-V) -> Sendungen -> book book

U_Sterblich
28.11.2007, 17:58
Was für ein unfassbar schwaches Interview. "Bücher bestehen aus Buchstaben und Druckerschwärze, mehr fällt mir dazu nicht ein.", sagt Biller, und der Typ so: "Ok."

Ruebenkraut
02.12.2007, 22:42
und heute in der faz druckt er dieselbe erkenntnis nochmal in sein amerikanisches tagebuch.

Sopran
02.12.2007, 23:25
Neulich schwafelte er in einer Dokumentation über die Gruppe 47.

"Meine einzige Chance ist, meine eigene Gruppe 47 zu gründen. Ich bin meine Gruppe 47. Ich muss mich selbst kritisieren."

Habe mein "Esra" bei ebay eingestellt, aber dafür habe ich es ja damals gekauft.

Ruebenkraut
03.12.2007, 00:16
mit welchem preis rechnest du?

Sopran
03.12.2007, 00:39
Die letzten gingen wohl für 200-350 Euro weg.

Ruebenkraut
03.12.2007, 23:43
ja, da kannst du dann richtig schön essen gehen davon. dank maxim biller!
apropos: wäre das nicht eine schöne geschäftsidee. skandalbuch schreiben, verbieten lassen und die reste dann nach und nach auf den ebayflohmarkt verticken?