George Duck
10.03.2003, 13:17
Es war Sommer, Ende der Neunziger, die Internet-Wirtschaft boomte und ich hatte einen unglaublich lukrativen Job bei einer Multimediaagentur. Für diese schrieb ich Texte, in diesem Fall: die Geschichte der Band "Zillertaler Schürzenjäger" in fünfundzwanzig Teilen. Die "Zillertaler Schürzenjäger" sind eine sog. Alpenrock-Band, die sich (wenn ich mich recht erinnere) in den Siebziger Jahren zusammengefunden hat, um in den Touristenlokalen des Zillertals den einen oder anderen Schilling zu verdienen. Und auch wenn von Euch noch nie jemand von denen gehört haben sollte - glaubt mir: jetzt sind sie sehr sehr erfolgreich.
Ich hatte sagenhafte 300 Mark für jede Folge ausgehandelt. Bewaffnet mit einem Zillertaler-Fanbuch und einigen Joints sass ich auf dem Balkon und hackte eine Folge nach der anderen herunter. Die Texte sollten auf einer
neuen Schürzenjäger-Homepage erscheinen und den Besuchern die Tage bis zum großen Zillertaler-Open-Air am Walchsee in Österreich verkürzen. Nie wieder habe ich so leicht so viel Geld verdient.
Beziehungsweise: doch. Bei eben jenem Konzert nämlich. Dieses sollte - zum ersten Mal überhaupt - live im Internet übertragen werden. Und ich sollte dabei mithelfen. Zu einem Tagessatz von 600 Mark plus Spesen. Am Samstagabend sollte das Konzert stattfinden. Am Mittag war es drückend heiss. Tausende Schürzenjäger-Fans hatten sich bereits eingefunden, Tausende standen noch im Stau. Praktisch alle trugen pinkfarbene T-Shirts mit Schürzenjäger-Aufdruck, viele mit dem aktuellen Slogan der Band "Hey Mann!" Praktisch alle waren völlig besoffen. Die Multimedia-Agentur hatte einen riesigen Konferenzbus mit Klimaanlage und Ledersitzen gechartert und mit digitaler Technik vollgestopft. Der parkte an der Stichstrasse zum See. Direkt daneben war ein Bierzelt aufgebaut. Happy Hour ab 10 Uhr vormittags.
Vor dem Hitechbus standen einige Plastikstühle, ein Tisch und ein Sonnenschirm. Da es noch nicht wirklich viel für uns zu tun gab, lungerten meine Multimediakollegen und ich meistens da draussen herum. Die Gartenmöbel standen auf einem roten Teppich. Das war deshalb bemerkenswert, weil dieser rote Teppich wie ein Zaun wirkte. An uns prozessierten Horden von Schürzenjägerfans vorüber, manche blieben stehen und bestaunten den "suppa Bus", andere urinierten ins benachbarte Gebüsch - aber niemand betrat den roten Teppich. Wir dösten.
Am Nachmittag wurde ich unsanft aus meinem Sommerschlaf geweckt. Eine Horde von Motorradrockern in Lederkluft näherte sich. Sie blieben direkt bei uns mit laufenden Motoren stehen. Es waren vielleicht fünf Harley Davidsons. Einen Moment schienen die Fahrer unschlüssig. Schliesslich rollte der Anführer, also der, der ganz vorne gefahren war, mit seinem Motorrad auf den roten Teppich vor, machte den Motor aus und stieg ab. Die anderen machten es auch so. Missmutig blinzelten wir sie an. Was hatten diese Typen hier verloren?
Ich befand mich noch im Halbschlaf (man bedenke auch die Hitze!) und war sauer, aus meiner Mittagsruhe geholt worden zu sein. Noch dazu von Schürzenjägerfans. Grimmig, halb liegend, richtete ich das Wort an die Rockergang: "He Jungs, das ist keine so gute Idee, hier auf dem Teppich zu parken. Wir wollen hier unsere Ruhe." Sie reagierten nicht. Sie taten einfach so, als hätten sie mich nicht gehört. Mir reichte es jetzt. Schürzenjägerfans! Ich stand auf und ging hin. "Hallo, würdet Ihr bitte hier verschwinden? Das Konzert ist da hinten. Hier ist kein Parkplatz."
Da sah mich der Oberrocker an und sagte ganz ruhig: "Schon gut, Kleiner. Weisst Du, wer ich bin? Ich bin Dein Boss. Ich bezahle hier alles." Die anderen Rocker lachten. Ich hatte keine Ahnung, wer er war und was er meinte. Trotzdem trollte ich mich. Mit dem Typen, der alles zahlte, wollte ich es mir nicht verderben. Dafür zahlte er zu gut.
Die Motorradrocker standen noch ein wenig herum, als würden sie auf etwas oder jemanden warten. Nach einer Viertelstunde schwangen sie sich wieder auf ihre Harleys und fuhren davon.
Später hat dann ein Typ von der Multimediaagentur gefragt, wer von uns denn vorher den Parkplatzwächter gespielt habe? Der, den ich da vertreiben wollte, das sei Thomas M. Stein gewesen, der BMG-Boss, unser Auftraggeber.
Ich hatte sagenhafte 300 Mark für jede Folge ausgehandelt. Bewaffnet mit einem Zillertaler-Fanbuch und einigen Joints sass ich auf dem Balkon und hackte eine Folge nach der anderen herunter. Die Texte sollten auf einer
neuen Schürzenjäger-Homepage erscheinen und den Besuchern die Tage bis zum großen Zillertaler-Open-Air am Walchsee in Österreich verkürzen. Nie wieder habe ich so leicht so viel Geld verdient.
Beziehungsweise: doch. Bei eben jenem Konzert nämlich. Dieses sollte - zum ersten Mal überhaupt - live im Internet übertragen werden. Und ich sollte dabei mithelfen. Zu einem Tagessatz von 600 Mark plus Spesen. Am Samstagabend sollte das Konzert stattfinden. Am Mittag war es drückend heiss. Tausende Schürzenjäger-Fans hatten sich bereits eingefunden, Tausende standen noch im Stau. Praktisch alle trugen pinkfarbene T-Shirts mit Schürzenjäger-Aufdruck, viele mit dem aktuellen Slogan der Band "Hey Mann!" Praktisch alle waren völlig besoffen. Die Multimedia-Agentur hatte einen riesigen Konferenzbus mit Klimaanlage und Ledersitzen gechartert und mit digitaler Technik vollgestopft. Der parkte an der Stichstrasse zum See. Direkt daneben war ein Bierzelt aufgebaut. Happy Hour ab 10 Uhr vormittags.
Vor dem Hitechbus standen einige Plastikstühle, ein Tisch und ein Sonnenschirm. Da es noch nicht wirklich viel für uns zu tun gab, lungerten meine Multimediakollegen und ich meistens da draussen herum. Die Gartenmöbel standen auf einem roten Teppich. Das war deshalb bemerkenswert, weil dieser rote Teppich wie ein Zaun wirkte. An uns prozessierten Horden von Schürzenjägerfans vorüber, manche blieben stehen und bestaunten den "suppa Bus", andere urinierten ins benachbarte Gebüsch - aber niemand betrat den roten Teppich. Wir dösten.
Am Nachmittag wurde ich unsanft aus meinem Sommerschlaf geweckt. Eine Horde von Motorradrockern in Lederkluft näherte sich. Sie blieben direkt bei uns mit laufenden Motoren stehen. Es waren vielleicht fünf Harley Davidsons. Einen Moment schienen die Fahrer unschlüssig. Schliesslich rollte der Anführer, also der, der ganz vorne gefahren war, mit seinem Motorrad auf den roten Teppich vor, machte den Motor aus und stieg ab. Die anderen machten es auch so. Missmutig blinzelten wir sie an. Was hatten diese Typen hier verloren?
Ich befand mich noch im Halbschlaf (man bedenke auch die Hitze!) und war sauer, aus meiner Mittagsruhe geholt worden zu sein. Noch dazu von Schürzenjägerfans. Grimmig, halb liegend, richtete ich das Wort an die Rockergang: "He Jungs, das ist keine so gute Idee, hier auf dem Teppich zu parken. Wir wollen hier unsere Ruhe." Sie reagierten nicht. Sie taten einfach so, als hätten sie mich nicht gehört. Mir reichte es jetzt. Schürzenjägerfans! Ich stand auf und ging hin. "Hallo, würdet Ihr bitte hier verschwinden? Das Konzert ist da hinten. Hier ist kein Parkplatz."
Da sah mich der Oberrocker an und sagte ganz ruhig: "Schon gut, Kleiner. Weisst Du, wer ich bin? Ich bin Dein Boss. Ich bezahle hier alles." Die anderen Rocker lachten. Ich hatte keine Ahnung, wer er war und was er meinte. Trotzdem trollte ich mich. Mit dem Typen, der alles zahlte, wollte ich es mir nicht verderben. Dafür zahlte er zu gut.
Die Motorradrocker standen noch ein wenig herum, als würden sie auf etwas oder jemanden warten. Nach einer Viertelstunde schwangen sie sich wieder auf ihre Harleys und fuhren davon.
Später hat dann ein Typ von der Multimediaagentur gefragt, wer von uns denn vorher den Parkplatzwächter gespielt habe? Der, den ich da vertreiben wollte, das sei Thomas M. Stein gewesen, der BMG-Boss, unser Auftraggeber.