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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Buchholz, Horst



DonDahlmann
04.03.2003, 01:23
Irgendwie schreibe ich in letzter Zeit nur noch Pappen-Geschichten über Leute, die gerade gestorben sind. Liegt daran, dass man einfach zu schnell vergisst. Dabei waren es teilweise sehr schöne Begegnungen. Manche aber wollte ich einfach vergessen. Vielleicht, weil das Bild, das man durch die Filme bekommen hat, einfach zu schön ist, und das, was man gesehen hat, zu traurig war.

Der Film war eine Qual. In der abgedunkeltem Ex-Fabrikhalle in Altona drängten sich die Kollegen. Aber "Die Schreckensfahrt der Orion Star" war genau das: eine filmische Katastrophe, eine lieblose Action-Schmonzette, produziert für die ARD. Und während da Horst Buchholz, Martin Sheen, Brain Dennehy und Michael Ironside über die Leinwand torkelten, war einem das als Betrachter unglaublich peinlich. Man sitzt da, kann das alles nicht fassen und rutscht unruhig auf dem Plastikgestühl rum. Fremdschämen galore. Waren die letztgenannten immerhin noch gut bei Futter, sah Buchholz schon auf der Leinwand aus, wie der Tod persönlich. Keine Aura, keine Ausstrahlung, das schiefe Grinsen, der leicht verschlagene Blick - alles weg. Und wenn er sich in einer Szene irgendwo festhielt, dann dachte man sich schon, dass das keine Regie- sondern eine Lebensanweisung war, damit er nicht umfällt.

Na gut, dachte man. Bei dem Film würd ich als Schauspieler auch so schauen, aber man kann das ja auch verstehen, wenn Schauspieler älter werden, und die Rollen knapp, dann dreht man auch mal sowas. Curd Jürgens hat das ja auch gemacht, Anfang der 70er, als keiner mehr was von ihm wissen wollte. Da drehte er merkwürdige Filme, die auf der Reeperbahn spielten, und deren Inhalt daraus bestand, dass ab und an mal ein ein paar Brüste über die Leinwand wippten.

Aber ich freute mich auch mit einer echten Legende sprechen zu können. Jemand der mit Romy Schneider, Gustav Knuth, Gert Fröbe, Mario Adorf, Yul Brynner, Steve McQueen, Charles Bronson, James Coburn, James Cagney, Bette Davis, Anthony Quinn, Orson Welles, Ed Harris und Roberto Benigni gedreht hat, ist eine Legende, auch wenn seine großen Erfolge ein wenig her waren und er Filme mit Titeln drehte, die einen schon schlimmes ahnen ließen.
Eine überings nicht leichte Situation in einem Interview. Man weiß ja, dass so Leute nicht blöd sind, und das sie mal in den "Glorreichen Sieben" eine Hauptrolle hatten, und das sie deswegen sehr genau wissen, was ein guter, und was ein schlechter Film ist. Aber versucht man den Film zu umgehen, kann es sein, dass sie beleidigt sind. Das gleiche Problem gilt für frühere Erfolge. Weglassen oder ansprechen? Erinnerung an die gute, alte Zeit, oder lieber fröhliches nach vorne schauen?

Ich war mit meinen Überlegungen nicht wirklich weiter, als ich reingebeten wurde. Ein karger, heller, weißer Raum, in dessen Mitte ein riesiges Zahnrad lag. Dahinter hatte man einen einfachen weißen Tisch gestellt, zwei Stühle, und ein großer Aschenbecher, der schon gut gefüllt war. Horst Buchholz stand augenblicklich auf, umrundete den Tisch und ging ein, zwei Schritte auf mich zu, um mich zu begrüßen. Eine Geste, die mich hätte freuen sollen, wäre ich in dem Moment nicht so erschrocken. Der Mann bestand nur noch aus Knochen. Die Hosen waren mal gut geschnitten und teuer, aber sie hatten einfach keine Chancen an diesen winzigen, spindeldürren Beinen, und so sehr das Sakko auch an den Schultern gepolstert war, es konnte nicht verbergen, dass die Schultern scharf in den Stoff stachen. Es war ein klapperdünnes Männchen, und die eingefallenen Wangen machten da auch nichts mehr aus. Das einzige, was an ihm lebendig schien, waren seine Haare. Grau zwar, aber immer noch voll und stark, schienen sie immer noch genauso frisiert wie damals in "Halbstark".
Ich sah einen Kopf, der auf einen winzigen, fragilen Körper geschraubt war, und fast schien es während des Interviews, als fehle dem Körper hier und da die Kraft, den Kopf oben zu behalten. Manchmal pendelte er leicht, manchmal schien er nach hinten zu fallen. Eine Bewegung, die Buchholz dann ruckartig korrigierte, so das seine Haare ein wenig in Unordnung gerieten, was er aber sogleich mit einem geübten Handbewegung wieder in Ordnung brachte. Ich hatte einen Weltstar erwartet, einer der in Anbetracht seiner Lebensleistungen stolz war. Aber er erschein mir als schwacher, leiser Mensch, der mit gedämpfter Stimme und fast ängstlich sprach, bei dem man das Gefühl hatte, einem geprügelten, alte Mann gegenüber zu sitzen. Erst später wurde mir klar, dass er einfach keine Lust mehr hatte. Keine Lust solche Filme zu drehen, keine Lust deswegen auch noch Interviews geben zu müssen, keine Lust in einem dämlichen Raum zu sitzen. Alles an ihm schien Verzweiflung und die Zigaretten waren sein Trost

Wir sprachen ein wenig über den schrecklichen Film, verliessen das Thema aber schnell und als er sich nach 15 Minuten die dritte Zigarette anzündete, konnte ich nicht mehr warten. Ob er denn immer so viel rauchen würde, frug ich ungelenkt und sofort war mir die Frage und die Formulierung peinlich. Sowas profanes. Er aber wurde ein wenig munter, nickte fröhlich und sagte listig: "Ja, ich bin jetzt 66. ich rauche seitdem ich 15 bin. Mein Arzt hat mir gesagt, wenn ich aufhören würde, würde das mein Körper nicht überleben. Klasse, was". Er grinste einmal dieses Buchholz Grinsen um dann wieder mit seinem pendelten Kopf zu kämpfen. Während des Gespräches fiel mir auf, das er zyklisch munter wurde. Kaum war die Zigarette an, und die ersten zwei Züge in der Lunge, lebte er ein wenig mehr. Der Kopf pendelte weniger, die Stimmme wurde fester und schneller und Bewegungen energischer. Gegen Ende der Zigarette war dann alles wieder normal, bis er ca. zwei Minuten später die nächste anzündete. Auch seinen Augen machten den gleichen, wenn auch abgeschwächt, Zyklus mit. Ohne Zigarette fast tot und leer, mit ein leichtes Blitzen und sowas wie Freude. Seine einzige Wonne schien nur noch daraus zu bestehen, sich mit Marlboro Lights umzubringen.

Er sprach dann selber ein paar Worte über sein Leben und seine Vergangenheit. Das er immer mit der gleichen Frau zusammen war. Das er sie nie betrogen hatte, und dass dies wohl daran liegen würde, dass sie sich auch nach der Hochzeit noch siezen würden und keine gemeinsame Wohnung hätten. Dabei wedelte er mit den dünnen Ärmchen in der Luft herum, was ein wenig traurig aussah. Die gestärkten Hemdsärmel schlackerten wild und gaben den Blick fast bis zu Ellebogen frei und ich erhaschte einen Eindruck davon, wie das ist, wenn man sagen kann, dass die Haut wie Pergament aussieht und man jeden Moment Angst haben muss, dass sie reißt und wie eine alten Schlangenhaut abfällt.

Am Ende des Interviews begleitete er mich zur Tür. Ein Gentleman eben, und der Händedruck war für einen kurzen Moment fest, bevor er seine Hand fast leblos zurückzog. Ich ging ein paar Schritte aus der Tür, die offen blieb und drehte mich aber noch einmal um. Da stand er dann, wieder in Rauchschwaden gehüllt, die Schultern weit nach vorne gezogen und starrte aus dem Fenster.

Walter Schmidtchen
04.03.2003, 01:34
Ich hatte mal eine kleine Band, das neunte Lied ihrer ersten CD von 1994 heisst: "Horst Buchholz: le tout est de trouver une diversion à son ennui".
Die CD war die schlechtverkaufteste oder schlechtestverkaufte des Labels, dessen Boss immerhin Falco entdeckte.

Lilaxista
04.03.2003, 01:44
+++

Und für diesen Menschen hab ich 5 Punkte kassiert. Ich schäme mich so.

+++

mit Trauerbinde 1, 2, 3, ... ab

Der Admiral
04.03.2003, 10:50
Der Hotte. Passé.
Aber immerhin durfte er den Don treffen.

joq
04.03.2003, 11:27
Kann einer vielleicht mal sagen, dass das hier ein wunderbarer Text war? Muss ich das wieder tun? Gottjemine.

Der Admiral
04.03.2003, 13:19
Ein selten schöner Nachruf von Harald Martenstein (http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/04.03.2003/463233.asp)

Klingeltonk
04.03.2003, 13:57
Schön, der Tagesspiegel-Nachruf, aber ein noch viel schönerer Nachruf ist die Geschichte vom Don.

Klede
04.03.2003, 14:16
Ich war nie grosser Horst Buchholz Fan. Ganz furchtbar war er in "Die Glorreichen Sieben", wo er so unglaublich uebertrieb, dass er in jedem Stummfilm unangenehm aufgefallen waere. Besser funktionierte das in "Eins, Zwei, Drei", weil es da zu seiner Rolle passte, aber das war doch eher Casting- als wirkliche Schauspielleistung.

Lilaxista
04.03.2003, 14:19
Du bist halt keine Frau.

Lilaxista
04.03.2003, 14:24
Er hatte nämlich einer sehr schöne Stimme, ich verweise nur auf seine Sprecherrolle bei der Hörspielversion von 'Cap und Capper'.
Mir ewig unvergesslich seine über düstere Disney-Musik hinweg gesprochenen Sätze:
"Graue Nebel krochen durch den Wald und gaben ihm ein eigentümlich unheimliches Aussehen. Die Bäume schienen schwarz zu sein, alles war still...morgenstill. Da, plötzlich! Ein Bellen, ein Jagen...(...) Doch die Meute verfolgte die Füchsin erbarmungslos. Ein Schuss! Kreischende Krähen fuhren erschreckt hoch - ein Leben wurde ausgelöscht..."
Ich werd da schwach.

Klede
04.03.2003, 14:28
Eine gute Stimme hatte er, das stimmt, wenn er nicht schrie. Oft schrie er ja, das klang dann furchtbar. Und dann musste er auch noch in dem schrecklichen Nazikitschfilm mitspielen, von dem verrueckten Italiener, wahrlich kein schoener Abgang. Tut mir leid, der Mann.

Herr Weber
04.03.2003, 15:07
Er siezte seine Frau noch nach der Hochzeit - Das gefällt mir!

joq
04.03.2003, 15:12
Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps!

Reno Schmittchen
04.03.2003, 20:05
Ích mochte Buchholz in "Mompti", mit Romy Schneider, und ich setzte mich oft auf die gleiche Treppe im Jardin du Luxembourg wie die Beiden und kuckte den Joggern zu, die achtlos daran vorbei schnürten. "Hier saßen einmal Horst Buchholz und Romy Schneider" dachte ich dann immer. Muss mal wieder hin.

Walter Schmidtchen
04.03.2003, 20:20
Herr Schmittchen, Sie haben Atome von Romy Schneider und Horst Buchholz! Durch den Po aufgenommen, nach der Flann O Brien Methode

Ignaz Wrobel
04.03.2003, 20:35
Klasse Bericht vom Don. Ich finde, Buchholz sah in den letzten Jahrzehnten immer so aus als ob er was verbergen würde. Gestorben an Lungenentzündung. Stirbt man daran allein noch? Oder eher an allgemeiner Immunschwäche, bzw. Aids? Ach, ist ja auch egal. Ein Leben lang mit der selben Frau und sich siezen, nobel.

Reno Schmittchen
04.03.2003, 20:59
Herr Schmidtchen, danke für den Hinweis! Und dann habe ich auch Flann O´Brien Atome! Denn wo ich in Köln so überall rumsitze...

Walter Schmidtchen
04.03.2003, 21:07
Flann O saß in Köln?
Ich hab Stefan Raab Atome, weil ich mal auf Tristls Stuhl saß, kann ich die gegen Flannos eintauschen, Schmittchen?

Lilaxista
04.03.2003, 21:14
Also ich hab mal mit jemandem gefickt, dessen Vater auf Einsteins Lehrstuhl in Princeton hockt. Schlage ich deswegen gerade neue Wege in der Zahlentheorie ein?

Lilaxista
04.03.2003, 21:19
Ich fand übrigens, dass Horst Buchholz auf den letzten Ablichtungen, die ich von ihm sah, sehr gehetzt aussah. Es gibt da ja so ein Credo, dass die Beutetiere große Ohren haben, die Jagdtiere dagegen große Augen, sowas macht mir Angst, wenn es auch stimmen mag.

(Und irgendwie fühle ich mich dem Herrn Buchhoolz gerade sehr verpflichtet, vielleicht weil ich ihn auf meiner Liste hatte... Das sollte Usus werden, dass man eine Todes-Patenschaft auf denjenigen übernimmt, dem man das Ableben vorher nimmt)

Reno Schmittchen
04.03.2003, 21:39
Herr Schmidtchen, Flann O' Brien "studierte Gälisch, klassische Philosophie und Deutsch in Dublin und Köln", wie ich las. Ist aber schon lange her, vielleicht hatte die R.A.F. auch alles weggebombt und ich habe jetzt Bomber Harris Atome in mir. Was mir nicht so recht wäre.

P.S. Sinds mir net bös, aber Stefan Raab Atome mag ich nicht mal am Hintern haben.