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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schürmann, Petra / Vogel, Hans-Jochen / Genscher, Hans-Dietrich und seine Frau



George Duck
28.02.2003, 20:14
Vor einigen Jahren, ich studierte damals in München an der dortigen Journalistenschule, hatte ich eine Freundin, die ständig ausgehen wollte. Und mit ausgehen meine ich nicht etwa, dass wir uns dann in eine gemütliche Kneipe gesetzt hätten um zwei bis drei feine helle Biere zu trinken bei einem gepflegten Gespräch. Nein, sie wollte Kultur.

Dagegen wäre ja nichts einzuwenden gewesen, hätte sie nicht einen - wie soll ich sagen - sehr weit gefassten Kulturbegriff gehabt. Vor allem das gesprochene Wort hatte es ihr angetan. Dichterinnenlesungen und so. Oder Kabarett. Letzteres sollte es auch jenem Abend sein, den ich hier beschreiben will. Sie hatte in der Zeitung einen Veranstaltungshinweis gesehen: Auf der Bühne der Hochschule für Musik in München sollte es einen Auftritt der Kabarettgruppe "Die Wasserwerker" geben.

Was ich damals nicht wusste: "Die Wasserwerker" waren nicht irgendeine hergelaufene Witzcombo, weit gefehlt. "Die Wasserwerker" waren (und sie sind es noch) die offizielle Kabarettgruppe des Deutschen Bundestages, soll heissen: sämtliche Darsteller sind Laien und im Hauptberuf Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen. Eine Menge anderer Leute müssen das gewusst oder vielmehr geahnt haben. Jedenfalls war der Zuschauerraum, als wir kamen, fast leer. Vielleicht zwanzig Leute waren da. Und wir kamen sehr pünktlich, kurz nach acht, fast schon zu spät.

Trotzdem begann die Vorstellung nicht. Als es bereits Viertel nach acht war, dachte ich schon, wir hätten uns vielleicht getäuscht und hier liege ein Irrtum vor. Ich glaube, ich sagte meiner Freundin auch etwas in dieser Richtung und wollte schon nach meinem Mantel greifen, um das Theater zu verlassen. Sie, genervt von meinen ihr wohlbekannten Fluchttendenzen, reagierte nicht und starrte stattdessen gebannt auf die noch geschlossenen rotsamtenen Vorhänge, als sei die Vorstellung in vollem Gange.

Endlich, gegen zwanzig nach acht, passierte etwas. Allerdings nicht etwa auf der Bühne. Ein Raunen ging durch die Menge bzw. das Häuflein: neue Gäste waren gekommen. Ich sah mich um, und mit einem Schlag war mir der Grund der Verzögerung klar. Wer da mit erheblicher Verspätung eingetroffen war? Hans-Dietrich Genscher mit Gattin, dazu Hans-Jochen Vogel, die SPD-Legende. Sie setzten sich drei Reihen vor uns hin. Und schon ging die Vorstellung los.

Ein Mann mit einer Fliege begrüsste voller Respekt die Zuspätgekommenen und erläuterte dann für das Publikum, um was für eine Art von Kabarettgruppe es sich bei den "Wasserwerkern" handelte. Mir schwante Schreckliches.

Muss ich beschreiben, wie herzzerreissend schlecht die Darbietung der humorbemühten Parlamentarier gewesen ist? Wohl kaum. Es wäre auch nicht möglich, an dieser Stelle das volle Ausmass der Langeweile zu beschreiben, die mich nach kurzer Zeit umfing. Ehrlich geschrieben: ich weiss eigentlich gar nicht mehr, um was es im Einzlenen ging. Mir schwant, unter anderen se eine Gießkanne ein Requisit gewesen. Der zugehörige Sketch hatte etwas mit blühenden Landschaften zu tun.

Endlich gab es eine Pause. Beim Hinausgehen sah ich noch eine weitere prominente Person: Petra Schürmann, die ehemalige Miss World von vor vielen vielen Jahren. Ich holte uns ein Glas Sekt (also meiner Freundin und mir, nicht Frau Schürmann) und so standen wir dann im Foyer herum. Die Anwesenheit der Prominenten in Verbindung mit der verschwindend geringen Zahl der Besucher verlieh dem, was eigentlich ein verschwendeter Abend war, eine besondere Atmosphäre: wir beide im Kreis dieser wichtigen Menschen, das hatte schon was. Ich berichtete meiner Freundin, dass ich gerade Petra Schürmann gesehen hatte.

"Ach, war die nicht mal Miss World?", fragte sie.
"Ja", sagte ich, "aber wenn Du sie Dir jetzt ansiehst: die hat wahrlich schon bessere Tage gesehen, die alte Wachtel."

Ich weiss, das war unfein. Geradezu gehässig. Ich wusste es in dem Moment, als ich es gesagt hatte. Hinter mir hustete jemand heftig. So ein Husten, das man manchmal aus Nachbarwohnungen hört und wobei man sich dann denkt: der machts auch nicht mehr lange. Das Husten wollte nicht Abklingen, es wurde immer heftiger, ein gar schreckliches, ein schlimmes, tiefes, ungesundes Husten. Ich drehte mich um.

Vor mir, vielleicht einen Meter entfernt, standen Petra Schürmann, Hans-Jochen Vogel, Hans-Dietrich Genscher und seine Frau. Schürmann starrte mich an, als wolle sie mich im nächsten Moment umbringen. Oder sich. Sie hatte meine Bemerkung gehört, soviel war klar.

Schlimmer stand es jedoch um Hans-Jochen Vogel, die SPD-Legende. Er hustete und hustete und hustete. Besorgt beugte sich Hans-Dietrich Genscher zu ihm herüber, legte ihm den Arm um die Schulter, tätschelte. Der Husten hörte kurz auf, setzte wieder ein. Es klingelte. Die Pause war vorbei. Die Prominenten schritten an uns vorbei zu ihren Plätzen - nicht, ohne mich keines Blickes gewürdigt zu haben.

Die Vorstellung ging weiter, aber es war nicht mehr dasselbe. Immer wieder hustete Hans-Jochen Vogel laut und aus der Tiefe seiner geschundenen Lunge. Besorgt hielten die kabarettierenden Parlamentarier ein, wiederholten Sätze, damit ihr prominenter Gast den Witz vielleicht doch noch verstünde, der Witz ihn vielleicht von seinem Husten erlöse. Doch Vogel hustete weiter.

Schliesslich, mitten in einem Lied der "Wasserwerker", erhoben sich Hans-Jochen Vogel, Hans-Dietrich Genscher und seine Frau und gingen zum Ausgang. Genscher hatte den Arm um Vogel gelegt, es ging ihm schlecht. Er musste raus. Petra Schürmann war nicht dabei, die sass wohl woanders.

Bald danach trennte sich meine Freundin von mir, um eine Beziehung mit einem Redakteur des Bayerischen Rundfunks anzufangen.

bangen
28.02.2003, 20:26
Sehr wahr, Genscher ist ein Arm um die Schulter Leger und Tätschler.

Klede
28.02.2003, 20:30
George Duck, auch das ist wieder schoen. Ich musste nicht so lachen wie beim Jauch, aber egal. Petra Schürmann geriet doch waehrend des Golfkrieges in die Schlagzeilen, weil sie, als sie das Programm ansagte, irgendeine Fantasieuniform trug. Empoerte Lehrer riefen daraufhin beim Sender an, wenn ich mich recht erinnere.

Herr Weber
28.02.2003, 21:37
Ich musste dieses Mal noch mehr lachen als bei Jauch. Ich muss gestehen, laut gelacht zu haben. Und zwar mehrfach. Ich verlange, dass Herr Duck ab sofort jeden Tag eine Geschichte niederschreibt. Ich glaube, er hat noch einiges auf Lager.

Der Admiral
01.03.2003, 04:27
Ich verlange das auch.

Klingeltonk
01.03.2003, 08:29
Potztausend, Herr Duck!

Petra Schürmann gehörte doch auch zum Rateteam von Was bin ich. Wenn ich mich nicht ganz irre, besetzte sie den rechten Flügel. Beim Beruferaten war sie ganz schlecht, und Guido mußte es immer rausreißen, wenn sie sich bei 8 Fünfern schon wieder verfragt hatte. Nur beim Prominentenraten war sie ganz gut, das Worldluder.

PeterLu
01.03.2003, 12:30
Blühende Landschaften, und das ganz ohne Giesskanne! Pauschalhaderer schreiben einfach die besten Geschichten, so ist es wohl.

windstad
02.03.2003, 17:38
Petra Schuermann bei "Was bin ich" ?
Das war doch wohl Marianne Koch, nicht wahr.

Klingeltonk
03.03.2003, 08:02
Da haben Sie natürlich recht. Mein altes Marianne Koch - Petra Schürmann - Problem. Ich hab dann noch ein Kirk Douglas - Burt Lancaster - Problem, aber die saßen ja nicht bei Wasbinich.

rupertjahn
04.11.2003, 15:57
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, George Duck.

lost in translation
13.02.2006, 17:29
Haetten sowohl Petra Schuermann und Marianne Koch bei "Was bin ich" mitgeraten, waere das wohl nicht gut gegangen - hatte denn nicht Petra Marianne den Ehemann ausgespannt ?

In diesem Zusammenhang faellt mir natuerlich ein, dass ich Anfang der 90er Jahre mal Hans Sachs, den ratenden Staatsanwalt aus "Was bin ich" in der Nuernberger Nordstadt im Lidl Markt getroffen habe (nun ja, er stand vor mir an der Kasse). So mit Fliege und Anzug - ganz genau wie er immer auf dem Fernsehschirm erschien. Der Annett und dem Guido dagegen bin ich nie begegnet.

Thersites
01.04.2016, 14:30
Genschwuchtpunkt