George Duck
27.02.2003, 16:02
Vor vielen Jahren wollte ich Journalist werden und tat, was sich da anbietet: ich bewarb mich an einer Journalistenschule. Und zwar an der in München. Sie heisst Deutsche Journalistenschule. Früher hiess sie einmal "Werner-Friedmann-Institut", nach dem Gründer der Münchner Abendzeitung, aber nachdem Herr Friedmann immer mal wieder mit blutjungen Volontärinnen Ungehöriges getrieben hatte, und das auch noch an die Öffentlichkeit geraten war ... nun ja, das ist eine andere Geschichte. Und jetzt heisst sie eben anders.
Damals musste man, um dort aufgenommen zu werden (und heute ist das wohl auch noch so) zunächst in Heimarbeit eine kleine Reportage schreiben. Wer das nach dem Geschmack der Prüfungskomission gut gemacht hatte, wurde zum zweiten Teil des Aufnahmetests nach München geladen. Zunächst galt es da, bekannte Pressefotos des letzten Jahres korrekt einzuordnen (ich verkannte, da er keinen Rodel dabei hatte und auch sein Sponsorenstirnband nicht, Schorsch Hackl, was ich aber nicht gerade bedauerte - mit Hackl hatte ich schon einmal ein unangenehmes Erlebnis gehabt, das vielleicht an anderer Stelle eine Schilderung erfährt). Dann musste man einen Allegemeinwissenstest bestehen. Dann musste man noch eine kleine Reportage schreiben (als Beweis, dass man die erste selbst geschrieben hat). Und am nächsten Tag folgte dann ein Gespräch mit einer achtköpfigen Jury.
Aufmerksame Leser der Überschrift ahnen bereits: hier kommt Günther Jauch ins Spiel. Jauch ist nämlich selbst Absolvent dieser Schule, unterrichtete dort auch und wirkte an der Auswahl künftiger Schüler mit.
Der damals schon sehr bekannte Moderator sass da als fünfter von links. Ich sass den acht gestandenen Journalisten gegenüber, neben mir zwei Konkurrenten. An den einen kann ich mich nicht mehr erinnern. Er sagte, glaube ich, gar nichts, die ganze Viertelstunde nicht. Der andere Konkurrent war eine junge Frau. Sie hatte in ihrem Lebenslauf, der der Jury vorlag, offenbar geschrieben, dass ihre Eltern einen Friseurladen haben. Darauf von der Vorsitzenden der Jury angesprochen, plapperte sie gleich los: "Ja man kann sagen dass ich aus einer Friseurdynastie stamme und daher von Haus aus neugierig bin was ja eine ganz wichtige Voraussetzung für den Journalistenberuf ist und man muss ja auch da immer auf dem neuesten Stand sein und die Leute unterhalten und natürlich Bescheid wissen nicht nur über Frisuren sondern auch über das tägliche Dies und Das was die Menschen eben so beschäftigt." Und so weiter.
Es war schrecklich. Ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren. Schlimmer allerdings als das Gerede meiner Mitbewerberin war das irritierende Aussehen von Günther Jauch. Augenscheinlich hatte er in der vergangenen Nacht nicht viel Schlaf gefunden. Es war ein warmer Apriltag, die Sonne schien durch eine Lamellengardine, und Günther Jauch drohte wegzudösen. Immer wieder senkten sich seine Augenlider, immer wieder riss er sie dann auf, wenn sie fast ganz geschlossen waren. Als ich dieses sehr eigentümliche Augenklappern einige Zeit beobachtet hatte, fielen mir seine Ohren auf. Man kann es im Fernsehen nicht sehen - weiss der Teufel, wie sie das anstellen. Aber Günther Jauch hat das, was man, glaube ich, Blumenkohlohren nennt. Sie sind auf eine ganz seltsame Art und Weise verschrumpelt, dazu aber extrem abstehend. Von hinten schien die warme Frühlingssonne durch das Fenster und auch durch Günther Jauchs Ohren. Es war unerträglich komisch. Es war wie eine Herausforderung: seht, das sind meine Ohren, ja, so sehen sie aus, doch wehe wehe, ich sage Euch: verlacht Ihr sie, meine Schrumpelohren, werdet Ihr dies Institut niemals mehr betreten!
Ich versuchte, mich zusammenzureissen. Ich wusste, gleich würde ich sprechen müssen, und ich würde lachen. Sicher. Meine Nachbarin redete gerade von der Kommunikationsbereitschaft ihrer Kunden und auch der Kundinnen und vor allem ihrer eigenen. Da griff sich Günther Jauch, Augenlider auf Halbmast, ein Stück Mohnkuchen, das da auf einem Teller vor ihm lag, sperrte den Mund auf und schob das ganze Teil auf einmal in denselben, um dann zurückzusinken und zu kauen, müde, krumpelohrig.
Die Vorsitzende der Jury richtete das Wort an den anderen Kandidaten, der da schweigend sass. Warum er denn Journalist werden wolle? "Naja", sagte der Typ, dann fiel ihm nichts mehr ein. Der Arme. Es ging ihm wohl wie mir. Ich konnte meine Augen nicht von dem Schauspiel Günther Jauchs abwenden. Er hatte jetzt geschluckt und sass zusammengesunken da, nun verdauend, halb schlafend. Die Juryvorsitzende sagte: "Na gut, dann zu Herrn Duck."
Da erwachte Günther Jauch plötzlich aus seinem Verdauungsschlaf. Er stand unvermittelt auf, ging zu der Juryvorsitzenden und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie nickte. Dann verabschiedete er sich kurz von seinen Jurykollegen, mit einem Kopfnicken auch von uns Kandidaten. Und weg war er.
Ich bin dann doch noch angenommen worden.
Damals musste man, um dort aufgenommen zu werden (und heute ist das wohl auch noch so) zunächst in Heimarbeit eine kleine Reportage schreiben. Wer das nach dem Geschmack der Prüfungskomission gut gemacht hatte, wurde zum zweiten Teil des Aufnahmetests nach München geladen. Zunächst galt es da, bekannte Pressefotos des letzten Jahres korrekt einzuordnen (ich verkannte, da er keinen Rodel dabei hatte und auch sein Sponsorenstirnband nicht, Schorsch Hackl, was ich aber nicht gerade bedauerte - mit Hackl hatte ich schon einmal ein unangenehmes Erlebnis gehabt, das vielleicht an anderer Stelle eine Schilderung erfährt). Dann musste man einen Allegemeinwissenstest bestehen. Dann musste man noch eine kleine Reportage schreiben (als Beweis, dass man die erste selbst geschrieben hat). Und am nächsten Tag folgte dann ein Gespräch mit einer achtköpfigen Jury.
Aufmerksame Leser der Überschrift ahnen bereits: hier kommt Günther Jauch ins Spiel. Jauch ist nämlich selbst Absolvent dieser Schule, unterrichtete dort auch und wirkte an der Auswahl künftiger Schüler mit.
Der damals schon sehr bekannte Moderator sass da als fünfter von links. Ich sass den acht gestandenen Journalisten gegenüber, neben mir zwei Konkurrenten. An den einen kann ich mich nicht mehr erinnern. Er sagte, glaube ich, gar nichts, die ganze Viertelstunde nicht. Der andere Konkurrent war eine junge Frau. Sie hatte in ihrem Lebenslauf, der der Jury vorlag, offenbar geschrieben, dass ihre Eltern einen Friseurladen haben. Darauf von der Vorsitzenden der Jury angesprochen, plapperte sie gleich los: "Ja man kann sagen dass ich aus einer Friseurdynastie stamme und daher von Haus aus neugierig bin was ja eine ganz wichtige Voraussetzung für den Journalistenberuf ist und man muss ja auch da immer auf dem neuesten Stand sein und die Leute unterhalten und natürlich Bescheid wissen nicht nur über Frisuren sondern auch über das tägliche Dies und Das was die Menschen eben so beschäftigt." Und so weiter.
Es war schrecklich. Ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren. Schlimmer allerdings als das Gerede meiner Mitbewerberin war das irritierende Aussehen von Günther Jauch. Augenscheinlich hatte er in der vergangenen Nacht nicht viel Schlaf gefunden. Es war ein warmer Apriltag, die Sonne schien durch eine Lamellengardine, und Günther Jauch drohte wegzudösen. Immer wieder senkten sich seine Augenlider, immer wieder riss er sie dann auf, wenn sie fast ganz geschlossen waren. Als ich dieses sehr eigentümliche Augenklappern einige Zeit beobachtet hatte, fielen mir seine Ohren auf. Man kann es im Fernsehen nicht sehen - weiss der Teufel, wie sie das anstellen. Aber Günther Jauch hat das, was man, glaube ich, Blumenkohlohren nennt. Sie sind auf eine ganz seltsame Art und Weise verschrumpelt, dazu aber extrem abstehend. Von hinten schien die warme Frühlingssonne durch das Fenster und auch durch Günther Jauchs Ohren. Es war unerträglich komisch. Es war wie eine Herausforderung: seht, das sind meine Ohren, ja, so sehen sie aus, doch wehe wehe, ich sage Euch: verlacht Ihr sie, meine Schrumpelohren, werdet Ihr dies Institut niemals mehr betreten!
Ich versuchte, mich zusammenzureissen. Ich wusste, gleich würde ich sprechen müssen, und ich würde lachen. Sicher. Meine Nachbarin redete gerade von der Kommunikationsbereitschaft ihrer Kunden und auch der Kundinnen und vor allem ihrer eigenen. Da griff sich Günther Jauch, Augenlider auf Halbmast, ein Stück Mohnkuchen, das da auf einem Teller vor ihm lag, sperrte den Mund auf und schob das ganze Teil auf einmal in denselben, um dann zurückzusinken und zu kauen, müde, krumpelohrig.
Die Vorsitzende der Jury richtete das Wort an den anderen Kandidaten, der da schweigend sass. Warum er denn Journalist werden wolle? "Naja", sagte der Typ, dann fiel ihm nichts mehr ein. Der Arme. Es ging ihm wohl wie mir. Ich konnte meine Augen nicht von dem Schauspiel Günther Jauchs abwenden. Er hatte jetzt geschluckt und sass zusammengesunken da, nun verdauend, halb schlafend. Die Juryvorsitzende sagte: "Na gut, dann zu Herrn Duck."
Da erwachte Günther Jauch plötzlich aus seinem Verdauungsschlaf. Er stand unvermittelt auf, ging zu der Juryvorsitzenden und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie nickte. Dann verabschiedete er sich kurz von seinen Jurykollegen, mit einem Kopfnicken auch von uns Kandidaten. Und weg war er.
Ich bin dann doch noch angenommen worden.