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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : mein peinlichstes interview- mit von stuckrad-barre



esker
22.02.2003, 01:18
Ich glaube, meine erste handlung als volljährige war, einen telefonanschluss auf meinen namen in meiner wohnung anzumelden. Meine zweite handlung war, einen termin zu vereinbaren beim chefredakteur der lokalredaktion der tageszeitung einer kleinstadt im osten. Seitdem schrieb ich über konzerte, ausstellungseröffnungen und charitéabende. Nun ja, ich war nicht besonders gut im schreiben, brauchte ewig lang für einen text, dennoch schien ich ganz nützlich zu sein. ich war wohl die einzige, die freiwillig und auch noch gern zu diesen abenden ging und liebend gern mit den bands resp. veranstaltern sprach. Zwei, drei jahre vergingen und ich kannte jeden verdammten ort dieser stadt. Also wechselte ich in eine andere kleinstadt im osten. Mittlerweile schrieb ich für ein stadtmagazin und war auch schonmal die titelgeschichts-schreiberin. Und hielt mich wahrscheinlich für eine tolle journalistin. Vorwitzig, zynisch, ach eben einfach clever.
Eines abens beehrte sich benjamin von stuckrad-barre in meine stadt. Es war so etwas wie ein ereignis; eine lesung im städtischen kino. Ich war mit dem besitzer auf du-und-du (na gut, jeder war mit dem besitzer auf du-und-du) und fragte an, ob denn ein interview vor der lesung in ordnung ginge. Er sagte: klar. Gut, dachte ich und war eine stunde vor lesungsbeginn im kino. Es war ein herrlicher tag, ob herbst oder frühlung, das weiss ich jetzt nicht mehr, aber die sonne stand tief. sie wärmte und tauchte die seite des hauses neben dem kino in pures gold. Wein umprangte das kleine cafe indem herr von stuckrad-barre unübersehbar im freien saß, mit stroh-cowboyhut und fisch mit seinem agenten aß. Wie immer bei solchen gelegenheiten vergass ich jede skrupel und näherte mich behutsam aber beflissentlich dem herren popliterat. Ob ein interview für das städtische lokalmagazin genehm sei? „Klar, ja, setz dich doch“ vernahm ich und schon bestellte ich beim herbeieilendem kellner ein wasser. Mein diktiergerät neben den teller des herren stellend, wollte ich schon mit meinen fragen beginnen, als herr stuckrad-barre mich fragte, ob ich denn angemeldet sei. Sowas gibt’s hier nicht, sagte ich lächelnd und dachte: mannomann, der stellt sich aber an. Wir sind hier in ner kleistadt, da braucht man nicht zu fragen. Der popliterat tat etwas pikiert. Sein agent, jenes graue männchen neben ihm, würde schon gern wissen, wer wann mit ihm sprechen will. Also sagte ich lieb: ich heisse esker und komme vom stadtmagzin xxx und würde gern jetzt mit benjamin von stuckrad-barre sprechen. Hmm. Das funktionierte wohl. Er liess mich gewähren.
Benjamin- wir duzten uns, na klar- ist in echt zeimlich groß. Sein gesicht ist riesig, kantig und mit denker-furchen durchzogen. Er sitzt- wie im fernsehen- immer irgendwie schräg im stuhl, etwas knochig und steif. Benjamin trug einen hellen anzug, sehr gut sitzend, ja sogar recht knackig. Auf seiner hose war ein essensfleck, der ihm aber gar nicht störte, so schien es. Fand ich cool. Ob er denn lesereisen gern mache? Ja. Hat er sich schon die stadt ein wenig angeschaut? Ja, bei den einkaufszentren könne man ihm eine aufn kopp hauen und ihm sagen, er sei in erlangen und er würde es glauben, sieht ja alles gleich aus. Würde er eine kolumne für die bildzeitung schreiben? Ja, sehr gern sogar. Großartiges blatt, gut gemacht. Da könne er ja glatt cdu-wähler werden, höhö.
Ich hielt mich ja für eine eloquente, kluge journalistin, die sich in sämtlichen dingen gut auskannte. Ich wußte, ich mußte das gespräch auf etwas lenken, worin er und ich mir einig wären, sozusagen eine art seelenverwandtschaft herauskitzeln, damit dieser junge mann mal abseits von seinen schon dutzendfach vorher gepredigten antworten abweicht. Routine dachte wohl er, chance dachte ich. Wie wärs mit einer person, die er vergöttert? Ich kenn mich doch als tolle journalistin aus und könnte vorgeben, die gleiche person zu vergöttern. Ich setzte alles auf eine karte und dann sagte er: max frisch. Ich lese gern und viel, aber ausgerechent herrn frisch kannte ich nur vom hörensagen. Ich antwortete: ah, max frisch, interessant, äh!, konnte aber nicht EIN buch von ihm nennen. Ja, mir fiel nicht einmal ein buchtitel von ihm ein. Chance verpasst, dachte ich, doofe kuh, dachte wohl er. Eine frau, die nicht einmal bücher von max frisch liest, findet bsb wohl blöd. Das interview war dann auch langsam vorbei. Gedruckt wurde es nicht. ich habe dann alle bücher von max frisch gelesen. Ich habe irgendwann aufgehört zu schreiben. Ich bin in eine großstadt im osten gezogen. Und hier muss man immer fragen.

Murmel
22.02.2003, 10:07
Tja, reingefallen. Das war nämlich gar nicht sein Agent, sondern sein Rechercheur, der einzig und allein dafür da ist, herauszufinden, welchen Autor die Menschen nicht gelesen haben, die gerade seinen Klienten Interviewen. Darin ist er unschlagbar gut. Als ich mal Benjamin interviewen wollte, sagte Benjamin einfach nur bei der Begrüßung "von Stuckrad-Barre" - und schon war's vorbei.

Aporie
22.02.2003, 19:23
Besteht denn ein Zusammenhang zwischen Alle-Bücher-von Max-Frisch-lesen und dann mit Schreiben aufhören?

rron
22.02.2003, 19:44
Das mit dem Satzanfänge-groß-aber-den-Rest-kleinschreiben, das hat ja dieser Frisch auch immer gemacht. Oder, halt, das war vielleicht doch der Benschi, der Stucki, der Barri. Muss nachlesen.

Aporie
22.02.2003, 20:21
Musst du nicht. Keiner von beiden ist Kleinschreiber.

Kleinschreiben ist eine Lyrikermarotte der Jandl-Artman-Gomringer-Liga.

ingwer
22.02.2003, 20:56
ich lese nur kleingeschriebenes.

oliverk
22.02.2003, 22:29
.

Tristram Shandy
24.02.2003, 10:50
Die geschichte gildet nicht! Ben stuck ist kein promi.

Murmel
24.02.2003, 11:01
Natürlich ist er. Er wird auf Galas eingeladen und tut sein Glied in eine Prominente. Das gildet.

stu
24.02.2003, 12:43
in welche genau?

stu
24.02.2003, 12:44
äh, in which one?
(muss schon mal üben, ich hab nämlich jetzt einen international workshop. sowas hat man jetzt übrigens, in reklamekreisen.)

Porno Iglesias
24.02.2003, 13:14
Into Anke.

Birger Sellin
24.02.2003, 17:09
Etwas versteh ich trotzdem nicht: Erst fragt Esker, ob sie ein Interview machen darf, und SB sagt ja, und dann sagt SB, sie müsse sich "anmelden". Worum genau geht's? Man verzeihe mir meine Ahnungslosigkeit in Sachen in Etikette.

Tristram Shandy
24.02.2003, 17:11
Wenn jeder prominent ist, der sein Glied schon mal in...

Ach, halt's Maul, Shandy.

sprechwerk
25.02.2003, 14:40
>>> Benjamin - wir duzten uns, na klar - ist in echt zeimlich groß.

Das ist gelogen!, muss ich hier mal laut rufen. Als ich Benjamin auf einer Party traf, war ich so enttäuscht über seine Kleinwüchsigkeit, dass ich ihn gar nicht bewundern und ansprechen mochte, was ich aber vor der Party auch nicht wollte. Das mag daran liegen, dass ich zu groß bin oder daran, dass alle Prominente klein sind. Man hört ja nie: "Der sieht im Fernsehen viel kleiner aus als in echt."

esker
26.02.2003, 18:12
isch schwör: mir kam er riesig vor. das mag daran liegen, dass ich zu klein bin oder daran, dass alle prominenten gross sind.

Aporie
26.02.2003, 18:20
Alle Menschen sind kleiner im Fernsehen.

Toni Bock
26.02.2003, 18:35
Das liegt an der Strahlung!

1,85 Meter hat er bestimmt, und dann diese italienische Schuhe, die einen riesig erscheinen lassen.

MissJuni
07.03.2003, 11:54
Hans Eichel ist im Fernsehen größer. Der ist in Wirklichkeit so klein wie Schröder.

Dirk von Foerster
07.03.2003, 13:25
Pferde sehen im Film nicht aus wie Pferde, nur angemalte Kühe sehen wie Pferde aus. Ich hab den letzten Satz nicht verstanden. Wieso muss man in ostdeutschen großstädten immer fragen?

esker
10.03.2003, 16:06
damit leute wie dirki danach fragen, is doch klaaa.

Poser Rosenbaer
10.03.2003, 17:09
Öm Kella von dea Launsch, da haben wia noch einen alten Frauenverhauraum gelagert. Da isses very eskeresk.

B.Deutschlander
10.03.2003, 17:23
Mich erreichte gerade folgende Story:

Stucki, vor etwa 2-3 Wochen, nach einer Lesung zu Fragen bereit. Eine junge Journalistin dabei, trifft Stucki am nächsten Tag zufällig in der Stadt. Er lädt sie ein, am Abend im Hotel ein weiteres Interview zu geben. Sitzt da, säuft mit seinen Freunden Vodka und flanscht sich an die junge Frau. Sie erklärt, er sei ein Arschloch und geht. Stop.

Tristram Shandy
10.03.2003, 17:29
Das passiert dem jeden Tag.

DREA
10.03.2003, 17:37
Menno, hätte die junge Frau sich nicht einfach opfern können? Womöglich hätte sie der Welt so wenigstens einen jener onanistischer Übersprungshandlung entsprungenen Texte des BvSB erspart.

Birger Sellin
10.03.2003, 18:45
Welcher Text SBs genau verdankt sich denn einer onanistischen Übersprungshandlung? Und kann mal einer meine Frage da oben beantworten, bitte?

Entsetzlicher Mensch
10.03.2003, 18:49
Würde mich auch interessieren. Zumindest Livealbum ist pointiert, treffend, kurzweilig. Und Deutsches Theater eigentlich auch. Allemal gute Reportagen, besser als die gequirlte Langeweile, die man in STERN und SPIEGEL lesen muss.

kuenstler treu
10.03.2003, 19:01
neulich sehr gelacht über ein bvsb interview im fernsehen. bvsb auf einem berliner dach schwadroniert endlos darüber, wie sehr ihm der medienrummel um ihn doch auf die nerven gehe, und das er sich in zukunft total aus der medienwelt zurückzuziehen gedenke.

right on, stucki!

U_Sterblich
10.03.2003, 19:08
Benschi ist aber wer anders, Kuetreu.

kuenstler treu
10.03.2003, 19:16
okay

Entsetzlicher Mensch
11.03.2003, 18:44
kuenstler treu, dieses Interview sah ich auch und ich weiß bis heute nicht ob das ernst gemeint war. Ich glaube, der Beitrag erschien erstmals im Magazin polylux. Schade dass BvSB nicht einfach nur schreibt. Und ansonsten die Fresse hält. Denn dann ging's womöglich.

Tristram Shandy
11.03.2003, 18:48
Es ist sowieso Schluss zwischen Ben Stuck und Anke.
Steht sicher morgen auch irgendwo.

Marta Pfahl
12.03.2003, 12:48
celebrity death match: stuckrad gegen saaaaaaaaahhhnerrrrrrr.


Aus: GQ, Februar 2002

Letzte Ausfahrt Wussow

Ihre erste Begegnung verlief alles andere als freundschaftlich. Sie, Herr
Stuckrad-Barre, haben mit einer Klage gedroht, als Ihnen Herr Sahner in der
Bunten ein Verhältnis mit Anke Engelke andichtete.

Sahner: Das war doch nur ein freundschaftliches Geplänkel unter Männern. Die
beiden hatten ein Verhältnis, sie sind Leute, über die man spricht. Bunte
ist ein people-Magazin - wo ist das Problem?

Stuckrad-Barre: Mir klingt das alles zu sehr nach Männerumkleidekabine. Ich
möchte ausschließlich anhand meiner Arbeit bewertet werden - Texte,
Auftritte. Das sogenannte Persönliche, vergiss es. Ist ja, soweit von
Belang, eh alles in der Arbeit enthalten. Der Rest gehört mir, den behalte
ich für mich, ich wohne in einer Wohnung und keinem "Liebesnest", und ich
will meinen Frieden. Sonst wird es zu kaputt. Sieht man ja an anderen.

Sahner: Entschuldige, Benjamin, aber du machst nun mal Pop-Performance. Wenn
du auch noch singen würdest, wärst du der deutsche Robbie Williams. Und
damit bist du drin in diesem Betrieb.

Stuckrad-Barre: Nee, stop, halt, falsch! Teil des Betriebs, welchen Betriebs
überhaupt und wie weit Teil? Man unterschreibt doch, bevor man zum ersten
mal beschrieben, interviewt oder fotografiert wird, keinen Vertrag: So,
willkommen im Club der Intimitätstyrannen, setz dich, nein, leg dich besser
noch hin, Beine breit, Schnauze, du machst jetzt mit nach unseren Regeln,
wir sprechen jetzt mit deiner Tante und filmen dein Sockenregal und reden
über Trennkost und so weiter. Alles wurscht, letzte Ausfahrt Wussow. Nee,
danke.

Sahner: Du hast ein Glaskinn. Du teilst aus, aber du kannst nicht
einstecken.

In der Tat haben Sie sogar mal die Zeitschrift Titanic wegen einer Satire
verklagt.

Stuckrad-Barre: Weil dort wiederholt mit meinem Namen versehene Fotos von
Mördern abgedruckt wurden. Sich dagegen zu wehren, mag Zynikern vielleicht
taktisch unklug erscheinen. Tja. Testen Sie es mal an sich selbst.

Sahner: Ich finde dich ziemlich larmoyant. Du knöpfst dir auch in jeder
Sendung den Springer-Kolumnisten Franz-Josef Wagner vor.

Stuckrad-Barre: Richtig: "Der schmutzige alte Mann von Seite zwei". Das ist
Wort für Wort begründete Notwehr. Wagner ist einer der schlimmsten Heuchler
und Rechteverletzer im Journalismus.

Sahner: Ich kenne das Bett von Franz-Josef.

Stuckrad-Barre: Und?

Sahner: Wagner hat zwei Kopfkissen. In einem stecken die Verrisse über ihn,
in das andere hat er seine Kolumnen "Post von Wagner" gestopft. Will er gut
schlafen, legt er sich auf das Kissen mit seinen Verrissen. Das andere
braucht er zum Kuscheln.

Sie selbst geben in Ihren Gesprächen lieber den Versteher-Typ.

Sahner: Es stimmt, ich will mit meinen Gesprächen auch therapieren.

Stuckrad-Barre: Was dich eben so gefährlich macht. Auf der hingeseiften
Intimität, die ja falsch ist, rutscht jemand wie Scharping dann aus.

Wie sehr haben die Pool-Fotos in der Bunten Scharping politisch geschadet?

Sahner: Geschadet haben ihm nicht die Fotos, sondern dass er mit der
Flugbereitschaft seiner Gräfin nachgereist ist. Im übrigen rutscht Scharping
nicht aus, er marschiert weiter. Und er ist mit dieser Geschichte total
souverän umgegangen. Als ihm ein Tagesthemen-Redakteur angewidert das
Bunte-Titelbild zeigte, sagte er nur: Wunderschönes Foto. Wollen Sie ein
Autogramm drauf?

Stuckrad-Barre: Aber im Ministerium nannte man ihn nur noch "Bin Baden".

Sahner: Ich wollte Scharping nur als Menschen mit seinen Stärken zeigen, der
auch Schwächen zugibt.

Stuckrad-Barre: Gerade dieses Menscheln macht mich ja wahnsinnig. Mir kommt
das Kotzen, wenn ich täglich lese und sehe, wie Wolfgang Clement gegen
den Krieg joggt, Rezzo Schlauch im Dorfweiher planscht, Christian Wulf
seinen Garten umgräbt oder Westerwelle Plätzchen für UNICEF backt. Da
winselt der Wähler doch um Gnade.

Sahner: Ich finde es wunderbar, dass Politiker ab und an ihr Privatalbum
öffnen.

Bereitwilliger als früher?

Sahner: Absolut. Helmut Kohl hat sich einmal im Jahr mit dem Rehkitz am
Wolfgangsee gezeigt. Das war's. Die Genossen haben dagegen nach 16 Jahren
Absenz von der Regierung entdeckt, dass Macht auch gleichbedeutend ist mit
Luxus. Und dass man Dinge, die man sich auf einmal leisten kann, auch zeigen
darf.

Stuckrad-Barre: Mich ekelt es an. Auf anderer Ebene ist all das immer
interessant. Klar, ich habe auch die Sahner-Geschichte über Peter Handke und
Katja Flint gelesen. Aber die haben sich nicht freiwillig bei Bunte
gemeldet. Gute Geschichte, aber dass sie da steht, ist natürlich verkommen.

Sahner: Du bist ein Spießer. Flint und Handke genießen es, dass Bunte ihre
Liebe so anständig geoutet hat. Wie weit würdest denn du in einem Interview
für die Bunte gehen?

Stuckrad-Barre: Wir könnten über meinen Kapselriss im Finger reden, den ich
mir beim Tanzen zugezogen habe.

Sahner: Tanzt du allein?

Stuckrad-Barre: Schon geht es los, phantastisch. Ein echter Sahner. Also
gut: Allein tanzen ... Ja.

Sahner: Dann bist du ein Narziss. Bist du denn wenigstens ein guter Tänzer?

Stuckrad-Barre: Extrem gut. Aber nicht gut genug, um zu verhindern, mir bei
einem Sturz den Mittelfinger wahrscheinlich auf Jahre zerstört zu haben.

Sahner: Das würde leider nur für die Medizin-Seite bei der Bunten reichen.

Stuckrad-Barre: Meinetwegen.

Reden wir über Ihr neues Werk Deutsches Theater. Für ein Kapitel haben
Sie beim Sylter Fisch-Gastronomen Gosch angeheuert. Werden Sie der neue
Wallraff?

Stuckrad-Barre: Ich verehre Wallraff sehr, aber ich selbst bin in diesem
Fall eher die Westentaschenversion, weil man bei Gosch ja genau wusste, dass
ich dort ein paar Tage umsonst arbeite, um hinterher darüber zu schreiben.
Dass Herr Gosch sich trotzdem so ehrlich zeigte, mich also anschrie,
Arschloch nannte und vom Hof jagte, bloß weil ich einen Biertisch falsch
aufgestellt habe, das war für den Text schön.

Sahner: Du bist ein sehr guter Beobachter. Als dein Verleger würde ich dich
mit wenig Geld ein Jahr um die Welt schicken, damit du dann einen großen
Roman schreiben kannst. Träumst du davon, Weltliteratur zu schreiben?

Stuckrad-Barre: Seit ich ins Dänische übersetzt bin, bin ich eigentlich
frohen Mutes. In Dänemark verkaufe ich sehr viele Bücher. Vielleicht hängt
das damit zusammen, dass meine Freundin, so viel kann ich erzählen, Dänin
ist.

Sahner: Warum erzählst du denn nicht mehr über deine Freundin? Reich-Ranicki
hat mir in einem Interview ausführlich über seine Seitensprünge berichtet.
Martin Walser erzählte, wie er seinen Selbstmord inszenieren würde. Und Udo
Jürgens, warum die Onanie die schönste Form des Sex ist - weil es dort keine
Zwischenrufe gibt.

Franz Beckenbauer hat mit Ihnen ja auch ziemlich offen über sein uneheliches
Kind gesprochen. Wieso hat er die Baby-Affäre eigentlich so unbeschadet
überstanden?

Sahner: Weil er im Gegensatz zu Boris nicht abenteuerliche Geschichten
erfunden hat, Ermakovas Samenraub und so weiter. nein, Franz hat sich zu
dem Kind bekannt. Boris dagegen lässt sich von niemandem etwas sagen. Und
leider war er von vielen Kriechern umgeben. Das weiß er selbst am
allerbesten.

Stuckrad-Barre: Daniel Deubelbeiss fand ich gut. Diesen dicken Schweizer,
der auch irgendeine Rolle in der Becker-Babs-Geschichte spielte.

Sahner: Voll grotesk, aber irrsinnig unterhaltsam.

Herr Stuckrad-Barre, als Bestsellerautor dürften Sie inzwischen sehr gut
verdienen. Wofür geben Sie eigentlich Ihr Geld aus?

Stuckrad-Barre: Geld ist für mich ein Fortbewegungsmittel. Mehr nicht. Ich
kaufe mir viele Bücher. Und Platten.

Und teure Anzüge ...

Sahner (öffnet Stuckrad-Barres Jackett): Zeig mal. Ah, Hugo. Also Boss.
Diese Marke ich auch getragen, als ich so alt war wie du, jetzt nur noch
deren Underwear. Ich trage Zegna. Kosten normalerweise 3000 Mark. Ich krieg'
die Anzüge etwas günstiger. Manchmal ist dann zwar ein Kopf nicht richtig
angenäht, aber das erledigt dann meine Putzfrau.

Stuckrad-Barre: Hast du sie angemeldet?

Sahner: Ja. Was zahlst du deiner Putzfrau?

Stuckrad-Barre: Ich putze selber.

Sahner: Macht das nicht deine Freundin?

Stuckrad-Barre: Nein.

Sahner: Warum nicht? Zu fein?

Stuckrad-Barre: Ich finde, dass ein Mann seiner Frau Kleidung zu kaufen und
sie zu allem möglichen einzuladen hat. Und sie nicht putzen lassen soll.

Sahner: Putzt du nackt?

Stuckrad-Barre: Ja, aber ich mache die Gardinen zu.

Sahner: Ist das anturnend für deine Freundin?

Stuckrad-Barre: Ich mache das nur für mich. Das ist für mich sehr, sehr
geil.

Sahner: Und warum machst du das?

Stuckrad-Barre: Um mich zu befreien. Ich stecke mir einen Wischmop in den
Arsch, dann geht's los.

Sahner: Nimmst du Drogen?

Stuckrad-Barre (zieht die linke Augenbraue hoch): - - -

Sahner: Wie würde deine Haarprobe aussehen?

Stuckrad-Barre (zündet sich eine Zigarette an): - - -

Sahner: Wärst du gern ein Mafioso?

Stuckrad-Barre (bläst weiter Rauchkringel): - - -

Sahner: Wann hast du zum letzten Mal das Vaterunser gebetet?

Stuckrad-Barre: - - -

Sahner: - - - (zwei Minuten absolute Stille)

Sahner: Also gut, fange ich mal an, wie das vor 30 Jahren war. Timothy Leary
predigte LSD. Hast du auch mal einen geworfen?

Stuckrad-Barre (raucht): - - -

Sahner (grinst): Was nun?

Stuckrad-Barre: Das war jetzt wirklich Weltliteratur. Ich knie jetzt nieder
vor Paul Sahner (kniet nieder). So was habe ich noch nicht erlebt.

Sahner: Nein?

Stuckrad-Barre: Ich rauche Paul Sahner ins Gesicht, er fragt und fragt,
schert sich um keinerlei Grenzen. Mehr Rauch. Und er? Er fragt ungerührt
weiter! Also bitte: Nächste Frage.

Sahner: Hast Du schon mal eine Frau gekauft?

Stuckrad-Barre: Man kann doch keine Frauen kaufen.

Sahner: Ob du schon mal im Puff warst und dir eine Frau gekauft hast. Meine
schönste Puff-Geschichte ist ...

Stuckrad-Barre: Jetzt kommt's.

Sahner: ... als ich vor 20 Jahren mit Michel Piccoli in Athen war. Er
war damals verheiratet mit Juliette Greco. Da habe ich ihn gefragt, wie es
ist, mit einer Frau verheiratet zu sein, die eigentlich auf Frauen steht. Er
sagte dann, sie führten eine wahnsinnig schöne Ehe. Aber seine eigentliche
Obsession sei, in Puffs zu gehen. Das haben wir dann auch gemacht. Und die
ganze Nacht nur gequatscht. Der hat dort Milieustudien betrieben.

Stuckrad-Barre: Konntest du das absetzen?

Sahner: Nein. Piccoli hat gezahlt.

Den Dialog moderierten GQ-Redakteur Peter Wenig und Andreas Eckhoff, freier
Autor in Berlin.

esker
12.03.2003, 15:49
seit wann ist anke enkelke dänin?

Beiweiss
12.03.2003, 16:54
Das Interview ist doch schon älter. Damals gabs wohl noch eine Dänin, dann Anke, jetzt ne neue Muse. Ist glaub ich Schweizerin oder so

Marta Pfahl
13.03.2003, 13:24
Aber phänomenal abartig ist doch die Sahnersche 'Gesprächs'-Technik; wie er ihm an die Wäsche geht und versucht mit seiner Wir Männer unter uns - Ranschmiere eine Bunteschlagzeile rauszureizen, wie er ihm das Sacko aufklappt, um die Anzugmarke zu checken. Es möcht einem schaudern.

Dass sich minderresistente Persönlichkeiten wie Scharping und Boris Becker nach so einer Begegnung die PR-Kugel geben können, leuchtet sofort ein. Immerhin, Punkt für Stuckrad.

esker
13.03.2003, 14:20
worüber ich zur zeit grübel: der stucki wohnt in berlin. dann ist er in die schweiz (der arme, der!) gezogen und jetzt heisst es: stucki hat sich in berlin eine zweitwohnung genommen. hä?

camp cogito
02.05.2003, 14:19
ja, ja, leider wohnt er nun hier in zürich.

neulich aber lies er verlauten, er sei dringenst auf wohnungssuche. und dies während einer 'lesung'. das mag ja noch legitim sein. peinlich finde ich , dass er mit hilfe einer veranstaltungsagentur versucht ein event aus dem verkloppen seiner plattensammlung zu machen: er lud also tatsächlich in die zch-szene-bar 'acapulco' um dort seine cds zu ersteigern. scheinbar ist es nun wirklich schlimm mit der obdachlosigkeit. schön fand ich auch noch, dass er während dieser 'lesung' (mehr dazu vielleicht später), auch nicht umhin kam, den zürchern mitzuteilen, dass er ja nur wegen der steuern seinen wohnsitz nun hier nehmen wolle. mich würde brennend interessieren, was er so als 'einkaufsgebühr' bezahlt hat (die schweiz nimmt ganz gerne geld von solchen leuten).