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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hellmuth Karasek - Hattrick!



joq
20.02.2003, 15:00
Don und ich stehen auf dem Bahnsteig, Gleis 4, Bahnhof Zoo. Don hat schmierige Hände, vom Fischbrötchen, das er vorher unten beim Nordsee-Imbiss aß. Ich hingegen habe saubere Hände, allerdings riechen sie nach Zitrone, weil ich mein Fischfilet mit Messer und Gabel einnahm, jedoch vohrher ein Zitronenachtel über jenem Filet ausquetschte. Jetzt stehen wir auf dem Bahnsteig, frieren und warten auf den verwarzten Eurocity nach Hamburg. Ich schaue Don zu, wie er sich eine Zigarette dreht und stelle bewundernd fest, dass sich die Tabaksbeutelindustrie was neues ausgedacht hat, nämlich eine Art Plastik-Klettverschluss, welcher diese tesafilmartigen Streifchen abgelöst hat, die nach dem achten Tabaksbeutelzukleben total schmutzig waren und jedweden Klebewillens beraubt.

Da kommt mein Lieblingspromi Hellmuth Karasek mit einem anderen mittelalten Herrn den Bahnsteig entlang gewatschelt. Scheiße, schon wieder Karasek. Das ist jetzt also schon das dritte Mal dass ich Karasek paparazze. Außerdem schon wieder ein Text, der irgendwie mim Bahnfahren zu tun hat. Das will doch niemand mehr lesen. So denke ich in mich hinein.

Karasek sieht relativ gesund aus, aber das ist auch kein Wunder, es ist schon 14.30 Uhr und richtig dreckig ging es ihm ja eigentlich immer nur in den Morgenkonferenzen des Tagesspiegel, wo er mit grobporiger Erdbeernase und sonorer Chianti-Zigarillo-Stimme umherknarzte, stets gegen den morgendlichen Zufrühaufgestandenundzulanggesoffen-Brechreiz ankämpfte.

Wo war ich?
Also, Karasek sieht recht frisch aus. Unmodischer Trenchcoat, Bundfaltenjeans, elegante braune Lederschuhe. Gemeinsam mit seinem Begleiter watschelt er an Don und mir vorbei in Bahnsteigzone E, was mich wundert, denn da wird gleich die 2. Wagenklasse halten. Karasek vertieft sich in den Wagenstandsanzeiger, sagt mehrmals vernehmlich. „Da. Da müssen wir hin. Da!“ – beschreibt mit seinem rechten Arm einen großen Bogen, zeigt mir Zeige- und Mittelfinger auf Bahnsteigabschnitt A. Dann watscheln die beiden Herren wieder zurück, wieder an uns vorbei, nochmal darf ich staunen, wie gesund Karasek aussieht. Sein Gesicht ist normal-beigefarben, er hat sich morgens bei der Rasur kaum verletzt, er sieht knackegesund aus.

Wenn da nicht mal was faul ist.
Don und ich, gesetzte, reife Herren, wir versichern einander gegenseitig, es sei doch nun albern, Karasek zu folgen und ihn weiter zu paparazzen, das haben wir doch nicht nötig, neinnein.

Vor allem aber haben wir nur ein Ticket zweiter Klasse.

Knappe Wamba
20.02.2003, 15:30
Das wird eng, ein Ticket für beide.
Hört sich nach Turbolenter-im-Zug-auf-dem-Klo-Versteck-und-Verwechlungs-Charade an. Und Georg Thomalla in seiner Paraderolle als Karasek, mittendrin im Getümmel.

DonDahlmann
20.02.2003, 15:33
Ich stehe mit Jockel am Bahnhof Zoo, Gleis 4. Wir warten auf den Eurocity, der uns nach Hamburg bringen soll, wo wir wichtige Geschäfte zu erledigen haben. Mit leiser Stimme gehen wir noch einmal unsere Strategie durch, und überlegen schon mal, was wir alles anstellen werden, wenn wir mit stolzgeschwellter Brust später wieder nach Berlin fahren werden, weil wir erfolgreich waren. Da besteht kein Zweifel dran, denn wir sind ja Siegertypen.

Ein bißchen schaut Jockel genervt, denn ich habe am Bahnhof beim 1A Gourmet Lieferanten "Nordsee" einen exklusives Brötchen namens "Frieser" gegessen. Hierbei handelt es sich um ein von Jungfrauen mit zarten Händen geformtes und gebackenes Brötchen, welches inneliegens ein teures Stück Alaska-Seelachsfilet mit marokkanischen Tomaten hat, das auf einer Sosse aus mallorquinischer Majonaise und hangzupften Dill gebettet ist. Dazu Servietten aus feinstem Leinem, welche das fußgepresste Öl, in dem der teure Seelachs sanft fritiert wurde, auffangen soll. Es nervt ihn deswegen, weil sieht, dass dieses wundervolle Öl nun langsam in meine Hautporen einzieht und meine Hände jung und frisch aussehen läßt, während er traurig auf seine Hände schaut, die durch den agressiven Zitronensaft welk und rauh sind.

Wo wir da stehen und ich lässig eine Zigarette meines teuren Importtabaks drehe, schreitet Hellmuth Karasek an uns vorbei. Er schaut kurz neidisch auf die modische Breidcordhose von Jockel und meinen lässigen Wintermantel, um dann weiter auf seinen Begleiter einzureden. "Der Karasek, " denke ich mir, während ich seine billigen, aber immerhin gutputzten Schuhe betrachte. "Da macht der Jockel doch bestimmt wieder eine Geschichte draus"

Karasek und sein Begleiter bleiben ein paar Meter weiter stehen. Jockel beginnt zu berichten, wie das damals war, als Karasek immer zu spät kam, und er ihn genervt ließ, weil Jockel ein gutes Herz hat.
Abermals passieren die beiden uns, und mir fällt auf, dass Karasek wirklich eine Säufernase hat. Und Säuferwangen. Wenn man ein wenig näher kommt, dann kann man sehen, das auf seinen Wangen sehr viele aufgeplatzte Äderchen sind. Sie sehen aus, wie ein unmotivert zusammengeknülltes Spinnennetz und zeugen von vielen langen Abende mit vielen Flaschen Rotwein. Für einen Moment sehe ich Karasek wieder vor mir, wie er bei der Premierenfeier irgendeines Filmes in Hamburg vor mit steht. Einen Pappteller in der Hand, der eingeknickt vor Überlastung leicht schief war, und von dem eine Sossenmischung unbemerkt und langsam runtertropfte, während er mit großen Augen einen mächtigen Schluck aus einem Rotweinglas nahm. Er stand wohl zwei Minuten da, neben seinem linken Fuss breitete sich langsam eine kleine Pfütze aus Salatsosse, Ketchup, Senfsosse und Fett aus, und er trank und trank und trank und schätze ab, wenn er auf der Party kannte und wen nicht. Als er endlich jemanden gefunden hatte, stürmte er los, klatschte seinen Teller auf einen Stehtisch und begann gleichzeitig zu reden und zu essen.

Aber das ist Vergangenheit. Jetzt ist läuft er, erstaunlich behende, an uns vorbei. Kein Schluffen, ein richtiges Gehen, mit durchgedrücktem Kreuz. Jockel berichtet noch einmal von Karaseks Saufexzessen und wir schütteln traurig den Kopf über so viel Trunkenheit

Aber wir sind Siegertypen und lassen uns von sowas nicht ablenken. Wir werden einen erfolgreichen Tag haben, und dann werden wir auf der Rückfahrt eine Flasche Rotwein trinken und uns mit unserem unglaublichen Humor Kurzweil verschaffen.

joq
20.02.2003, 15:35
Wir hatten ja auch einen Kurzweilenempfänger mit!!

Knappe Wamba
20.02.2003, 15:38
Auf welchem Empfang haben Sie denn Kurt Weil getroffen ?

landlady
20.02.2003, 18:02
Vor allem aber haben wir nur ein Ticket zweiter Klasse.


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Trifft man nicht den Karasek sowieso im Speisewaggon wieder?
Bei einem lecker Mitropa Käseteller und einem Fläschchen Reitersprung?

Aporie
20.02.2003, 23:01
Warum wird in beiden Paperazzungen von Karasek nicht über den aktuellen Stand seiner Fieberblase auf der Unterlippe berichtet? Zieht er neuerdings die Unterlippe ein, wenn er feinen Herren begegnet?

joq
20.02.2003, 23:03
Ja. Unterlippe einziehen wirkt irre sexy (fast wie quasi unbemerkt auf die Unterlippe zu beißen)