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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Graham Norton again



rumpelstlzchn
22.01.2003, 09:19
Am Check-In der British Airways, London Heathrow, Business Class, um endlich diese entsetzliche Insel wieder zu verlassen, stehe ich, schlafe ich? bin noch halb betrunken und warte bereits, dass nun dieser genau geplante Ablauf, von der Passkontrolle bis ich zuhause aus dem bus steige, inklusive seiner üblichen Abweichungen, endlich beginne.
Es folgt nun eine Szene, wie sie in 76% der Hollywood Filme im letzten achtel vorkommt: Die heimlifeisse BA-Frau mit dem immerwährenden betrügerische-freundschaftlichen Grinsen erübrigt sich somit, zumal ich diesmal nicht allzu spät zum Check-In erschien und ich den Flug wie geplant erwischen sollte. Während ich durch die Flughafengänge wandle, beginnen sich die nötigen Kopfschmerzen anzubahnen und es dämmert mir (deshalb) sogleich wieder, wie es soweit kam... Warum musste ich mich gestern Abend wieder sinnlos allein in meiner Stube betrinken? Sogar, wenn ich heute das Land verlasse? Gerade weil ich davon muss. Wegen ihr, die mir das Leben so schwer macht.
Noch vor einem Monat oder sind es schon zwei? Vor sechs Wochen, da ging sie zum Flughafen und ich brachte sie zum Taxi, das an der Ecke vorne wartete. Trug ihren Koffer hinter ihr her und küsste sie, oh ja, ich küsste sie richtig, wie zwei liebende sich zum Abschied küssen.
Als wir dann, der Rausch der Festtage verflogen, im neuen Jahr gelandet, beide aus unseren Heimatländern zurück in der Grossstadt waren, sah alles anders aus. Ich Narr, hatte, da ich zwei Tage zuvor da war, jeweils geschaut ob in ihrem Zimmer das Licht brennt, um zu sehen ob sie auch da sei und bald rüberkomme. Hierzu muss ich wohl erwähnen, dass es sich bei ihr, die ich küsste, um eine Mitbewohnerin in meiner Grosskommune, handelt, nämlich die C.
Sie kam, doch kam nicht zu mir. Auch am zweiten Tag nicht. Wir sahen uns schliesslich, lungerten mit den andern herum, plauderten und es war, als sei nichts gewesen... Dabei war da doch was gewesen? Hatten wir, als wir uns dass erste mal sahen, nicht beide sogleich die Bestimmung erkannt? Oh, es knisterte, harmonisch war es zwar nie gewesen, aber die entgegengesetzten Pole hatten begonnen, sich anzuziehen, verwickelt in ein elektrisches Spiel. Wir waren ähnlich und auch anders, ihre Arroganz zog mich sofort in ihren Bann. Sie ist überall gewesen und hat alles gemacht (Koks in Kolumbien, Heroin in Indien, Opium in Burma), wohl auch mit jedem geschlafen.
Natürlich könnte mann auch ewig darüber schreiben, wie die zarten Brüste bei ihren wilden Bewegungen, im Ausschnitt der Bluse, die meist von vielen Bändeln geschmückt ist, zum Vorschein kommen oder von den Löchern so hoch oben am Hosenbein, dass sie die Sicht auf den wunderbar geformte Hintern freigeben. Aber wir sind ja nicht alle so.
Nein, was mich an ihr endgültig faszinierte war ihre Frechheit, denn sie ist eigentlich viel zu frech, doch dank der Präzision in ihren Sticheleien, kann man zwar beleidigt sein, doch kaum was entgegnen. Welche andere Frau würde schon die Ghetto-kids, die sie anmachen, gleich auffordern, doch bitte die Einkäufe heimzutragen, wenn sie schon so eine grosse Fresse hätten.
Sie hatte es mir abgerungen, unser Zusammensein vor den sonstigen Insassen der hiesigen Künstler-Gemeinschaft zu verstecken und das hatte offenbar gut geklappt, denn keineR schien eine Veränderung bemerkt zu haben.
Aber sie? Warum schaute sie mir nicht mehr in die Augen? Waren die Nächte schon vorbei, in denen sie sich zu mir rüberschlich, zu mir ins Bett stieg, an mich schmiegte wie die süsseste aller Katzen und erst frühmorgens sich wieder davonmachte, auf leisen Pfoten? Hatten wir uns nicht vom Innersten her verstanden, gegenseitig die schaffenskrisen mitgefühlt und Gedanken, wie auch Ideen und Gefühle geteilt? Waren das etwa nur die Drogen gewesen, hatte ich mir das alles eingebildet?
Erst nachdem ich zehn Tage lang miefig war, sie knapp grüsste, die Kommune zu boykottieren begann und mich allabendlich in meinem Zimmer allein betrunken hatte, wandte sie sich endlich an mich. Sie fragte, ob ich meine Kamera wieder bräuchte, ich sagte, es eile nicht, sie mir zurückzugeben. Wozu sollte ich eine Kamera gebrauchen können, wo ich doch weder filmen noch sonstwie arbeiten kann, geschweige denn kreativ. Ich war froh, wenn ich Heil das Gespräch überstehen konnte, wir wissen ja wie unglaublich anstrengend zeitweise ?Das Soziale? sein kann und für mich ist es zurzeit äusserst unerträglich.
C.:?Ich brings dir trotzdem.? Dies ihr Vorwand, um mich zu sprechen. Schön, nicht?
Aber die Botschaft, die sie mir dann brachte, war so alt und traurig wie die Menschheitsgeschichte: ?Ich bin nicht in dich verliebt.? So kurz und bündig und mein Traum brach zusammen, hatte ich sie, die Millionärstochter, doch heiraten und mit ihr das ererbte Vermögen verprassen wollen. Wie sollte ich mir meinen Lebensstil weiterfinanzieren?
Mir ist schwindlig, während ich zur Passkontrolle anstehe. Als ich an der Reihe bin, nehm ich mich ganz fest zusammen, um nicht umzukippen und ja nicht weiter aufzufallen. Meine Tasche, Mantel und Handy liegen auf dem Fliessband und ich durchschreite den Metalldetektor.
Nun, so ein ?Nein? akzeptiert unsereins nicht ohne nachzuhaken und ich bohrte, ob sie denn überhaupt fähig wäre mit einem Mann... Ein Wortschwall kam mir entgegen. Ah, ein Satz fällt mir ein, mit wem sie denn eine Beziehung führen könne? ?So ein stock-broker Typ.? Ich sei halt zu jung. Es war nicht das erste mal, dass ich das hörte, das wegen dem Alter. Aber stock-broker? Schon klar, auch die C. interessiert sich nicht für finanzen, es geht hier nicht um das Fachgebiet, es geht um den Status. Loft-Wohnung im renovierten Lagerhaus an der Themse, Sportwagen in der Garage, die Dame in die Oper ausführen und in die besten Restaurants vom Westend...
Ja ich kann mir das schon vorstellen- nur nicht leisten, ist doch schon das nackte Überleben als Künstler in der teuersten Stadt der Welt finanztechnisch die Hölle. Man müsste nicht mal in trendigen Quartieren wohnen und ständig Drogen konsumieren und es wär immernoch schwer genug. Aber am Ende des Tages noch genug Kohle übrig haben to really show off, das geht nicht, vor allem nicht wenn man erst zwanzig ist schon gar nicht bei meinen mitbewohnenden Millionärskindern, mit denen zusammen man isst, trinkt, raucht und kokst. Höchstens bin ich einer von ihnen, nicht aber was besseres, und nur soeiner macht Eindruck. Einer, wie der Papi dieser Rich-Kids, verkomplexte Dekadente. Und so einen findet frau halt nicht so schnell, ob das denn ihr Glück wär, sei nun dahingestellt.
So einen wie mich findet sie gar nicht mehr, aber das scheint ihr egal zu sein.
Den Metalldetektor passiert, nimmt die königliche Politesse meinen Koffer und bittet mich darum, den Laptop herauszunehmen, zu öffnen, nicht aber einzuschalten. Ich öffne ihn und das PowerBook erwacht aus seinem Schlaf, ich schalte es so rasch als möglich aus. Die Grenzwächterin hat inzwischen eine Art Handstaubsauger angeschleppt, mit dem sie nun den Computer zu reinigen scheint. Sie untersuche das Gerät auf Sprengstoffpartikel, um zu sehen ob sich darim eine Bombe befinde, des Vorgang sei mir wahrscheinlich vertraut. Aha, nein, sei er mir nicht, mein Laptop wurde noch nie im Leben gestaubsaugt.
So sind halt die Zeiten, mein bärtiges, dunkles Gesicht und die langen Haare gemahnen alle Fremde an einen Terror-Schläfer, nicht jedoch an einen erfolgreichen Mann, der ?mit beiden Beinen im Leben steht? wie man so schön sagt, so stock-broker-typ halt. Hätte ich morgen mein Meisterwerk, würd ich eine neue Künstlerbewegung auslösen, die Schlagzeilen erstürmen und überall gepappt werden, nun, die C. käme schnell wie der Wind zu mir zurück, da bin ich mir sicher, da wär ich dann gut genug, hätt ich den Status erreicht. Mit ihr kämen noch andere und alle fänden sie mich toll, hätten sie mich am Tag zuvor am liebsten noch auf Bomben kontrollieren wollen.
Deshalb stelle ich wohl auch weiterhin nur unter Pseudonymen aus und lass kein Bild von mir in die Presse durchsickern, sonst sieht die C. mich noch und erahnt, dass ich meinen armen-Künstler-Lebensstil nur zum Schutze vor so Mitmenschen wie ihr führe.
Endlich, mit nur einer halben Stunde Verspätung, im Fluzeug sitzend warte ich auf meinen nächsten Drink, der mir über den kommenden Rauchmangel und die Kopfschmerzen hinweghelfen soll. Die letzten Passagiere steigen ein und als eine Stewardess beim durchqueren der Business-Class kurz den Vorhang zur First lüftet, erhasche ich einen Blick darauf, wie sich Graham Norton hinsetzt.

Edgar_Biller
22.01.2003, 11:46
Wir wünschen Dir viel Glück, Tombolamusikant!

Klede
22.01.2003, 11:53
Welche Szene kommt den nun in 76% aller Hollywoodfilme im letzten Achtel vor? Wird das noch in der Geschichte erklaert? Und was ist heimlifeiss, ist das schweizerisch fuer irgendwas?

Der Admiral
22.01.2003, 12:02
Hat Julia ein neues Pseudonym?

400 Betten
22.01.2003, 12:03
Extrem anstrengend zu lesen, sich hier durchzuquaelen.
Vor allem in so einer heissen Internetdrueckerstube, mit lauter ekelhaften Hippies, wie sie in der Kommune in London an dem vermutlich verranzten Kuechentisch sitzen. Julia Mantel haette ihre helle Freude an der Geschichte.
Das der Promi so beilaeufig an das Ende geklebt wurde, finde ich allerdings gut

400 Betten
22.01.2003, 12:04
Oh, Admiral, Kreuzposting

Klede
22.01.2003, 12:04
DU hast das ganz durchgelesen, bis zum Ende?!

400 Betten
22.01.2003, 12:07
Ja, dafuer hab ich das Krebstagebuch noch immer nicht gelesen, ich Schuft, ich schieb das immer vor mir her, und es wird laenger und laenger