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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nehberg, Rüdiger



MC Hausmacherleberwurscht
10.01.2003, 17:44
Ein Autohaus im Hamburger Niemandsland hatte ihm einen VW-Transporter gesponsert, auf das er damit durch Afrika brausen, umherziehende Nomaden suchen und überzeugen würde. Davon, dass verschwurbelte naturreligiöse Gewohnheit kein ausreichendes Argument dafür ist, einem kleinen Mädchen die Klitoris mit abgeschlagenen Bierflaschen-Scherben abzusäbeln.

Rüdiger Nehberg, der Konditor aus Barmbek, dessen Weg unzählige gezuzzelte Larvenkörper säumen, er schnellt auf seinem Kunstledersessel gepardengleich nach vorne, mit augenscheinlich quietschfideler Gesundheit, macht eine schnelle, eckige Bewegung mit der rechten Hand und einen schmatzenden „Tsssack“-Laut mit dem Mund. Starre Augen blicken mich an, aus den tiefen Augenhöhlen eines haarlosen Kopfes, dessen Haut die Qualität eines guten Fensterleders erreicht hat. „Hast du auch nur die geringste Ahnung, wie weh das tut, wenn dir jemand mit sonner Scherbe was wegschnibbelt?“

Für einen Augenblick wird es ganz ruhig. Nur ich und Rüdiger, dieser hypnotische Blick, die Angst vor der Scherbe und die Ahnung des unsagbaren Schmerzes. Er spricht so wahrhaftig darüber, dass ich ihm die Scherbe aus der Hand schlagen will, das Wüsten-Mädchen vor der Nomadensippe retten, aus diesem Zelt stürmen und über die endlosen Weiten der Dünenkämme fliehen möchte.

Ein langgezogenes Schnarren erst, dann ein Zischen reißen mich aus der Illusion, aus diesem Zelt, der Wüste, weg von dem Wüsten-Mädchen und den Nomaden. Die Scherbe in der Hand von Rüdiger – es ist nur eine imaginäre. Das Schnarren und Zischen kommt aus einer Saeco-Kaffeemaschine, die mit mir, Nehberg und einer widerlichen Kunstledersitzecke hinter einer Stellwand im Showroom des Autohauses vor den Blicken der wenigen Kunden verborgen liegt. Ein Autoverkäufer lässt sich einen Espresso ein und weil er Klitoris gehört hatte, verharrte er länger als nötig.

„Lohnendes Projekt, Rüdiger, ehrlich, Repekt!“, sage ich, weil mir nichts mehr einfällt. Gleichzeitig versuche ich mich zu erinnern, warum ich ihn um dieses Interview gebeten hatte. Über das Altern wollte ich mit ihm reden, den Tod und wie man die Zeit bis dahin ordentlich über die Bühne bekommt.

Als ich ihn treffe, ist Nehberg 65 Jahre alt, duzt grundsätzlich jeden und bekommt 720 Mark Rente im Monat. Mit dem körperlichen Verfall habe er sich abgefunden, sagt er. „Ich habe mich sogar schon von einigen Teilen meines Körpers getrennt. Krampfadern, Zähne, Vorhaut.“ Doch die Trennung ist nur physisch: Denn "Sir Vival" sammelt und konserviert seine Körperteile. Und so bleibt er dann doch vollständig.

Die Vorhaut, die Krampfadern, die alten Zähne, sie alle stünden von Nährflüssigkeit umgeben in Einweckgläsern im Kühlschrank.. Sicherlich kein schöner Anblick. Und es ist auch gut, dass der alte Einzelkämpfer Nein zu Drogen sagt. Denn als Kiffer weiß man, wie undifferenziert ein Fress-Flash vor dem Kühlschrank abläuft.

Ansonsten hört Nehberg schlecht – er hat Hörgeräte an beiden Ohren – und er sieht kurz. Ab und zu hängt er sich das Kreuz aus. Etwa bei der Gartenarbeit, wie kürzlich, oder als er in einem 17 Meter langen Einbaum in sechs Wochen über den Atlantik dümpelte. Auf der Tour von Nouakchott (Mauretanien) nach Fortaleza (Brasilien) mußte er einmal das Segel greifen und mit voller Wucht nach hinten ziehen: da war es wieder draußen, das Kreuz.

„Meine Projekte halten mich immer unter Dampf“, sagt er, ballt die Faust und hebt dabei leicht vom Stuhl ab. Sich zu engagieren, besessen an einer Sache dranbleiben, das sei sein Lebenselexier. „Wer keine Aufgabe mehr hat, der wird schnell altern und bald sterben.“

Der Tod, sagt Rüdiger Nehberg, sei die einzige Gerechtigkeit. „Die Natur wird mich eines Tages vernaschen, wie ich sie mein Leben lang vernascht habe.“ Den Weg hin zu dieser letzten Bestimmung in der endlosen Nahrungskette würde sich Nehberg gerne aussuchen. „Ein Kopfschuss von hinten. Irgendwo tief im Dschungel.“

Und da schaut er wieder so. Eindringlich, verwunschen, als ob er mehr weiß von den Dingen. Und ich sehe Rüdiger kniend in der grünen Hölle, das Ende des Laufs einer halbautomatischen Langwaffe auf seinem Hinterkopf. Ein dumpfer Schuss, ein leises erleichtertes Stöhnen, ein Nehberg versinkt im tropischen Unterholz. Asche zu Asche, Staub zu Staub und Nehberg zu Humus.

„Herr Nehberg, der Transporter stünde jetzt bereit fürs Foto. Übrigens jetzt doch ein Modell mit Klimaanlage.“ Der Autoverkäufer hält einen Autoschlüssel mit spitzen Fingern, hin und her wedelnd. Nehberg, unwirsch, fast beleidigt. „Brauch ich nich, son Scheiss

U_Sterblich
10.01.2003, 17:50
TARGET (http://www.target-human-rights.com/) heißt seine Organisation.

Edding Kaiser
10.01.2003, 17:51
So wie in "Target Clit"?

Edding Kaiser
10.01.2003, 17:55
Die Geschichte ist prächtig.

rron
10.01.2003, 18:28
Sehr großartig. Noch mehr, als über das seit Jahren auf Plakaten für seine Diavorträge ständig wiederholte "Sir Vival", musste ich über die bevorzugte Todesart lachen. "Von einem Watussi die Eier abgebissen zu bekommen, so möchte ich einmal sterben."

Angelika Maisch
10.01.2003, 18:30
hast du was anderes erwartet von MC Hausi, oh Tobler?
Aber gesagt werden muß es trotzdem.

slam
10.01.2003, 18:30
seltsam, dass ein gegen die beschneidung kämpfender sich selbst beschneidet, beschneiden läßt.

Angelika Maisch
10.01.2003, 18:31
find ich nicht, Slam.

Klede
10.01.2003, 18:32
Er weiss, wovon er redet, soviel ist sicher. MC, hat er sich die Vorhaut mit einer Glasscherbe abschneiden lassen? Lachen musste ich bei der Stelle mit dem Fress-Flash.

DREA
10.01.2003, 18:43
Vorhaut abschneiden und Clitoris weitäumig heraus schneiden -- wer findet den Fehler in diesem Vergleich? Ja, Slam...?

Finnegans Wake
10.01.2003, 18:47
Großartige Geschichte! Schwer sympathisch, der Ex-Konditor! Der kommt übrigens aus Wandsbek, nicht aus Barmbek. Seine Konditorei befand sich jahrzehntelang am U-Bahnhof Wandsbek-Gartenstadt, sie trug auch dann noch seinen Namen, als er sie längst verkauft hatte.

In meinem Buchregal habe ich gleich sein (ich glaube) erstes Buch gefunden: "Drei Mann, ein Boot, der Blaue Nil". Erschienen 1974, auf dem Titel kämpft Nehberg mit einem dreieinhalb Meter langen Felsenpython, dabei im Wasser stehend. Muss wohl der blaue Nil sein. Und er hat noch Haare auf dem Kopf – der Nehberg, nicht der Python.

Früher fand ich Nehberg jedenfalls klasse. Dass er aber durch einen verdeckten Kopfschuss sterben will, verwirrt mich. Warum nicht gleich mit Bierflaschenscherben gurgeln?

honz
10.01.2003, 18:49
Nehbergs Konditorei warb früher mit dem Slogan ES GIBT SCHLECHTERE (http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?s=&threadid=10918).

slam
10.01.2003, 18:50
beides unsinnige amputationen.

klesk
10.01.2003, 18:54
aufruf zum ignorelisten-update.

DREA
10.01.2003, 18:59
Schlagzeile im Landboten vom 11.01.03 :
"80% aller amerikanischen Männer amputiert"

honz
10.01.2003, 19:04
Wenn man die Absicht hinter den Dingen vernachlässigte, ist der Vergleich ist nicht vollkommen von der Hand zu weisen, allerdings unter massiven Missachtung der Anatomie, käme der Beschneidung der Clitoris doch dem Abhacken der Eichel am nächsten.


Zu klären wäre noch die Absicht hinter der Vorhautentfernung. Man soll länger "können", sagt man.

MC Hausmacherleberwurscht
10.01.2003, 19:06
Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube Nehberg hat sich das Häutchen aus hygienischen Beweggründen wegschneiden lassen - sicher nicht mit einer Scherbe, sondern mutmaßlich unter ärztlicher Aufsicht im UKE zu Hamburg.

Und irgendwo zwischen Hygiene, Religion und Verbrechen liegt wohl dann auch der Unterschied zwischen den hier diskutierten Beschneidungen.

@Finnegans Wake: Barmbek, Wandsbek - dumme Verwechslung. Mag an den unmerklichen Grenzen zwischen den beiden Klinkerinfernos liegen. Soll mich nicht entschuldigen - Sorry.

rron
10.01.2003, 19:06
Die Frage ist doch eher: Warum hat er sich seine Zähne entfernen lassen?

Angelika Maisch
10.01.2003, 19:06
Es wär wegen der Hygiene, hörte ich schon.
Bezieht sich auf Honzens posting.

MC Hausmacherleberwurscht
10.01.2003, 19:09
Die alten Zähne wurden schlecht,
man begann sie auszureißen.

Die neuen kamen gerade recht,
um mit ihnen ins Gras zu beißen.

(frei nach Heinz Erhardt)

honz
10.01.2003, 19:17
sorry für oben, zu großer Ehrgeiz führte zu unsachgemäßer Konjunjtivitis, es müsste DAS Abhacken heißen. Glaube ich.

slam
10.01.2003, 19:26
ich möchte die weibliche beschneidung nicht verharmlosen, vielmehr engagiere ich mich auch ehrenamtlich dagegen.
meiner meinung nach sollte die männliche beschneidung aber ebenfalls nicht zu unkritisch gesehen werden.

sie entstand aus lustfeindlichen beweggründen und es gibt keine medizinische indikation (in schweden wird die männliche beschneidung interessanterweise überhaupt nicht durchgeführt, phimose wird dort durch salben behoben).
sie wird im gegensatz zur weiblichen beschneidung meist im krankenhaus durchgeführt, jedoch ebenfalls meist ohne betäubung (USA), obwohl man weiss, dass sich durch schmerz im frühen alter mehr schmerzrezeptoren bilden.
der kinderpimmel ist winzig klein und wird durch eine art klipper (ca. wie für fußnägel) gezogen, oft wird dabei verständlicherweise mehr abgschnitten als beabsichtigt.
es kommt dadurch sogar immer wieder zu einzelnen todesfällen.
die haut der eichel, ein eigentlich 'inneres organ', verdickt sich um ein vielfaches und wird durch die unatürliche reibung der sie ausgesetzt ist, trocken, knitterig und zunehmend unempfindlicher, darum 'kann man auch länger', klar. oftmals kann der beschnittene penis endlich nur noch an den narben stimuliert werden, dort wo die gekappten nervenenden liegen.
viele amerikaner lassen, um dieser entwicklung vorzubeugen, langjährige maßnahmen über sich ergehen, in denen eine neue 'vorhaut' entstehen soll (dehnung des hautgewebes).
dies nur zur info, wie ich zu meiner meinung komme.
meinem freund ging es zb. schlecht mit der beschneidung (ohne seinen willen als säugling vorgenommen). es gibt auch männer, die damit besser klarkommen, mehr nervenbahnen behalten konnten.
in der Brd war die männliche beschneidung zeitweise in schwulenkreisen aus ästhetischen gründen in mode.
mag sein, dass eine op am erwachsenen besser/genauer funktioniert und weniger negative folgen hat, sowie weniger dicke narben.

mir fiel das nunmal bei dem interviewbericht auf...sein egagement gegen die weibliche- und seine eigene beschneidung.

go and ignore.

Edding Kaiser
10.01.2003, 19:28
Der erste Satz von slams posting besteht aus purem Gold.

klesk
10.01.2003, 19:29
erneuter, dringender aufruf zum ignorelistenupdate.

MC Hausmacherleberwurscht
10.01.2003, 19:31
GOLD, fürwahr, GOLD.
Ansonsten: sachdienlich, danke.

Edding Kaiser
10.01.2003, 19:32
Ganz schwach, slam, den Satz heimlich zu korrigieren.

Edding Kaiser
10.01.2003, 19:33
Obwohl, immer noch lustig, dass Du Dich gegen die Verharmlosung engagierst. Lass ruhig so.

Edding Kaiser
10.01.2003, 19:33
Aber vorher war's halt besser.

MC Hausmacherleberwurscht
10.01.2003, 19:33
Ja, schwach. Sehr schwach.
Beschnittener Text, das.

slam
10.01.2003, 19:36
aber unter narkose vorgenommen, möchte ich betonen

klesk
10.01.2003, 19:37
kann mal jemand diese frau zunähen, obenrum?

Edding Kaiser
10.01.2003, 19:44
Das geht ja auf keine Vorhaut.

Musste sein, pardon.

MC Hausmacherleberwurscht
10.01.2003, 19:49
Auf meine schon.

Mußte auch sein, pardon.

Klaus Caesar
13.01.2003, 03:56
honzo, ich hab's gemacht. Die Pelle is ab. Seit 1976. Ich "kann" deshalb aber überhaupt nicht "länger". Totaler Reinfall, das. Rüdiger Nehberg hätte mit seinem VW-Transporter vorbeibrummen und dem Arzt in der Kinderklinik die Glasscherbe aus der Hand reißen sollen.

rron
13.01.2003, 04:05
Ich hab's nicht gemacht und ich frage mich auch: Noch länger? Wer soll denn dann für uns arbeiten gehen?

bangen
13.01.2003, 07:09
Funktionen der Vorhaut:

Die Vorhaut ist alles andere als ein "überflüssiger Hautlappen". Beim Kleinkind dient sie z. B. dazu, die Eichel und den Meatus vor dem Kontakt mit Stuhl (Darmbakterien) zu schützen. Die Schutzfunktion für die empfindliche Eichel, die von der Natur als inneres Organ, wie etwa die Zunge, vorgesehen ist, behält sie zeitlebens.

Kommt es zu einer Erektion, liefert die Vorhaut die dazu benötigte zusätzliche Haut.

Die Vorhaut dient als wichtiges Hilfsmittel für Vorspiel und Masturbation.

Die Vorhaut spielt eine wichtige Rolle beim Lustempfinden, da sie im vorderen Drittel zahlreiche freie Nervenenden und bestimmte Rezeptoren (die Meissnerschen Tastkörper) enthält.

Beim Geschlechtsverkehr dient die bewegliche Penishaut dazu, unnötige Reibung zu verhindern.

Nach neuesten Untersuchungen soll die Vorhaut auch eine Rolle im Zusammenhang mit dem Immunsystem spielen.


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Daraus ergeben sich bereits die Nachteile der Beschneidung:

Die Schutzfunktion entfällt. Die vormals glatte, sehr dünne (nur 2 bis 3 Zellen) Eichelhaut (Schleimhaut) trocknet aus und keratinisiert (verhornt), sie wird 4 bis 16 Zellen dick. Deren Empfindlichkeit nimmt auch durch den ständigen Kontakt mit der Kleidung stark ab, ein Effekt, der sich mit zunehmendem Alter immer weiter fortsetzt. Dennoch wird stärkerer Kontakt mit der Kleidung, etwa beim Radfahren, manchmal als sehr unangenehm beschrieben.
Ein weiterer Effekt dieses Kontaktes können häufige, unerwünschte Erektionen sein.

Darüber hinaus entfällt die sensorische Funktion der Vorhaut, die ja fehlt. Auch bei einer "moderaten" Beschneidung wird nämlich der weitaus größte Teil der Meissnerschen Tastkörper entfernt, da sich diese hauptsächlich im vorderen Drittel der Vorhaut befinden. Im Zusammenspiel mit der Empfindlichkeitsabnahme der Eichel wird die Sensorik des Penis massiv verändert.
Bei radikalen Beschneidungen wird auch das Frenulum entfernt, das intakte Männer häufig als eine Art männlichen G-Punkt bezeichnen. Radikal Beschnittene geben oft an, dass die einzig noch verbliebene empfindliche Stelle die Beschneidungsnarbe (also die Trennstelle der Nerven) ist.

In vielen Fällen ist nicht mehr genügend Haut vorhanden, um eine Erektion vollständig abzudecken. Es kommt dann zu unangenehmen Spannungsgefühlen. In extremen Fällen (wenn bei Beschneidung im Kindesalter viel zu viel Haut entfernt wurde) kann der Penis teilweise in den Körper gedrückt werden oder sich S-förmig verkrümmen.
Eine ästhetisch meist unbefriedigende Begleiterscheinung der Beschneidung kann sein, dass bei einer Erektion behaarte Haut auf den Penisschaft gezogen wird, da nicht mehr genügend penile Hautreserve vorhanden ist. Zudem entsteht natürlich bei einer Beschneidung eine Narbe.

Die Masturbation wird zwar nicht unmöglich gemacht, aber eventuell erschwert (was ja auch lange Zeit der Hauptzweck der Beschneidung war). Für Jugendliche kann das Erlernen neuer Techniken zusammen mit der Angst, vielleicht nie wieder solche Gefühle wie zuvor zu erleben, sehr belastend sein. Manchmal ist die Zuhilfenahme künstlicher Gleitmittel erforderlich, die hierzulande jedoch üblicherweise nur in Sex-Shops (ab 18 Jahre!) erhältlich und recht teuer sind.

Der Geschlechtsverkehr funktioniert nicht mehr ganz so, wie er von der Natur vorgesehen ist. Durch das Fehlen der beweglichen Penishaut kommt es zu mehr Reibung und manchmal zum Wundwerden. Nicht ohne Grund werden in US-Frauenzeitschriften Anzeigen für künstliche Gleitmittel geschaltet. Aufgrund der in den USA immer noch verbreiteten Beschneidungspraxis kann man diese Mittel dort in jedem Drugstore kaufen.

Unnötige Operationen beinhalten ein unnötiges Risiko. Zwar ist das prozentuale Risiko gering, wenn die Operation unter sterilen Bedingungen durchgeführt wird, trotzdem gibt es z. B. in den USA jährlich zahlreiche Todesfälle, die letztendlich auf die dort noch verbreitete Baby-Beschneidungspraxis zurückzuführen sind. Weitere bisher bekanntgewordene Fälle beinhalten:

-Gehirndefekt durch Infektion der Beschneidungswunde mit Staphylokokken

-Verlust der Zeugungsfähigkeit durch Infektion

-Verstümmelte Eichel

-amputierte Eichel

-Amputation des gesamten Penis

-Fistelbildung durch Beschädigung der Harnröhre

-Narbenphimose bei teilweiser Beschneidung

-Schwere Infektion des gesamten Unterleibs, was großflächige Gewebeexzisionen nötig macht

-Verhinderung oder Einschränkung des Peniswachstums in der Pubertät durch Amputation von erheblich zu viel Haut

-Meatal-Stenose (Verengung des Meatus durch Fehlen der Schutzfunktion der Vorhaut, in den USA häufig)

-schmerzhafte Zustände durch beschädigte Nerven

Folgendes gilt insbesondere für die USA:
Eine Untersuchung erbrachte das Ergebnis, dass Babies, die einige Monate zuvor ohne Betäubung (unter Verwendung einer Placebo-Salbe, um die Ergebnisse besser vergleichen zu können) beschnitten worden waren, eine wesentlich höhere Schmerzempfindlichkeit aufwiesen, als intakte Babies. Ebenfalls eine höhere Schmerzempfindlichkeit als die intakten Babies wiesen die unter Verwendung von EMLA-Betäubungssalbe beschnittenen Babies auf, was zeigt, dass dieses Verfahren auch nicht den extremen Schmerz völlig beseitigen kann. Das Ergebnis war eindeutig, die genaue Ursache der erhöhten Schmerzempfindlichkeit aber noch nicht klar.
Eine neueste Untersuchung (Tierversuch) deckte den Zusammenhang auf: Bei Neugeborenen ist das Nervensystem noch nicht völlig entwickelt. Ratten, die kurz nach der Geburt mit Nadeln gestochen wurden, wiesen später deutlich mehr Nervenbahnen zur Weiterleitung von Schmerzempfindungen auf, als Ratten, die in Ruhe gelassen wurden.

Das wichtigste Argument gegen Beschneidung von Minderjährigen darf hier nicht außer Acht gelassen werden: Es ist ganz klar, dass dabei eine wichtige Entscheidung, die Auswirkungen u. a. auf die Sexualität hat, von Anderen getroffen wird, als dem Betroffenen selbst. In allen vergleichbaren Fällen (z. B. weibliche Beschneidung oder Genitalpiercing) herrscht weitgehender Konsenz darüber, dass solche Praktiken unterbunden und ggf. bestraft werden sollten. Nur bezüglich der männlichen Beschneidung herrscht meist eine erstaunliche Toleranz und Akzeptanz. Erklären lässt sich das wohl nur damit, dass Wissen über die Funktionen der Vorhaut wenig verbreitet ist, so dass viele (insbesondere Personen, die gar kein solches Körperteil haben, nämlich Frauen) glauben, eine Beschneidung bedeute keinen Verlust.


Habe ich gefunden.

Windhund
13.01.2003, 14:35
es gibt immer eine gegenseite

Die Frage, ob Jungen routinemäßig beschnitten werden sollen, war immer schon ein emotionales und oft irrationales Thema. Dies mag zum Teil daran liegen, daß von dem Eingriff ein Geschlechtsorgan betroffen ist, im Gegensatz etwa zum Ohrlochstechen. In den letzten beiden Jahrzehnte neigten Mediziner [in Amerika und Australien, Anm. d. Ü.] dazu, Eltern von einer Beschneidung ihrer Jungen in Babyalter eher abzuraten. Es gab sogar Berichte, nach denen Ärzte junge Mütter extrem unter Druck setzten, um sie von ihrem - überwiegend religiös bedingten - Wunsch nach der Beschneidung ihres Sohnes abzubringen. Dies steht in diametralen Gegensatz zur Situation von vor einigen Jahren, als alle männlichen Babys in Australien routinemäßig beschnitten wurden. In den letzten 20 Jahren ist jedoch der Anteil beschnittener Jungen auf bis zu 10 % gefallen.

Dieser Trend scheint sich in jüngster Zeit umzukehren. In Kenntnis des zunehmenden Umfangs medizinischer und wissenschaftlicher Fakten über die Vorteile einer Beschneidung im Säuglingsalter formulierte eine Arbeitsgruppe des Australien College of Paediatrics im August 1992 eine überarbeitete Stellungnahme, die im Mai 1996 vom College offiziell übernommen wurde [2]. In diesem Dokument werden Ärzte nunmehr dringend aufgefordert, alle Eltern über die medizinischen Vorteile einer Beschneidung ihres Jungen im Säuglingsalter aufzuklären. Ähnliche Empfehlungen wurden kürzlich von der Canadian Paediatric Society erlassen, nachdem dort ebenfalls eine Bewertung der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur erfolgt war, allerdings mit dem Ergebnis, daß die Vor- und Nachteile eher ausgewogen sind. Wie weiter unten noch zu erläutern sein wird, hat sich das American College of Pediatrics sehr viel stärker in Richtung einer Empfehlung der routinemäßigen Beschneidung ausgesprochen.

In diesem Artikel möchte ich mich im wesentlichen auf eine Darstellung von Vorteilen beschränken, die die Beschneidung im Hinblick auf übertragbare Krankheiten, einschließlich der Geschlechtskrankheiten bietet. Ich sollte vielleicht hinzufügen, daß ich als Hochschulangehöriger an der Universität von Sydney arbeite und dort Medizinstudenten und andere Hochschüler unterrichte, die in der Medizin forschen, z. B. im Bereich der Virologie von Krebserkrankungen der Geschlechtsorgane. Ich bin weder jüdischen Glaubens noch praktisch tätiger Arzt oder Jurist. Daher bin ich weder durch religiöse noch durch medizinische oder juristische Interessen voreingenommen und somit in der Lage, das Thema rein rational zu betrachten.

Das nachgewiesen erhöhte Infektionsrisiko nicht beschnittener Jungen und Männer ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß die Vorhaut eine große Oberfläche bildet, deren innen liegende feuchte Schleimhaut nur eine dünne Hautbarriere darstellt, während der beschnittene Penis eine trockene, weit widerstandsfähigere Oberfläche hat. So können beim Unbeschnittenen während des Geschlechtsverkehrs leicht mikroskopisch kleine Verletzungen entstehen, und das warme, feuchte Milieu unter der Vorhaut fördert zudem das Wachstum von Mikro-Organismen.

In den 50er und 60er Jahren wurden in den USA und Australien 90 % aller Jungen bald nach der Geburt beschnitten. Damals wurden als größte Vorteile für das gesamte Leben die bessere Hygiene, die Vermeidung einer Phimose (Vorhautverengung) und die Prävention von Peniskrebs angesehen. Der Trend, nicht mehr zu beschneiden, begann vor etwa 20 Jahren, nachdem das American Academy of Pediatrics Committee for the Newborn im Jahre 1971 erklärt hatte, es bestünden „keine wirklichen medizinischen Gründe für eine Beschneidung". Dies wurde 1975 abgeändert in „keine zwingenden medizinischen Gründe...", in der Verlautbarung von 1983 beibehalten, dann aber 1989 entscheidend geändert in „Neue Erkenntnisse geben Hinweise auf mögliche medizinische Vorteile..." [49].

Dr. Edgar Schoen, Vorsitzender der Task Force on Circumcision of the American Academy of Pediatrics, hat erklärt, daß die Vorteile der routinemäßigen Beschneidung männlicher Säuglinge als vorbeugende Maßnahme die Risiken bei weitem überwiegen [48]. Im Zeitraum von 1989-92 gab es eine Zunahme von Beschneidungen außerhalb des Säuglingsalters, und Dr. Schoen betonte damals, daß aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse ein Zusammenhang zwischen Nicht-Beschnittensein und Harnwegsinfekten nicht mehr nur „vermutet" werden müsse, sondern inzwischen „sicher" sei. Etwa zur gleichen Zeit wurden weitere wissenschaftliche Studien über Zusammenhänge mit anderen Infektionen, einschließlich HIV veröffentlicht. Daraus schließt Dr. Schoen, „Die Beschneidung von Neugeborenen kann man als vorbeugende Maßnahme betrachten, ähnlich wie Impfungen, bei denen Nebenwirkungen und Komplikationen zwar unmittelbar auftreten können, normalerweise aber zu vernachlässigen sind, während die Vorteile dagegen für das ganze Leben bestehen bleiben" [48].

Diese Vorteile umfassen: Abnahme körperlicher Probleme wie Phimose [36], Reduktion von Balanitis (Entzündungen von Vorhaut und Eichel) [17], weniger Harnwegsinfekte, keine aufgrund von Phimose schmerzhaften Erektionen in der Pubertät, weniger sexuell übertragbare Krankheiten, Verhinderung von Peniskrebs bei mittelalten und auch bei älteren Männern sowie Abnahme urologischer Probleme und Infektionen (Übersichten in [2, 18, 30, 44, 47, 49]. In den verschiedenen Lebensaltersstufen kommen also unterschiedliche Vorteile zum Tragen.

Neonatologen und Kinderärzte neigen dazu, immer nur die möglichen Probleme des Eingriffs selbst zu betrachten. Viele Urologen dagegen, die mit den Problemen unbeschnittener Männer zu tun haben, können nicht verstehen, warum nicht alle Neugeborenen beschnitten werden [47, 48]. Beschneidungen bei älteren Kindern haben [seit dem Rückgang der Neugeborenenbeschneidung in Australien, Anm. d. Ü.] zugenommen, doch mit zunehmendem Alter sind auch die Risiken, z. B. der Narkose, höher. Daraus schließt Dr. Schoen, „Angesichts des heutigen Wissens um die lebenslangen medizinischen Vorteile einer Beschneidung im Neugeborenenalter kann man sich nur dafür entscheiden" [48]. In einem Brief an Dr. Terry Russell in Brisbane äußert sich Dr. Schoen 1994 kritisch über eine Organisation namens 'NOCIRC' wegen ihrer „Verdrehungen, Lächerlichmachungen und Behauptungen, mit denen sie versuchen, Medizin, Politik und Öffentlichkeit zu beeinflussen", und gerade in einer Zeit zunehmenden Wissens um die Vorteile der Beschneidung seien die Aktivitäten dieser Gruppe immer extremer und hanebüchener geworden. So wurde z. B. die Vorhautbeschneidung mit der verstümmelnden sogenannten weiblichen Beschneidung in Teilen Afrikas verglichen, so als würde der gesamte Penis abgeschnitten. Als im Jahre 1993 in den USA bereits wieder 80% aller neugeborenen Jungen beschnitten wurden, folgerte Dr. Schoen, „vielleicht hat sich 'NOCIRC' entschlossen, ihre 'Botschaft' nach Australien zu exportieren, da sich ihre Anstrengungen in den USA als zunehmend wirkungslos erweisen". Weiterhin bemerkte Schoen, daß die Task Force on Circumcision of the American Academy of Pediatrics und er selbst als Vorsitzender von der genannten Gruppierung mit falschen und irreführenden Informationen geradezu bombardiert worden sei. Eine weitere derartige Gruppe ist 'UNCIRC', die Beschneidungen rückgängig machen will, indem z. B. die Haut am Penisschaft extrem gedehnt wird. Die behaupteten Vorteile in Form von „erhöhter Reizempfindlichkeit" seien in Wahrheit Folge der Reibung loser Haut (sei es echte oder künstliche Vorhaut) auf der feuchten und verschwitzten Eichel im unerregten Zustand und hätten nichts zu tun mit einer Zunahme von Empfindungsrezeptoren. Nach Angaben von Männern, die als Erwachsene beschnitten wurden, sind die Reizempfindungen des beschnittenen Penis beim Sex praktisch identisch, wenn nicht sogar besser als mit Vorhaut.

Eine weitere medizinische Autorität auf diesem Gebiet ist Dr. Tom Wiswell, der erklärt, „Als Kinderarzt und Neonatologe bin ich Anwalt der Kinder und will nur das beste für sie. Über viele Jahre war ich ein ausgesprochener Gegner der Beschneidung [...] Nach und nach habe ich meine Meinung geändert" [56, 57]. Ihm ist zugute zu halten, sich eine offene Einstellung bewahrt zu haben, die es ihm ermöglichte, jedes Für und Wider unvoreingenommen abzuwägen - und seine Meinung tatsächlich geändert zu haben.

Die mit der Beschneidung oder Nicht-Beschneidung verbundenen Risiken für neugeborene Jungen waren ebenfalls Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Zwischen 1980 und 1985 wurden von 136.000 Jungen, die in Krankenhäusern der US Army geboren wurden, 100.000 beschnitten; bei 193 davon (0,19 %) traten Komplikationen ohne Todesfolge auf [58]. Unter den 36.000 Jungen, die nicht beschnitten wurden, traten bei 0,24 % Komplikationen auf, und zwei Jungen starben [58]. Bei 11.000 Beschneidungen im New York's Sloane Hospital kam es im Jahre 1989 nur zu 6 Komplikationen, darunter kein Todesfall [44]. Es konnten auch keine psychologischen Folgen der Beschneidung Neugeborener nachgewiesen werden [46]. Erhöhte Cortisonspiegel während und kurz nach dem Eingriff deuten darauf hin, daß das unbetäubte Baby von der Prozedur zwar etwas mitbekommt. Diesem kurzzeitigen Schmerz muß jedoch der lebenslange Gewinn der Beschneidung in Form verringerter oder verhinderter Probleme gegenübergestellt werden. Örtlich betäubende Salben und andere Maßnahmen scheinen die Unannehmlichkeiten des Eingriffs zumindest teilweise lindern zu können; einige Babys zeigen jedoch selbst ohne jede Betäubung kein Anzeichen von Schmerz oder Unwohlsein.

Selbst Beschneidungsgegner betonen, daß eine lebenslange Penishygiene unabdingbar ist. Damit wird zugegeben, daß sich unter der Vorhaut etwas Schädliches oder Unangenehmes abspielt. Eine Studie an englischen Schuljungen kam zu dem erschreckenden Ergebnis, daß Penishygiene praktisch nicht existiert [44]. Zudem schreibt Dr. Terry Russel im Medical Observer, „Welcher Mann kümmert sich nach einer Nacht der Leidenschaften wohl um seine Penishygiene, bevor er herumrollt und schnarchend einschläft (während sich in dem warm-feuchten Milieu unter seiner Vorhaut die Bakterien vermehren)" [44].

Bei einer Elternbefragung im Sydney Hospital zu den Gründen der Beschneidung neugeborener Jungen gaben 3 % religiöse Gründe an, 1-2 % medizinische Gründe, und der Rest nannte Gründe wie „damit er wie sein Vater aussieht" oder daß ein oder beide Elternteile die Beschneidung wünschten [16]. Bei der Untersuchung in dieser Klinik erwiesen sich 62 % der Männer als beschnitten. Von allen untersuchten Männern waren 95 % europäischstämmige Weiße, und von den jüngeren wie älteren Männern waren etwas gleich viele beschnitten. Aus Adelaine wurde ein nahezu gleich großer Anteil Beschnittener gemeldet, 55 % der jüngeren Männer waren beschnitten. In England dagegen, wie in den meisten europäischen Ländern, liegt der Anteil bei nur 7-10 %; in den USA lag, wie oben erwähnt, der Anteil immer schon höher als in Australien [16].

Der Admiral
13.01.2003, 14:54
Herrliches Ausfasern. So schnell kommt man von Nehberg, Rüdiger zu beschnittenen Australiern. Überrascht hat mich allerdings, daß Windhund als Hochschulangehöriger an der Universität von Sydney arbeitet. Verrückt.

U_Sterblich
14.01.2003, 19:17
Bereits im März hatte Herr Leberwurst uns schon mal einen Vorgeschmack (http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?postid=140639#post140639) gegeben.

hanswasheiri
20.05.2004, 01:13
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