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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zander, Frank (muss eingesammelt werden)



Rudi Mentär
27.12.2002, 10:53
Es ist schon einige Jahre her, daher darf man es nun schreiben.

Eine Freundin arbeitete für ein Berliner Schallplattenlabel, es war einer dieser 150%-Jobs. Promotion, Künstlerbetreuung, mit Radiodoofmännern Mittag Essen gehen, viel Überstunden, wenig Geld, immer die Hoffnung auf groß rauskommen. Ja, die Freundin war ein bisschen doof. Das mit dem groß rauskommen glaubte sie. Sie machte auch sonst alles richtig, bestellte ab 1999 nur noch Latte oder Espresso Macchiato, trug italienische Schuhe, holte Mittags Essen bei McDonald's, fuhr auf Messen und zeigte dort ein stählernes Grinsen, sie war eine kleine liebe Medienziege.

Einen Abend schroll das Telefon.
>>RUDI HILF! ICH MUSS DEN ZANDER BETREUEN.<<

>>>>?

>>ICH MUSS DEN ZANDER BETREUEN! DEN ZANDER!

>>>>Du kannst doch auch was einfaches kochen?!

>>DU IDIOT! ICH MUSS DEN FRANK ZANDER BETREUEN. AUF
EINER GALA. DER HAT DA EINEN AUFTRITT.

>>>>Ach so. Was ist denn daran so schlimm. Gut, er ist nicht wirklich lustig, aber...

>>DER SÄUFT. WENN DER BESOFFEN AUFTRITT, DANN BIN ICH MEINEN JOB LOS.

>>>>Oh.

>>Kommst Du mit?


Ich kam mit. Natürlich hatte ich kein wichtiges AAA (Access All Areas)-Bapperl, aber immerhin bekam ich eine Einladung zur Gala, deren Titel und Aufführungsort wir hier nicht unbedingt benötigen. Der Plan meiner Freundin sah vor, dass ich dann und wann meine große Schulter zum Ausweinen zur Verfügung stellen sollte.

Pünktlich erschien ich am Seiteneingang des Dings. Meine liebe Freundin hatte Zander im Schlepptau. Er sah nicht gut aus, sein Teint wirkte wie eine mit gemahlener Paprika bestreute Teewurst. Er war offensichtlich nüchtern und fühlte sich gar nicht wohl. Schnell drückte ich der Freundin ein Duschaffstdasschonküsschen auf die Stirn, schaltete mein Handy ein und begab mich auf die Gala. Gemütlich fraß ich von den Buffets und wartete auf ein Handyklingeln. Das kam nach exakt 30 Minuten. Die Freundin war aufgelöst. "DER ZANDER IST ABGEHAUEN." - "Wie das?" - "ICH WAR NUR KURZ PIESELN" - "Und jetzt?" - WEISS ICH AUCH NICHT! ICH MUSS IHN SUCHEN!

Sie fand ihn nicht. Ich half. Man ließ mich sogar backstage rein, wir suchten überall, unter den Sofas, bei den Künstlerbüffets, in den Kühlschränken ("Hey, ich geh heut in die Minibar!") - nothing.

Das Suchen war dann auch nicht nötig.

Er kam eine Stunden später von ganz alleine, und zwar zehn Minuten vor seinem Auftritt. Er erschien, ein halbvolles Kölschglas in der Hand, eckig daherlaufend, gefolgt von einer an seinen Haaren rupfenden Gattin, diese wiederum gefolgt von einem vollkommen irr daherkläffenden und wild hochspringenden kleinen Hund. Es fehlte nur das Nudelholz in der Hand der Gattin, ansonsten war dies ein reines Heinrich Zille-Idyll.

WO WAREN SIE? meinte meine Freundin ganz ganz streng.
ICH WAR MICH NUR ERFRISCHEN! war die prompte, ja zackige Antwort.

Muskulöse Hilfskräfte entfernten freundlich aber bestimmt Gattin und Hund. Und dann legte Frank Zander einen 1a) Auftritt hin. Ein echter Steher.

Herr Uffelmann
27.12.2002, 12:41
Ganz klar ein Fall für Loby Dick!

Schöner Einstieg Rudi Mentär. Herzlich willkommen.

joq
27.12.2002, 12:54
Der Nick ist etwas aua, aber die Geschichte ist eine feine Erstlingsgeschichte!

Tobi Wahn
27.12.2002, 13:12
Mir missfällt, ehrlich gesagt, der doch etwas selbstgefällige Ton, mit dem Rudi Mentär mir die Welt erklärt. Menschen vom Radio sind doof, genau wie die Menschen von den Plattenfirmen.
Und den Kalauer mit dem Zander hätte ich an Herrn Mentärs Stelle auch weggelassen.
Und dann habe ich die Stelle mit dem Nudelholz nicht verstanden, mich aber trotzdem über den kleinen, hochspringenden Kläffköter gefreut.

Am Schluss noch frage ich mich, wie das 'einige Jahre her' mit dem Handy zusammen passen soll.

Fragen über Fragen, aber naja.

DREA
27.12.2002, 15:54
Heya, endlich mal wieder eine echte Einsteigergeschichte, noch dazu eine, die gar nicht mal so unnett ist.

Kurzer Schlenker in die gute alte Zeit, als Handies und Internetzugang noch nicht zur Grundausstattung des Durchschnittsdeutschen gehörten: Als ich 1995 oder 96 mein erstes Handy aufgezwungen bekam, war ich nicht sehr aufgeregt. Mochte nicht wirklich zu den Anzugmenschen gehören, die immer so laut durch Flughafenhallen, Cafes oder Fussgängerzonen brüllten, als würden sie mit dem Bauern vom Nachbarhof quer über Weiden und Felder Verabredungen zur Vesper treffen. Aber ich war Medienzicke, und da brauchte man so ein Ding nun mal. Anfangs war mir die Benutzung des Geräts ein wenig peinlich, aber bereits nach 3 Wochen hatte ich mich daran gewöhnt, von Handylosen (die damals in der überwältigenden Mehrheit waren) entweder mit Verachtung, Wut oder Mitleid betrachtet zu werden. Aber sowas können sich die jungen Menschen von heute ja gar nicht mehr vorstellen.