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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fasslabend, Werner



poldi
29.10.2002, 21:11
Wenn es nicht regnet, herrscht an Freitagnachmittagen im Belvedere reges Joggen. Am Freitag, der 25. Oktober 2002, war das nicht so. Strahlendes Herbstwetter zwar, doch am nächsten Tag Staatsfeiertag: viele Wiener hatten samt Wienerinnen die Stadt verlassen.

Belvedere, pars pro toto, Schloss für Park. Ein barockes Programm: man steigt beim Rennweg in die Irrgärten der niederen Sinnenwelt ein, sich läuternd hügelan, bis man - Triumph des Geistes, Apotheose des Feldherrn Prinzen Eugen - das Schloss erreicht hat. Dann geht man entspannt geradeaus und in der Ebene auf einem asphaltierten Weg um den großen Teich, sieht je nach Jahreszeit Enten, Möwen oder Nebelkrähen und kann den Park beim Südbahnhof verlassen.

Viele gehen auf diesem Weg eilig zur Arbeit, manche einfach spazieren - an diesem sonnigen Freitagnachmittag wenige. Dr. Werner Fasslabend, ein schmaler bebrillter Mann im hellen Regenmantel, ging Hand in Hand mit einer langhaarigen blonden Dame, auch sie im hellen Mantel. Sehr spitze Stiefel in der Farbe von nicht ganz altem Kognak trug sie, helle Hosen, hohe dünne schwarze Absätze machten sie um ein halbes Haupt länger als den wichtigen Mann. Ehefrau Martina? Lächelnd, die Gesichter einander zugewandt, gingen sie so auf dem asphaltierten Weg dahin, ganz privat. Bilderbuch: der Himmel war blau, das Blumenbeet bunt, die Bäume leuchteten grün und in den Farben von nicht ganz altem und ganz altem Kognak, eine sanfte Brise bewegte die hellen Mäntel.

Auf dem Nebenweg, hinter einer penibel gehobelten Taxushecke mit mehreren Durchlässen, wärmte ich zum Joggen auf und hätte in meinen Beugeübungen Herrn Fasslabend, den ehemaligen Verteidigungsminister und Vorsitzenden der ÖVP-Gewerkschafter, beinahe übersehen. Jetzt ist Fasslabend gewissermaßen noch Dritter Präsident des Nationalrats - gewissermaßen, weil sich der Nationalrat vor den Neuwahlen bereits aufgelöst hat.

Die penibel gehobelten Taxushecken lenken die Blicke der auf dem Hauptweg Flanierenden nicht nur von beugenden und dehnenden Joggerinnen und Joggern, sondern auch von einer Langfront ehemaliger Wirtschaftsgebäude ab. Dort arbeiten heute Angestellte der Modernen Galerie und zerbrechen sich unter anderem den Kopf, was sie über die Nazi-verhangene Geschichte der vielen im Belvedere aufgehängten Klimt-Bilder in einen Katalog schreiben können und was nicht. Es wohnen auch Leute in diesen Gebäudetrakt; wie ich einmal erzählen hörte, überzeugte Nachkommen von Engelbert Dollfuß.

Mittlerweile nicht nur asiatische BesucherInnen interessieren sich für das Belvedere als Anlage, in der Wind und Wasser, Feng Shui, perfekt fließen können. Barockgarten, axiale Symmetrie: in den Wirtschaftsgebäuden auf der anderen Seite des Teichs wohnte Frau Wodak, Witwe des sozialdemokratischen Außenministers der österreichischen Widerstands-Exilregierung. Von dort ist es nicht weit zum Kinderspielplatz, wo ich einmal Rudolf Scholten mit einem kleinen Mädchen sah.

Poldi Finzenberger