Rühe, Volker (Another prick at the wall)

[Edding Kaiser]

Am 10.11.1989, einem Freitag, kam ich vormittags in mein Elternhaus spaziert und meine Mutter sagte «Du, die Mauer ist offen!» und ich sagte «Ja, klar und was gibt’s sonst neues?» und sie sagte «Wirklich!» und ich sagte «Wie jetzt?» und dann schaltete sie den Fernseher an und wenige Minuten später buchte ich einen Flug nach Berlin, stand abends am Brandenburger Tor und sah den Deppen beim Mauertanz zu. Dazu gab es Schultheiss aus der Dose. Später sagten ich und meine Begleitung dem Taxifahrer, dass wir aus dem Osten seien und wurden daher umsonst nach Hause nach Schöneberg («Da lebt meine Grossmutter ausm Westen.») gefahren.

Am 12.11. standen wir inmitten einer Menschenmenge am Potsdamer Platz. Von Ostberliner Seite aus waren NVAler dabei, die Mauer mit Presslufthämmern zu löchern. Die erste Durchbruchstelle lag inmitten eines auf der Westseite hingesprühten Hakenkreuzes, das folgerichtig bröckelte und sich schliesslich in einer Staubwolke auflöste. Als hätten André Heller und Wolfgang Niedecken es inszeniert.

Plötzlich rumorte es um uns herum, es wurde geschubst und wir wurden sehr unsanft von Männern in schwarzen Anzügen beiseite gedrückt, die offenbar dabei waren, einem schweissigen Mann, der in ihrer Mitte ging, den Weg in die erste Reihe zu ebnen. Meine Begleitung war erbost und rief lauthals «Solln ditte?!» Darauf brüllte der Schweissige «Ich bin das! Das bin ich!» Meine Begleitung brüllte «Und wer bist Du?», ich brüllte «Das ist doch die Frau Rühe!» und Volker Rühe brüllte «Ich bin Volker Rühe!»

Später dann wieder Schultheiss.

[Sensenbach]

Na denn, Prost !

[Aporie]

Die natürliche Steigerung dieser Revolution:

Wir sind das Volk

Ich bin Volker

Ich bin Volker Rühe

[hofukusochi]

ich musste gerade an spiegelei denken, dabei wäre brühe logischer gewesen. aber eigentlich darf man so was doofes gar nicht unter so was schreiben.

[Herr Cohn]

Mauern Einreißen ist der Völker Mühe.

[Filippo Lippi]

steckt die Flosse in den Hals und macht Kotzgeräusche; kippt 12 Dosen Schultheiss; schlingert davon

[Benzini]

Ich habe niemals einen so gehemmten Verteidigungsminister gesehen, wie Volker Rühe. Nicht einmal Mongo-Scharping konnte das toppen.

[Herr Cohn]

Und erst Schorsch Leber, damals in den seligen Siebzigern. Schon sein Hemd war gehemmt.

[Filippo Lippi]

kippt 12 Doppelkorn hinterher, hält sich die Leber

[DREA]

Wäre ich Jockel dann würde ich gerade schon ein bisschen neidisch auf Aporie sein. So freu ich mich bloss.
Am Wirsindeinvolkundsaufenzusammenbilligensekt Tag fragten mich Dutzende von Amerikanern, Chinesen, Japanern und vor allem Koreaner, ob ich nicht irrsinnig glücklich sei. War ich nicht wirklich. Nach ein zwei Tränchen angesichts der feiernden Volksmassen (heule häufiger beim Fernsehn und im Kino) kassandrate ich was von wüsten wirtschaftlichen Problemen und unwahrscheinlichem Zusammenwachsen innerhalb einer Generation und alle fanden mich doof und kaltherzig.

[slowtiger]

Doch, vor dem Fernseher hab ich schon geheult. Das war OK. Das war ja weit weg. Ein oder zwei Tage später sah ich in der kalten Morgensonne einen einsammen Trabbi (arktikblau) so weit bei uns im Westen und mußte schlucken. Aber das wars dann. Am 3. Oktober dann hab ich eine Fahnenstange aufn Kopf bekommen und dann die Charité besucht, das war nicht mehr ganz so OK. Oh, dabei hab ich einen Fast-Promi getroffen. Gelten Taz-Redakteure?

[MC Hausmacherleberwurscht]

Wenn ich brechen will, erinnere ich mich immer an diesen Odeur, jenen ekligen Geruchsexzess an einem kalten Novembermittag: Frau Rühe, damals noch gestolperter Verteidigungsminister, hielt eine Rede vor Uniformierten, Hochdekorierten, über eine Stunde lang, drängelte sich nach den eigenen letzten Worten mit Helmut Schmidt im Gefolge zum Buffet, nahm eine Lachsschnitte mit Dill steckte sie in den Mund, kaute und weil ich dummerweise im Weg stand sprach er: "Ich habe heute den Hubschrauber! Da bleibt Zeit für einen Happen."

Es roch wie eine Stunde reden, 1000 Jahre Mief, mit einer Note totem Fisch plus Dill.

Jetzt gehe ich brechen.

[Gemini]

Am 10.11.1989 liefen bei uns zu Hause hektisch die Vorbereitungen an, sämtlichen Nippes aus der Zone, den wir in den letzten zwanzig Jahren von unserer komisch sprechenden Verwandtschaft aus Halle an der Saale geschickt bekommen hatten, wieder zu finden und irgendwie aufzuhängen oder aufzustellen. Ergebnislos.
Ja, ich glaube wir waren die einzigen Wessis, die Care-Pakete aus dem Osten bekamen. Das lief so: wir schickten Kaffee, Bananen, Lebkuchen und Marzipan und bekamen dafür kleine Bildchen und Figürchen, Plaste und Elaste aus Schkopau und manchmal auch eine Tafel Schokolade aus dem VEB Süßwarenkombinat Erfurt.
Ich weiß noch, dass ich mir mal die Mühe gemacht habe, die Inhaltsstoffe der Schokolade wie angeben, zusammen zu zählen: Kohlenhydrate (Fett, Zucker): 77,8 % Eiweiß 18,2 % Emulgator: 1,5% o.ä. Machte jedenfalls zusammen 98,5 %. Fehlten noch 1,5 %. Ich vermute, es war Schweineblut, was nicht angeben war, keinesfalls Kakao.
Am nächsten Tag hörten wir bereits dieses Töff-Töff-Töff nahen, und eine große blaue Qualmwolke zeigte den herannahenden Besuch unserer Verwandtschaft an. Wir legten uns alle flach unter die Heizkörper unter den Fenstern.

[Buratino]

Am 31.12.1989 war ich am Brandenburger Tor Sylvester feiern, dort tauchte gegen 23:00 Uhr David Hasselhoff auf, liess sich von der städtischen Feuriowehr auf eine Heberettungsbühne verfrachten und sang, in ein Jäckchen voll blinkender Lämpchen gehüllt, seinen Evergreen "Ive been looking for freedom..." so laut und dicht neben mir, das ich fast nach Hause gegangen wäre.

(Ich habbs geschafft. Mehr als einen Satz wollte ich darob nicht verlieren.)

[rupertjahn]

Buratino, es gibt hier irgndwo einen astreinen David-Hasselhoff-Strang, schreib doch da auch mal was drunter. Bitte.

[Ruebenkraut]

Ich verlinke mal (http://www.alles-bonanza.net/forum/showthread.php?threadid=10305) weil es so gut passt, und bettele auf diesem Weg ums Hochwuchten.

[Knappe Wamba]

@Buratino
Ich habe diese unglaubliche Darbietung damals im Fernsehen angeschaut und wäre gerne dabei gewesen. Und Sie waren dabei. Das bleibt nun also von dem ganzen Mauerkram übrig. Der Soli-Zuschlagskater hat bereits alle Euphorie hinweggerafft, aber die Hasselhoff Sache, die gibt mir was. Auch intime zwischenmenschliche Dinge in meinem Leben scheinen neben dieser Erinnerung zu verblassen. Das hat mit Volker Rühe zwar nichts zu tun, aber ich bin froh, das mir zu dem nichts, aber auch so gar nichts einfallen will.

[Buratino]

@Knappe Wamba

Hm. Irgendwie haben Sie recht. Damals habe ich mich gefragt, was dieser Kerl hier zu suchen hat. Aber heutzutage werde ich bei der Erinnerung daran irgendwie melancholisch und kriege feuchte Körperteile.

Sie wären gern dabeigewesen? Ich hätte gerne bei Ihrem Fips-Asmussen-Event beigewohnt. Darf ich, bei eventueller Wiederholung, um eine Einladung bitten?

(ich möchte die restlichen Leser bitten, diesen Strangmissbrauch zu entschuldigen)