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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Riemann, Katja (Theater-AG)



MrMachin
19.10.2002, 12:45
Eines Tages fragte mich mein Kunstlehrer, ob ich in der Theater-AG mitspielen wolle. Man gab die Dreigroschenoper, und man brauchte noch Bettler. Insgeheim war das durchaus schon mein Wunsch gewesen, aber von selber hätte ich mich nie hingetraut. Die Theater-AG war voller intelligenter, begabter, künstlerisch wertvoller, experimentierfreudiger Lichtgestalten, und obwohl ich sicher war, daß aus mir nie ein Künstler werden würde, hatte ich das teils versnobte, teils feuilletonistische Bedürfnis, in diesen Zirkel einzudringen.

Es gab zwei Regisseure: Zunächst Herrn Gilles, Deutsch- und Ethiklehrer, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Max Goldt hatte, oder vielmehr hatte dieser sie mit jenem: Als ich viel später in einem Kino eine Max-Goldt-Lesung besuchte und dieser gleich zu Anfang bedauerte, daß ein Kino keine Künstlergarderobe hat, rief meine Schwester sofort: "Wie Herr Gilles!" Das war fein beobachtet; nicht nur redete Max Goldt wie Herr Gilles, auch war Herr Gilles äußerlich eine Mischung aus Max Goldt, Kommissar Hunter und Otto Schaffrath. Max Goldt minus Hape Kerkeling gibt etwa Herrn Gilles minus einhalb Kommissar Hunter.

(In der Pause jener Lesung war ich der erste, der zur Toilette entschlüpfte, wo ich prompt den Vortragenden antraf, wie er gerade aus einer Kabine trat und mit Pokerface an mir vorbeihastete. Natürlich habe ich ihn nicht angesprochen, und da er schnell verschwinden mußte, wenn er nicht in einen Pulk von Publikum geraten wollte, obendrein auf dem Klo, konnte ich es ihm auch nicht verdenken, daß er sich für mein freundliches Gesicht nicht weiter interessierte, obwohl ich darein all mein Mitleid gelegt hatte, das ich empfand, weil er das Publikumsklo mitbenutzen mußte. Ich mache mich ritterlicher, als ich bin: Daraufhin habe ich sogleich seine Kabine benutzt, die allerdings nach nichts roch. So weit käme es noch, sich an dem Geruch von Max Goldts Urin berauschen zu wollen! Aber genug davon. Max-Goldt-auf-dem-Klo-Sichtungen gibt es schließlich genügend.)

Neben Herrn Gilles war da Herr Riemann, Kunst- und Sportlehrer, der Bruder der Filmschauspielerin, der ihr auch etwas ähnlich sieht, vor allem die kleopatraeske Spitznase und das Haar, nur etwas schütterer. Wenn Herr Gilles das Väterchen der Theater-AG war, war Herr Riemann das Brüderchen. Mit den Schauspielerinnen diskutierte er, ob seine aufgeknöpften buten Hemden und seine Brustbehaarung machohaft waren oder nicht. Für die Kostümierung stellte er Kartons mit allerbescheuertsten Klamotten, original aus den Siebzigern, zur Verfügung. Da war zum Beispiel eine rosa Strumpfhose, die bei der Anprobe ein Freund von mir anzog, die aber jedem gewöhnlichen Menschen viel zu klein war und wahrlich nichts versteckte. Ein Riesenspaß, aber ein einmaliger: Er weigerte sich, in dieser Hose als Gangster in Mackie Messers Bande aufzutreten, und alle taten, als hätten sie kein Verständnis dafür. Eine andere Hose, militärisch-grau, fand alljährlich Verwendung, zunächst für Beckmann in "Draußen vor der Tür", dann als Bettlerhose, im nächsten Jahr in einem selbsterstellten Stück, das den Anspruch, auf keinen Fall schülertheaterhaft und "plakativ" zu werden, gründlich verfehlte.

Bei Herrn Riemann zu Hause fanden auch allerlei Feten der Theater-AG statt. Auf denen wurde im Kreis gesessen und diskutiert über Philosophie und die Musik von Nirvana, seine große Plattensammlung durchgehört, die Videosammlung erörtert -- dabei ließ er es sich angelegen sein, kurz die kulturhistorischen Verdienste von "Rambo" anzureißen --, es wurde heimlich die Inneneinreichtung bewundert und Scharade gespielt.

Auf einer Theaterprobe, die bei schönem Wetter auf dem Schulhof stattfand, hatte er auch mal seine Schwester mitgebracht. Die saß auf einem Stuhl und betrachtete interessiert, aber höflich die Darbietungen, die an dem Tag besonders schlecht waren, weil natürlich alle an einer gewissen Befangenheit ob der anwesenden Prominenz litten. Niemand außer Herrn Riemann sprach mit ihr. Was hätte man auch sagen sollen? Schließlich waren wir alle schüchterne Paparazzi; höflich paßt hier nicht, denn es wäre wohl doch höflicher gewesen, ihr zumindest Guten Tag zu sagen. Warum er sie mitgebracht hatte, weiß ich auch nicht, es wurde nie über seine Schwester gesprochen.

Jahre später war sie als Attraktion auf einem Schulfest ausgestellt und bot Kinderschminken an. Hasen, Katzen, Fratzen, Indianer. Übrigens war letztes Jahr ein Freund aus Kuba in Deutschland zu Besuch, der den Eindruck gewann, das Kinderschminken sei hier sehr üblich. Ich versuchte ihn zu überreden, daß es durchaus nicht zentraler Bestandteil unseres Kulturkanons sei. Doch seitdem gehe ich mit geöffneten Augen über Frühschoppen, Volksfeste und Tage der offenen Türen und verstehe, daß dieser Eindruck nicht von ungefähr kommt.

Murmel
19.10.2002, 12:51
Was ergibt eigentlich Max Goldt x (Didi Hallervorden - Michael Mittermeyer) x (Fips Asmussen + Mika Krüger) : Jess Jochimsen? 3 1/7 Herr Gilles in feinem Aspik? Echt? Diese Mathematik...

MrMachin
21.10.2002, 08:22
Ziehen Sie das nicht ins Lächerliche! Personenarithmetik ist ein ernstes Geschäft!

Diskutieren Sie die Funktion Cosinus Euripides mal Gustav Klimt hoch Alfred Dreyfus Fakultät.

julia mantel
21.10.2002, 18:06
wunderschön erzählt.

Peter Bean
22.10.2002, 10:34
Wenn ich nur endlich, nach über einem Jahr Forumspräsenz wüsste, wer Max Goldt ist?

Schäm....

julia mantel
22.10.2002, 13:14
max goldt hatte jahrelang eine kolumne in der titanic und ein paar sehr, sehr gut beobachtete und humorvolle bücher geschrieben.

fabchief
22.10.2002, 13:18
zum Beispiel "alles über Erlangen", das war ein feiner Zug von Ihm

fabchief

Klede
22.10.2002, 13:25
starrt fassungslos auf Posting #6, meint, jetzt alles im Leben gesehen zu haben, kontempliert Suizid

DerCaptain
22.10.2002, 13:32
Ja, phantastisch.
Julia erklärt die Welt im Großen & im Kleinen.
Unser Ranchmaskottchen.
Ich finde ja, Max Goldt wird überschätzt. Bruhahaha!

stu
22.10.2002, 14:30
cap, ich finde das wirklich.
so, jetzt ist es raus.

Peter Bean
22.10.2002, 14:48
Ich habe die leise Ahnung, er ist gerade jetzt mitten unter uns...

stu
22.10.2002, 14:58
richtig, ich bin max goldt.

MrMachin
23.10.2002, 08:15
Erstmal liebe Julia Mantel, danke für das Lob!

Was Max Goldt angeht, so lese ich die skurrilen Alltagsbeobachtungen dieses liebenswerten Pfiffikus und Zweiflers immer sehr gerne. Ich verstehe aber, daß er in diesem Zirkel etwas abgeschmackt gefunden wird. Der Dramaturgie meines Textes hätte es vielleicht gut getan, wenn mein Deutschlehrer nicht ihm, sondern etwa Dieter Hallervorden geähnelt hätte; dann hätte ich aber sicher weniger gelernt.

Außerdem wäre ich nicht in eine Theater-AG eingetreten, die den gespielten Witz pflegt und in der jede Figur die Bühne unter fröhlichem Palimm Palimm betritt.

Ruebenkraut
23.10.2002, 22:48
Mir gefällt die Bemerkung zum Kinderschminken. Derselbe Gedanlke kam mir gerade am letzten Wochenende. Kinderschminken ist inzwischen bei jeder Veranstaltung DAS Kinderprogramm, sei es eine Ausstellung der örtlichen Schiffs- und Flugzeugmodellbauer oder der Hauskaninchenzüchter. Ich wette, es gibt Kinderschminken auch beim SPD-Parteitag sowie dann, wenn Möllemann irgendwo abspringt.

ntropie
27.02.2004, 19:00
Kaum 496 Tage zu spät erblicke ich jenes Posting über die durchaus erinnerungswürdigen Begebenheiten genau der Theater-AG, deren Mitglied zu sein auch ich die Ehre hatte.

Über Herrn Gilles, Max Goldt, zu enge Strumpfhosen und experimentierfreudige Lichtgestalten ist bereits alles gesagt worden, was es zu sagen gibt. Doch dies möchte ich hinzufügen:

Soweit ich mich erinnere, traf ich Frau Riemann schon kurz vor dieser Open-Air-Probe, da der Umfang meines Textes einige Privatproben mit ihrem Bruder und meiner Schauspiel- und Klassenkollegin erforderte, die rein zufällig auch sein - nunja - Betthase war.

Der damals noch nicht allzu bekannte Superstar schaute also etwas unsicher zur Tür herein und setzte sich nach einem kurzen Nicken ihres Bruders einfach so in den Hintergrund. Das irritierte mich. Putzfrau um diese Zeit? Und zugucken auch noch?

Mit naiver Jugendlichkeit fragte ich oben erwähnte Gespielin/Mitspielerin: "Wersn das da?" - "Die kennst du nicht? Das ist doch Jochens Schwester, eine ganz berühmte Schauspielerin!"

Viel später dann, es mögen Wochen vergangen sein, diskutierte ich mit Frau Riemanns Mutter stundenlang über Marihuana, Drogen an sich und wie man das alles so in die Schülerzeitung packen könnte, dass es dem gestrengen Blick der Direktor-Spaßbremse entgehen möge.

Herr Genista
27.02.2004, 19:29
Ich versteh kein Wort.

hanswasheiri
27.02.2004, 19:39
ich auch nicht so viel, nur, der mensch muss wohl ein nicht allzu bekannter superstar getroffen, aber nicht erkannt haben. die pointe, die geschichte und die wortwitze habe ich aber auch nicht verstanden. schade. drogen kamen auch noch vor und eine spassbremse.

Herr Genista
27.02.2004, 19:44
Oh, hab ich alles nicht gesehen. Ich muss allerdings zugeben, nur auf den ersten Absatz meine entzündeten Äuglein zu richten die Ehre gehabt haben zu wollen, da ist das dann vielleicht nicht überraschend. Sind Spassbremsen Insekten mit roten Nasen?

ntropie
27.02.2004, 19:50
Hm. Ursprüngliches Posting (http://www.hoeflichepaparazzi.de/forum/showthread.php?s=&threadid=16484) lesen, alle dort vorkommenden Namen merken, die daraufhin folgende Personenarithmetik betreiben (Ergebnisse merken!), dann nochmal Posting Nummer 15 (http://www.hoeflichepaparazzi.de/forum/showthread.php?postid=314259#post314259) rekapitulieren, "Superstar" durch "Riemann, Katja" ersetzen, elaborierten Code streichen, sich freuen.

Getz verständlicher?

hanswasheiri
27.02.2004, 19:50
ich habs nochmals nachzulesen versucht, aber es ist verhext, die augen rutschen am text immer aber, springen eine zeile, loopen plötzlich zur vorletzten oder überspringen ganze satzteile. ernst jetzt. aber an der spassbremse haben sie sich festgehalten und ich kann positiv vermelden, dass es ich sogar um eine direktionsspassbremse zu handeln schien, also um eine fliege, die eine rote nase zu tragen geruhen wollte, dazu aber ein schwarzer anzug und kravatte zu kleiden sich anschickte zu belieben.

Herr Genista
27.02.2004, 19:52
Sind Sie im Zirkus der reitenden Grinsegesichter aufgewachsen?

ntropie
28.02.2004, 02:24
Oh, Sie sind ein Witzigtuer, Herr Knaufkauz. Tschuldigungwusstichnicht. Außerdem bitte ich um Vergebung ob meines unverständlich insideresken verwortspielten Beitrags.

Danke. Amen.

Herr Genista
28.02.2004, 02:53
Ihre Bilanz bisher: uneigentliches Sprechen mehrfach nicht verstanden, plumpes Gestammel gepostet, und jetzt kommen Sie auch noch mit "Ich weiss wo Deine Homepage wohnt"-Anspielungen?

Ich rate zu einem neuen Pseudonym. Das alte ist kaputt und war eh doof.