Kess
15.10.2002, 14:36
Ich arbeitete längere Zeit als Komparse und kam dort mit den unterschiedlichsten Stars und Sternchen und solchen, die sich dafür hielten, in Berührung.
Am Schlimmsten war es immer, wenn in Abendprogrammserien sogenannte Gaststars auftraten. Ich erinnere mich an einen Drehtag, an dem Axel Schulz im "Klinikum Berlin Mitte" seinen Auftritt hatte.
Wir waren sehr aufgeregt, denn die Serie hatte bisher an prominenten Namen nicht sehr viel zu bieten. Und heute sollte uns also ein richtiger Star aufsuchen.
Herr Schulz erschien nur knapp zwei Stunden nach dem vereinbarten Termin, kaugummikauend und mit einem Baseballcap bekleidet, in Begleitung seiner Frau. Er spielte - oh Wunder - einen Boxer; seine Frau spielte seine Frau.
Nun wären selbst mir bei den Grundvariablen "Boxer" und "Krankenhaus" einige glaubhafte Geschichten eingefallen. Was dann tatsächlich im Drehbuch stand, war folgendes: Axel Schulz, der irgendwie anders hieß, hatte einen prominenten Boxstar zu verkörpern, der während der Reinigung seiner Pokale mit der Hand in einen solchen geraten und steckengeblieben war. Aus diesem Grund suchte er die Notaufnahme auf, machte dem diensthabendem Arzt deutlich, daß der Pokal auf keinen Fall bei der Befreiungsaktion Schaden erleiden dürfe und unterstrich diese Aussage mit beredetet Gesten aus der Boxerszene. Der Oberarzt, auf diese Weise eingeschüchtert, befreite ihn erfolgreich von dem Pokal. Herr Schulz verließ frohgemut das Krankenhaus, stolperte beim Ausgang, der Pokal fiel zu Boden und zerbrach in zwei Teile. Seine Frau tröstete ihn: "Kann man ja noch kleben.", die Antwort lautete: "Nein, nein, laß gut sein, ist ja auch egal." Soweit die Theorie.
Die Praxis war ein Trauerspiel.
Schon in der Notaufnahme wurde bald klar, daß Axel Schulz außerstande war, sich auch die einfachsten Sätze zu merken. Irgendwann hatten wir ihn soweit, daß er zumindest den Sinn der vorgegebenen Aussage traf. Erschwert wurde die Aktion dadurch, daß er zweifelsohne der Auffassung war, ein vortrefflicher Schauspieler zu sein, der es nicht nötig hatte, Text zu lernen, weil, "das kommt doch spontan viel besser, wa?".
Es folgte die Ausgangsszene. Der Regieseur, durch Schaden klug geworden, bestand darauf, die Proben nicht mit originalen Glaspokalen, die nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung standen, durchzuführen, sondern mit tesafilmversiegelten Melittakaffeedosen.
Axel Schulz bewegte sich also Richtung Ausgang, ließ die Kaffeedose fallen, brüllte abwechselnd "Fuck", "Mist" oder "Scheiße" und wurde von seiner Frau getröstet: "Kann man ja noch kleben.".
Dann kam der eigentliche Dreh.
Die Kamera lief, der Ton lief, Herr Schulz war wild entschlossen, alles beim ersten Mal perfekt zu machen. Er bewegte sich Richtung Ausgang, stolperte übertrieben und feuerte den Glaspokal auf den Fliesenboden. Dieser zersprang drehbuchgemäß, jedoch nicht in zwei, auch nicht in drei, sondern in ungefähr dreihunderttausend Einzelteile, die sich in einem Umkreis von sechs Metern wie feiner Diamantstaub über das Set legten.
Herr Schulz starrte.
Seine Frau starrte.
Ich kämpfte kurz mit mir, verlor, und bemerkte in die entstandene Stille hinein: "Kann man ja noch kleben."
Axel blickte von mir, auf den Scherbenhaufen, wieder zu mir und - es geschehen noch Zeichen und Wunder - stammelte hilflos: "Nein, nein, laß gut sein, ist ja auch egal." Ich glaube, das war das einzige Mal an diesem Drehtag, daß er den Text korrekt wiedergab. Wir mußten die Szene trotzdem noch einmal drehen.
Seitdem glaube ich daran, das Boxen dumm macht.
Am Schlimmsten war es immer, wenn in Abendprogrammserien sogenannte Gaststars auftraten. Ich erinnere mich an einen Drehtag, an dem Axel Schulz im "Klinikum Berlin Mitte" seinen Auftritt hatte.
Wir waren sehr aufgeregt, denn die Serie hatte bisher an prominenten Namen nicht sehr viel zu bieten. Und heute sollte uns also ein richtiger Star aufsuchen.
Herr Schulz erschien nur knapp zwei Stunden nach dem vereinbarten Termin, kaugummikauend und mit einem Baseballcap bekleidet, in Begleitung seiner Frau. Er spielte - oh Wunder - einen Boxer; seine Frau spielte seine Frau.
Nun wären selbst mir bei den Grundvariablen "Boxer" und "Krankenhaus" einige glaubhafte Geschichten eingefallen. Was dann tatsächlich im Drehbuch stand, war folgendes: Axel Schulz, der irgendwie anders hieß, hatte einen prominenten Boxstar zu verkörpern, der während der Reinigung seiner Pokale mit der Hand in einen solchen geraten und steckengeblieben war. Aus diesem Grund suchte er die Notaufnahme auf, machte dem diensthabendem Arzt deutlich, daß der Pokal auf keinen Fall bei der Befreiungsaktion Schaden erleiden dürfe und unterstrich diese Aussage mit beredetet Gesten aus der Boxerszene. Der Oberarzt, auf diese Weise eingeschüchtert, befreite ihn erfolgreich von dem Pokal. Herr Schulz verließ frohgemut das Krankenhaus, stolperte beim Ausgang, der Pokal fiel zu Boden und zerbrach in zwei Teile. Seine Frau tröstete ihn: "Kann man ja noch kleben.", die Antwort lautete: "Nein, nein, laß gut sein, ist ja auch egal." Soweit die Theorie.
Die Praxis war ein Trauerspiel.
Schon in der Notaufnahme wurde bald klar, daß Axel Schulz außerstande war, sich auch die einfachsten Sätze zu merken. Irgendwann hatten wir ihn soweit, daß er zumindest den Sinn der vorgegebenen Aussage traf. Erschwert wurde die Aktion dadurch, daß er zweifelsohne der Auffassung war, ein vortrefflicher Schauspieler zu sein, der es nicht nötig hatte, Text zu lernen, weil, "das kommt doch spontan viel besser, wa?".
Es folgte die Ausgangsszene. Der Regieseur, durch Schaden klug geworden, bestand darauf, die Proben nicht mit originalen Glaspokalen, die nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung standen, durchzuführen, sondern mit tesafilmversiegelten Melittakaffeedosen.
Axel Schulz bewegte sich also Richtung Ausgang, ließ die Kaffeedose fallen, brüllte abwechselnd "Fuck", "Mist" oder "Scheiße" und wurde von seiner Frau getröstet: "Kann man ja noch kleben.".
Dann kam der eigentliche Dreh.
Die Kamera lief, der Ton lief, Herr Schulz war wild entschlossen, alles beim ersten Mal perfekt zu machen. Er bewegte sich Richtung Ausgang, stolperte übertrieben und feuerte den Glaspokal auf den Fliesenboden. Dieser zersprang drehbuchgemäß, jedoch nicht in zwei, auch nicht in drei, sondern in ungefähr dreihunderttausend Einzelteile, die sich in einem Umkreis von sechs Metern wie feiner Diamantstaub über das Set legten.
Herr Schulz starrte.
Seine Frau starrte.
Ich kämpfte kurz mit mir, verlor, und bemerkte in die entstandene Stille hinein: "Kann man ja noch kleben."
Axel blickte von mir, auf den Scherbenhaufen, wieder zu mir und - es geschehen noch Zeichen und Wunder - stammelte hilflos: "Nein, nein, laß gut sein, ist ja auch egal." Ich glaube, das war das einzige Mal an diesem Drehtag, daß er den Text korrekt wiedergab. Wir mußten die Szene trotzdem noch einmal drehen.
Seitdem glaube ich daran, das Boxen dumm macht.