PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Paul P. (ou une étoile vient de naître)



meg
14.10.2002, 01:22
Eine Freundin hat mir erzählt, dass das eine Krankheit ist: Nichts, nichts, nichts tun können, immer müde sein, den ganzen Tag schlafen müssen, den Wecker in die letzte Ecke des Zimmers stellen, in der Früh aufwachen, vom Hochbett klettern, Wecker abklopfen und praktisch ohne die Augen zu öffnen die Leiter wieder raufklettern dass die Quali für die Berufsfeuerwehrsweltmeisterschaften locker geschafft wäre. Weiterschlafen. Es hat eine Zeit in meinem Leben gegeben zu der ich an diese Krankheit geglaubt habe. Die Verachtung, mit der, meinen umständlichen Beschreibungen meines Leidens nicht einmal zu Ende lauschend, der praktischer Arzt „Student“ gemurmelt hat um mir gestreckten Armes die Türe zu weisen lässt diese Situation in der Hitliste „fünf peinlichsten Momente/Leben“ immer im Mittelfeld mitmischen.
Heute, mit schwerem Kopf hänge ich in meinem Zimmer ab bis mir die geniale Idee kommt: Spazieren gehen. Die Luft ist kalt genug um ein wenig zu erfrischen, Wien by Winter (es ist schon saukalt hier) eines meiner Lieblingsthemen und mittlerweile schon wieder hinlänglich fremd um mir sogar einen kleinen Hauch Exotik unterzujubeln.
Ein kleiner Voraus-Motivationsschub lässt mich zum Telefon greifen um alte und trotzdem gute Freunde anzurufen. Die Beiden waren in den letzten Tagen in erhebliche Turbulenzen geraten, die zwar absehbar aber nicht minder überraschend (Realität pflegt ja immer hart und in der Härte überraschend zu schlagen) sogar schon zu einem eigenen gut besuchten Forumsstrang geführt haben.
Der Arzt wäre wohl weniger streng mit mir gewesen, hätte ich nicht jeden noch so kleinen Aspekt meiner Hypochondrie so detailverliebt geschildert, deshalb harter Schnitt und zum Kern der Geschichte: Die Zwei erwarten mich, und wie schon so oft komme ich in ihre Wohnung, werde gleichgültig als zu regelmäßiger Gast empfangen, fast muss man schon sagen ignoriert.
Von Photos kannte ich ihn ja schon seit einiger Zeit, auch bin ich ihm im wirklichen Leben schon einmal kurz begegnet, aber als er nun da vom Sofa aus mich keines Blickes würdigt bleibe ich doch unschlüssig in der Türe stehen. Die Situation entspannt sich nicht wirklich. Konversation machen um die peinlichen Pausen zu überspielen, keine Blöße vor ihm geben. Schläfrig, die Augen sogar geschlossen lässt er sich auch von einigen Anstrengungen der Freundin ihn auf mich aufmerksam zu machen nicht aus dem Konzept bringen. Ich selbst halte mich, ganz höflicher Paparazzi, unbeteiligt ein wenig abseits. So wenig Interesse irritiert und verunsichert allerdings doch, zumal nur zu viert im Zimmer. Linkisch stehe ich bei den umständlichen Vorbereitungen zum Aufbruch im Weg und bin froh, als wir schließlich doch noch das Haus verlassen. Im Freien, so meine Überzeugung, würde die frische Luft Lockerheit und gute Laune bringen. Tatsächlich sind meine Freunde in bester Stimmung und gelöst, so gestaltet sich der kurze Spaziergang im 16. Bezirk äußerst kurzweilig und bringt den ursprünglich anvisierten Effekt von relativer Frische und Jugendlichkeit; mein Leiden ist fast vergessen.
Als wir in die Wohnung zurückkehren geht eine Wandlung durch Paul wie sie größer nicht sein könnte. Plötzlich fängt er an herumzuschreien und l_tu findet nur ein einziges Mittel um ihn zu beruhigen; es würde wohl jeden herumgrölenden Mann zur Vernunft bringen.
Paul beginnt, kaum dass seine niedrigen Triebe befriedigt sind, neugierig die Bücherwand zu inspizieren. Als ihn mir l_tu auf den Arm legt beginne ich ihn ungeschickt zu wippen, zeige ihm Tschisi vor dem Computer und es gelingt mir während einer halben Stunde die mir wie eine kleine Ewigkeit erschien, ihn von allen Unmutsäußerungen abzuhalten. Zugegeben, das überschreitet den üblichen Verhaltenskodex gegenüber Prominenten in diesem Forum.
Nun habe ich Schmerzen im linken Arm, vom Wippen, und Tschisi hat mir schon wieder neue Photos geschickt.
Dass Paul schon in so zartem Alter zum veritablen Star wurde liegt eindeutig an seinen Entertainerqualitäten und seinem scharfsichtigen, aber immer unüberheblichen Intellektualismus. Tschisi stellt ganz richtig fest:
„Es hat den Anschein, als wären seine Anschauungen bereits unumstößlich gefestigt. Schon seit den allerersten Lebensstunden verrät sein Blick nichts als abgrundtiefe Welt- und Menschenverachtung.“
Für ein paar Stunden war alle Mattigkeit geheilt und jetzt, wenn ich langsam und müde das schwere Wasser zu den Lippen führe denke ich nur, dass ich das öfter machen sollte, mit Paul spazieren gehen.

rron
14.10.2002, 02:08
Was soll man sagen. Der schönste Mann im gesamten Forum schreibt über das schönste Resultat der schönsten Liebe im gesamten Forum. Ich gehe jetzt weinen oder schöne Kinder zeugen, was halt zuerst passiert.

Torns Schwester
14.10.2002, 09:10
Für diese Geschichte breche ich gern mein Nichtlobengelübde. Und nicht nur, weil sie so außergewöhnlich schön ist, sondern weil sie zum rechten Zeitpunkt kam, um mir mal wieder klarzumachen, dass "Nie-mehr-allein" nicht nur ein Fluch, sondern auch ein Segen ist. Vor allem das.

bettyford
15.10.2002, 10:10
Auch ich möchte meg eine großartige Zukunft voraussagen. Vielleicht als Glückskekstextautor? Dann gäbe es wirklich Erbauliches voller Weisheit zu lesen und die Kekse wären auch viel größer.

Ignaz Wrobel
15.10.2002, 12:16
Klar, daß betty auftaucht, wenn irgendwo "schönster Mann im ganzen Forum" steht. Das ist ja wohl mehr als vorhersagbar. Wieso eigentlich Mann? Heißt Max jetzt meg? Schöne Geschichte.