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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Korff, H.-P. (steht still)



Max DeRire
08.10.2002, 13:02
Im Winter 1991 nahm ich an Sonntagen regelmäßig die Nachtzüge von Düsseldorf nach München. Wenn ich sie erwischte. Oft bin ich schon im Zubringer, Regionalbahn Aachen – Wuppertal, eingeschlafen. Das war ein echtes Problem. Wenn man erst in Hagen aufwachte, war eine lange Station auf dem unwirtlichsten Bahnhofsgelände Deutschlands vorprogrammiert. Und wenn man nachts in Hagen auf einer der vielen gnädigen Bahnhofsbänke auf den nächsten Tag wartet, ist man eigentlich nie ganz alleine. Einmal habe ich einen farbenblinden Skinhead mit Lymphstau kennengelernt, seitdem finde ich Worte bei evtl Fragen, warum hast du eigentlich so dicke Füße, dann sage ich, nun, das ist sogenannter Lymphstau, das sieht eigentlich nur seltsam aus. Die Meisten sind dann sehr verständnisvoll oder besorgt, kein Wort mehr über Klumpfüße. Weitaus häufiger verbrachte ich aber die Nächte auf dem Düsseldorfer Hauptbahnhof, aus dem ärgerlichen Grund, weil die Zubringer aus Aachen mit großer Selbstverständlichkeit exakt eine halbe Stunde verspätet und die Anschlusszüge futsch waren. Immer noch besser als Hagen. Auf dem Düsseldorfer Hauptbahnhof tobte es damals auch spät abends noch, hier ist ja praktisch immer Karneval und ein Alt geht noch und die längste Theke der Welt haben wir, na klar, auch im Bahnhof.
Irgendwann gab es dann die Säuberungsaktionen der Polizei, Penner raus, Pendler rein, dann wurden kurz nach Zwei die Haupttüren verschlossen und bleiben durfte nur, wer ein gültiges Ticket hatte. Erklären Sie mal einem Polizisten, dass ein Zivildienstausweis ein nützlicher Wisch ist, weil man damit Zug fahren darf, sogar kreuz und quer durch die Republik, da erntet man nur ungläubiges Stirnrunzeln, selbst, wenn all deine Papiere m.E. völlig i. O. sind, Amtssprache, Check Check, wir haben hier einen Max DeRire aus Safthausen, liegt da was vor. In Düsseldorf sind mir auch die ersten Rolltreppensheriffs aufgefallen, d.h. ich habe plötzlich mindestens zehn von ihnen aus ihren dunklen Rolltreppenbeobachtungsbunkern gelockt, als ich –provocation!- ein anderthalb Zentner schweres Marshall-Halfstack auf ein Gepäckband wuchtete und auf eine kurze Reise schickte, die Treppen hoch. Eine sehr überflüssige Aktion, die mit einer zähen Versicherungskorrespondenz endete, jedenfalls, ein paar Meter hinter mir hörte ich eine Ernte23-Stimme sagen, Check Check die Rolltreppe, hier auf Zwölf ist ein Spinner mit einem Problem.

Wenn man also aus genannten Gründen um 1h30 seine Nachtbesorgungen in den vielen Drogeriegeschäften, den Mini-Supermärkten oder Blumenläden nicht erledigt hatte, war die Aussicht auf einen netten Aufenthalt in Nordrhein-Westfalens Vorzeigestadt einigermaßen getrübt, wer schnorrt schon vor dem Bahnhof gerade jene Leute auf einen Schluck Bier an, denen man eben noch eine Mark in die Hand gedrückt hat, woran sich wiederum kaum jemand erinnern wollte, stellvertretend sei ein Typ namens ‚Action Andy‘ genannt, der drohte mir mit öffentlicher Zwangskastration, Andy, danke nochmal. Ich versuchte also immer, pünktlich zu sein, rechtzeitig einen Fuß in eine der Ausbeuterfilialen von MiniMarkt zu setzten, um einem enorm beinbehaarten Mädchen namens Astrid Frikadellen und drei Dosen Bier abzukaufen und ihr schönes Lächeln. Ich war immer der letzte Kunde. Aber an jenem Abend war nichts so, wie es immer war. Weil es kälter war als sonst, weil ich müde war und weil es so unsagbar sinnlos ist, einen Zug zu nehmen, der einen dahin bringen soll, wo nur Erinnerungen warten, meine Liebe in München war über Nacht geplatzt, ich war vogelfrei.
Da lungerte ich im MiniMarkt herum und zählte mein Geld und es würde noch reichen für einen ganzen Sixpack und in meinem Walkman leierte seit Stunden Iggy Pop’s Kill City und immer wenn das Stück ‚Night Theme‘ vorbei war, spulte ich zurück, irgendwann waren die Batterien fertig, Astrid sagte, sie wolle jetzt endlich dicht machen. Aber da stand in der hinteren Ecke des MiniMarkt noch ein hochgewachsener Kunde bei den Wasserflaschen, mit langem Mantel und aufgestelltem Kragen, seltsam, denn er bewegte sich wirklich kaum, machte keine Anstalten, den Laden zu verlassen. Glück für mich, dachte ich, da kann ich auch noch ein bisschen bleiben, solange der hier drin ist, würde Astrid mit dem Rausschmiss warten. Ich lief eine weitere Runde. Hans-Peter Korff beachtete mich nicht. Seine ausdruckslose, darin aber beachtlich eindrucksvolle Mine probte einen Western, zu dumm, dass wir mitten im Düsseldorfer Bahnhof standen, Wyatt Earp stand Korff so viel besser zu Gesicht als Witta Pohl, von wegen Uhlenbusch und Heini und dieses ganze nutzlose sozialdemokratische Erziehungsfernsehen. Dieser Mann war Outlaw. Ich näherte mich und bitte, es hätte auch eine Popsau wie David Bowie sein können, mir war nicht nach Paparazzen zumute, alles, was mich interessierte, war der Beutel Tabak in seiner Hand, und so fragte ich höflich, ob ich mir auch eine drehen dürfe, und er sagte ja, und dann bauten wir zwei Zigaretten und zwar ziemlich nah am Wasser.

Edding Kaiser
08.10.2002, 13:13
Ich möchte auch auch Mädchen kennen, das Astrid Frikadellen heisst.

Publikum
08.10.2002, 13:23
Wyatt Earp (http://www.jufinale.de/2000/promis.html)

vir
08.10.2002, 21:40
Ich weiss nicht, wer Herr Korff ist (es sei denn, er haette irgendwas namens carmina burana komponiert), und ich will es auch gar nicht googlen, aber, Lobwurstsyndrom hin, 'zu-gut!'-Kritiker her: das ist einfach eine saugute Geschichte.

Und das haette ich auch gefunden, wenn Max y.B. nur ein bucklig Maennlein waer.

maki
08.10.2002, 21:45
young Boy? yummy, Baby? yunger Bursch?

Die Wucht
08.10.2002, 23:28
Wenn ich Maxgeschichten lese, denke ich immer, es wird schon wieder werden, die Welt war schon mal schlimmer. Im Ernst jetzt.

Yvonne Caldenberg
08.10.2002, 23:55
Schlimmer? Max geht es nicht schlimm in der schönen Geschichte. Nicht im Vergleich zum farbenblinden Lyphstauskin.

rron
08.10.2002, 23:58
Behauptet ja auch niemand.

Außerdem regiert Max sowieso. Max, Freitag abend sardisch?

vir
09.10.2002, 16:48
Du willst es MdR 'sardisch' besorgen!? Das ist doch die Stellung wo man ganz eng zusammen liegt und dabei Oel über sich giesst? Pfui.

Richie
09.10.2002, 16:59
Die Ernte23 - Stimme hat es mir ja schon sehr angetan, aber was mich wirklich beschaeftigt: was bringt einen in die Situation, mit einem Marshall - Halfstack auf einem Bahnhof zu stehen? Bandbusbreakdown? Ein sadistischer Bassist, der einen aussetzte?

Kater
18.11.2004, 11:02
Ob sich das nochmal aufklärt? Egal, super Geschichte & außerdem ist fast Freitag.