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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Röhrl, Walter (Der Fahrer des Bischofs - ein Teufelskerl)



Pomito
20.09.2002, 14:57
Das Thema Auto wird hier im Forum ja gerne mit Geringschätzung gestraft - zurecht, wenn man sich die bisherigen hilf- und kraftlosen Versuche einer Annäherung anschaut. Dabei ist zum Beispiel die Welt des Motorsports bunt und schillernd und ökologisch bedenklich, und das Verheizen von fossilen Brennstoffen sollten wir nicht grenzdebilen Schumi-Fanatikern überlassen. Eine Begebenheit mit einem prominenten Vertreter mag dies belegen.

Ein Winter in den 90ern. In meiner Eigenschaft als Redakteur eines TV-Automagazins fliege ich nach Gran Canaria, wo jedes Jahr kurz vor Weihnachten eine Art Klassentreffen der Rallye-Elite vergangener und aktueller Zeiten stattfindet. Beim sogenannten 'Race Of Champions' fahren große Namen aus Past und Present auf einem abgesperrten Rallye-Kurs in einer präparierten Kiesgrube, der mitten in einem hügeligen Gebiet an der Ostküste liegt. Just for fun, die Veranstaltung hat keinerlei sportlichen Wert. Sprunghügel, Wasserlöcher, 180-Grad-Kurven und andere Goodies sind fein säuberlich in die Landschaft modelliert und das spanische Publikum begleitet die dreitägige Veranstaltung von den Hängen der Grube herab mit fanatischer Begeisterung. Das Areal wird vermutlich den Rest des Jahres über für atomaren Sondermüll genutzt.

Wir haben den Auftrag, über dieses Ereignis zu berichten. Der Deutsche Walter Röhrl ist mit dabei, mehrmaliger Weltmeister und Ikone des Rallyesports. Ein sehr großer Bayer, eher still und einst Fahrer des Bischofs von, äh, ich glaube Würzburg. Seine aktive Zeit ist lange beendet, er fährt aber immer noch zum Spaß bei Veranstaltungen wie dieser. Das Fahrzeug seiner Wahl: Ein Audi Quattro Sport - Kenner wissen: Der mit dem kurzen Radstand. Ein Würfel auf Rädern, mit ebensolchen Fahreigenschaften.

Aus einer beiläufigen Bemerkung ergibt sich für mich die Gelegenheit, mit Röhrl eine Runde auf dem Kurs zu drehen, beifahrenderweise, versteht sich. Der Kameramann hat im Fahrzeug eine DV-Kamera am Überrollbügel befestigt und möchte nun die Beanspruchung testen. Herr Röhrl ist zunächst freundlich-distanziert, stimmt dann zu und bittet mich an Bord. Ich klettere über die Verstrebungen des Innenraum-Käfigs und werde schließlich in einer Sitzschale festgezurrt. Vor mir nacktes Blech und eine Batterie von Sicherungen. Der Meister sitzt entspannt am Volant, startet das Monster und wir setzen uns in Bewegung. Beim Anrollen zur Startlinie betreibe ich ein wenig Small Talk, was wegen der Schutzhelme allerdings klingt, als wäre Dolby-NR noch nicht erfunden. Ja, die Geschichte mit dem Bischof sei wahr, bestätigt mir Herr Röhrl freundlich und erzählt mir, dass er jedes Jahr gerne nach Gran Canaria komme, die Atmosphäre sei so angenehm und es mache ihm sehr viel Spaß, noch einmal im Renngerät aus alten Zeiten durchs Unterholz zu preschen. Dann verstummt er. Wir warten auf das Grün der Startampel.

Die nun folgende Schilderung verdanke ich der an Bord montierten Kamera, denn ich hatte während der Fahrt genug damit zu tun, mein Leben Revue passieren zu lassen und G-Kräfte vom mehrfachen der Erdanziehung hinderten mich an kontrollierten Kopfbewegungen.
Die Kameraeinstellung beinhaltet zur Linken meine Wenigkeit im Anschnitt, das Gesicht von Herrn Röhrl ist komplett sichtbar. Wir hören die letzten Satzfetzen der Prä-Start-Konversation, dann verwandeln sich die freundlichen Züge des Chauffeurs in eine Maske der Undurchdringlichkeit und der Konzentration. Dieser Mann hat eine Mission.
Die Ampel springt auf Grün.

Rechte Bildhälfte: Röhrl lenkt – ganz fokussiert auf rasiermesserscharfe Drifts (mit Allradantrieb!) und exakte Gangwechsel. Eckige, schnelle Bewegungen. Er ist ein PS-Roboter, eine äußerlich vollkommen regungslose Beschleunigungsmaschine. Das Bild vibriert, der Sound ein helles Kreischen, unterbrochen von dumpfen Ouummps und ratternden Bodenblechen: Kein Zweifel, wir fliegen auch gelegentlich. Ein neues Geräusch: Kieselsteine auf einer Steel Drum, der Schotter spritzt neben uns weg.

Linke Bildhälfte: Ich, hin- und hergeschleudert in der Sitzschale, denn obwohl die Gurte beim Anlegen sehr fest schienen, bleibt noch genug Spielraum für Bewegungen der Extremitäten. Mein Gesicht ist, äh, eher unkonzentriert und meine Augen buchstabieren ein Wort: ANGST. Der Rundkurs - ein vorbeihuschendes Etwas, wie im Drogenrausch, alles blurry. Ich sehe Kurven, deren Ausgang nicht zu erkennen ist und merke nur, dass Röhrl nie bremst. Ich habe keine Ahnung, wie er es macht, aber wir kommen immer dann um die Ecke, wenn ich schon denke, das war’s. Wieder ein Opfer beim Autorennen, Motorsport can be dangerous, so sagten es auch die aufmunternden Sätze auf dem Presseticket. Ich verfluche meine Berufswahl und nehme mir vor, meine Aufgabe als Beobachter demnächst wieder wörtlich zu nehmen.

Nach einer endlos erscheinenden Zeit naht die letzte Kurve, eine 90-Grad-Links, die wir bravourös durchqueren. Wie auf Schienen, aber mit Tempo 560. So fühle ich mich. Dann das Zieltor, Auslaufzone, Herr Röhrl lässt den Motor noch einmal aufheulen und wir rollen in das Fahrerlager.

Linke Bildhälfte: Ich bin buchstäblich unfähig, irgendetwas zu sagen. Meine Kollegen von der Television öffnen die Tür, ich höre Fragen , Stimmen, Kommentare und kann nicht reagieren. Ich habe dem Tod ins Auge gesehen, ich bin Colonel Kurtz und für die Kohlenstoffwelt momentan verloren. Irgendwie wringe ich mich aus dem Auto und suche mir eine Sitzgelegenheit.

Rechte Bildhälfte: Die letzte Kurve ist genommen, das Ziel durchquert. Aus dem wächsernen Speed-Mutanten neben mir wird ein Mensch, die Gesichtszüge werden weich. Der Helm verschwindet und ein Lächeln ist sichtbar. Kein Grinsen oder sonstiges Zähnezeigen, aber fein gravierte Linien um die Mundwinkel. Der infernalische Sound des Motors erstirbt und das Schlußbild zeigt ein leeres Cockpit und eine mit einem hellen Metall-meets-Plastik-Geräusch zuschlagende Tür.

Ich habe mich nicht von ihm verabschiedet.

Angelika Maisch
20.09.2002, 15:44
Pomito, du Teufelskerl! Ist es also wirklich so grenzerfahrerisch?
Ich hörte davon, aber bevor ichs nicht mit eigenen Augen gelesen habe, von einem den ich selber kenne, da, wie soll ich sagen, ich glaubte es nicht so recht. Nun aber... Pißt man sich wirklich in die Hosen?

Hörte übrigens am Wochenede so eine Parodie über Rennfahrer,
alle Geräusche & Stimmen vom alten Ustinov.
Sehr zu empfehlen.

Pomito
20.09.2002, 15:57
Inkontinenz konnte ich vermeiden.

Nur damit keine Mißverständnisse aufkommen: Der Autor der o.g. Geschichte hat das korrupte Automobilgeschäft längst verlassen und lebt heute in einer Landkommune in der Voreifel, die direkt von der Weltregierung in Tibet finanziert wird. Aber das weiß Mutter Maisch ja alles...

AntonH
21.09.2002, 11:35
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Franzzz
22.08.2012, 09:30
(Irgendwann 2004) "Uuups", will man gerade denken, weil man Carrera-GT-mäßig flott über eine Kuppe im Bayerischen Wald geflogen ist und jetzt ein traktormäßig langsamer Traktor unverhältnismäßig schnell näher kommt, "du gibt's ein paar Sekunden Gas", sagte Röhrl noch kurz vor der Kuppe "und bist auf 200", klar, 600 PS, da geht schon was weiter, wenn man Gas gibt, aber jetzt, "jetzt bremse ich einmal", meint Röhrl, der offenbar schon wusste, dass hinter der Kuppe ein Traktor sein wird, das gehöre zu einem Auto wie diesem, erklärt er noch, "Bremsen, dass dir das Hirn stehen bleibt", und dann bremst er einmal und natürlich bleibt nach dem Bremsen noch Platz zwischen Porsche und Traktor, um mindestens einen Sattelschlepper unterzubringen.

Was Menschen wie Walter Röhrl von normalsterblichen Autofahrern unterscheidet, scheint irgendwie eine andere, langsamere Wahrnehmung kleinster Zeiteinheiten zu sein. Wenn unsereins meint, dass jetzt alles schon viel zu knapp ist, hat ein Röhrl noch jede Menge Zeit, zu bremsen, zu lenken. Obwohl, er lenkt ja nicht viel, weil "beim Autofahren, sage ich seit 40 Jahren, gibt's nur eins: So wenig wie möglich lenken." Deshalb war der Stuck auch immer langsamer als er, der hat nämlich zu viel gelenkt.

Windhund
22.08.2012, 10:37
Ich hatte mal das vergnügen mit dem Herrn Röhrl den Nürburgring in einem Porsch Turbo zu bereisen.. Das Event fand im zuge eines Fahrertrainings vom selbingen Hersteller der Automobile Statt.. ich möchte es hier nicht so malerisch darstellen, aber nach vielen Tps und Erklährungen kam in Runde zwei die Frage von Ihm ob alles klar sei, worauf ich ihm nur sagen konnte er solle mal kurz rechts Rann fahren ich müsse mir das gesehene nochmal durch den Kopf gehen lassen. Bis dain hielt ich die schnellste Runde der Teilnehmer des Events, was ein scheiss war gegen das was Herr Röhrl...
Das Bremsen, ich hatte das gefühl der Porsche fährt nur noch auf den Vorderrädern.
Für ihn war das wohl nichts besonderes den er sagte mal " für alles über 8 Minuten ziehe ich keinen Helm auf"
Er hatte keinen auf

Er hat ausser dem das schönste Zitat zum Thema Beschleunigung das ich jemals hörte,der Welt hinterlassen

"Beschleunigung ist, wenn die Tränen der Ergriffenheit waagrecht zum Ohr hin abfliessen"

Franzzz
22.08.2012, 11:09
Ich beneide Sie sehr, Windhund, Porsche Turbo mit Röhrl am Nürburgring, es wird wohl wenig Menschen geben, die dieses Auto schneller bewegen können. Wenn Sie einmal Zeit und Muße haben, erzählen Sie doch etwas detaillierter.

Handgestoppte 7,32 erwähnte er übrigens damals für den GT, "aber ohne auf Zeit zu fahren", fügte er noch hinzu.

honz
22.08.2012, 12:22
Unter diese Perlen muss noch die Heinz-Harald Frentzen Geschichte von Torns Schwester http://www.hoeflichepaparazzi.de/forum/showpost.php?p=194739&postcount=7

Seit dieser Geschichte habe ich bei jeder Autobahnauffahrt die zwanghafte Assoziation, wie Heinz-Harald die jetzt nehmen würde, habe es sogar mal ausprobiert nur mit viel Gas geben um die Ecke zu fahren, habe es aber wegen wanderdünemhaften Fahrwerk (Stichwort Bulleneier) und mangelnden fahrerischen Können und Beinahecrash dann gelassen

Lohnenswert in obigem Strang auch #6 von El Präsidente Stimmo "ich ernenne Torns Schwester zu Eckermanns Bruder."