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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie mir ein Ex-MI5-Mitarbeiter im Brechthaus das Horst-Wessel-Lied vorsang



Verboten Wolf
20.09.2002, 00:36
Der Ex-MI5-Mitarbeiter:

Der sehr alte Spionageromanautor Ted Allbeury. Nach dem zweiten Weltkrieg war er als ehemaliger britischer Geheimdienstoffizier in Deutschland mit der Entnazifizierung beschäftigt. Von einer anderen Website geklaut seine Beschreibung dieser Zeit:

"I can still remember vividly the months after the surrender in 1945 when my unit and I were combing our area of Germany for Nazis ... I learned from those days that there wasn't all that much difference between German intelligence officers, KGB men
and me ... After I had left the services I got more Christmas cards from men I'd arrested and interrogated than from others. Could be a reflection on my character of course ... The place stank of dead bodies and no-one had any idea how to behave. I was immediately regarded as the British Gestapo ... I remember walking down by the river bank where German families would be strolling. We would look at each other and it was rather like a lion walking round a herd of deer. No-one knew what to do or say."

Das Brechthaus:

Austragungsort der Lesung mit Büchertisch; ich war damals Krimibuchhändlerin. Nach der Lesung saßen wir noch im Brechtkeller zusammen, wo auf der Speisekarte allerhand Wichtigtugerichte wie "Fischstäbchen nach Art der Weigel" verzeichnet sind. Ich erinnere mich leider gar nicht an die zahlreichen Geschichten, die Allbeury erzählte, nur noch daran, dass er sein Amt unter anderem dazu missbrauchte, einem deutschen Bekannten zu einer Trauung durch einen richtigen Bischof zu verhelfen.

Das Horst-Wessel-Lied:

Wenn er heute an "Sag zum Abschied leise Servus" oder an das Horst-Wessel-Lied zurückdenke, sagte Allbeury zu vorgerückter Stunde, bekomme er immer noch eine Gänsehaut. Rechts und links von ihm saßen seine junge Dolmetscherin und ich und sahen ihn höflich-ratlos an. Er merkte, dass wir weder das eine noch das andere kannten und sang uns zu unserer Fortbildung beides vor. Nebenan auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof drehte sich Brecht im Grabe um. Aber das war uns törichten jungen Dingern egal und wir vergaßen den historischen Moment und das Horst-Wessel-Lied gleich wieder. Dies ist alles, was davon übrigbleibt. Nomina nuda tenemus.

Edding Kaiser
20.09.2002, 00:38
seufzt einen Seufzer, der seinem inneren Glück Ausdruck verleiht.

Butch Cassidy
20.09.2002, 12:19
Tja, heute wäre so eine gemütliche Gesangstunde gar nicht mehr möglich: die Menschen hören nur noch Konservenmusik, selber singen tut ja keiner mehr, das gilt als uncool.

Aber wie kommt das denn, daß Du vom Wessel-Lied noch nie gehört hattest? War das nicht bis vor ein paar Jahren noch das Standardbeispiel für ungutes Liedgut?

Butch Cassidy
07.10.2002, 19:53
Nicht doch, Igloh. Du bist doch gar kein einfacher User. Du bist auch kein Laie, und ein Fachmann bist Du gleich gar nicht. Du bist einfach ein bemerkenswert armseliger Depp. Aber das ahnst Du ja schon, so vernagelt bist Du dann auch wieder nicht, obwohl´s Dein Leben angenehmer machen würde, gell?

Alberto Balsam
12.03.2004, 23:35
In einem Walter-Kempowski-Buch kommt ein Spiegel-Ei a la Hitler vor, das ein eifriger Wirt anbietet:
Auf dem Dotter ist mit Heringsrogen ein Hakenkreuz geformt

raumoberbayern
11.04.2004, 14:06
Bei Kanonen-Willy im Preusseneck, da haben sie auch immer das Horst-Wessel-Lied gesungen, am 20. April. Vorm Haus hat Willy die Reichskriegsflagge gehisst. Draussen »Geschlossene Gesellschaft« und drinnen »Die Fahne hoch«. Willy wäre jetzt dann bald auch hundert. Musste wohl nicht sein: Bauchschuss im Urlaub unter südöstlicher Sonne. »Schönen Gruß aus Bangkok« furzend trat er ab. Heute befindet sich am Preusseneck ein Saunaclub.

honz
14.09.2006, 11:52
...

Peter Bean
20.11.2006, 19:33
Als ich meiner Schwiegertante vor mehr als 10 Jahren ganz stolz das PC-Spiel Wolfenstein3D vorführte um ihr zu beweisen, dass das kein Nazispiel sondern ein "Töte-den-Nazi-Spiel" ist, hielt sie plötzlich entgeistert inne und rief bestürzt aus: Das ist ja das Horst-Wessel-Lied!

Da ich schon tagelang vor der Kiste gesessen hatte um das Stalinmonster in Stufe 8 zu pulverisieren, träumte ich bereits von diesem immer gleichen Gedudel aus den PC-Lautsprechern. Weil ich gar nicht wusste, wovon sie redete und wahrscheinlich auch um mir ihre Geschichtskenntnisse zu beweisen, sang die alte Tante ein paar Worte zur elektronischen Begleitung meines ESCOM-PC mit 450 MHz. Tante war anschließend schwer zu überzeugen, dass dies wirklich kein Nazi-Spiel war. Und Tante konnte scheinbar den ganzen Text auswendig.