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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Benrath, Martin; Holtzmann, Thomas



windstad
01.09.2002, 16:46
Herr Benrath muss sich konzentrieren und Herr Holtzmann schaut finster

Sitze hier in Tromsø und hoere im NRK 1 (erstes norwegisches Radioprogramm) zu meiner Verwunderung eine Gedenksendung zu Ehren des "Wundergeigers" Helmut Zacharias, der im Fruehjahr verstorben sein soll. Aha. Das ist der Nachteil, wenn man auswandert: man bekommt nicht mehr mit, wer so stirbt und wer nicht. Waehrend ich leicht melancholisch geworden, meine beginnende Angina wechselweise mit Aspirin und Pfirsichkuchen bekaempfe, grueble ich darueber nach, ob es den Schauspieler Martin Benrath noch gibt. Der muesste doch schon gut ueber achtzig sein, nicht wahr? Nicht zufaellig denke ich akkurat an ihn, sondern weil ich mit ihm, Mitte der Achtziger mal eine Begegnung hatte.

Es begab sich folgendermassen:

Es muss 1985 gewesen sein, mein vorletztes Jahr als Student in Muenchen und in den Kammerspielen gab es diese spottbilligen Studentenbilletts, die den einzigen Nachteil hatten, dass man sie grotesk frueh abholen musste, weil sie sonst in den freien Verkauf kamen. Also Vorstellung um 20.oo Uhr. Karten spaetestens um 17.30 abgeholt. So weit, so gut. Mit dem Billett in der Tasche stand ich nun auf der Maximiliansstrasse und sann, wenn nicht gerade ueber den Sinn des Lebens, so doch vielmehr ueber den zu ueberbrueckenden Zeitraum nach. Irgendwie ziellos begann ich Richtung Schumann's zu gehen. Es nieselte leicht und mir entgegen kam ein mittelgrosser Mann in Hut und Trenchcoat. Der Gehsteig war durch ein Baugeruest verschmaelert, so dass es zwei Personen gerade moeglich war, aneinander vorbeizugehen.
Gewohnheitsmaessig wich ich zur Strasse hin aus, der Mann hatte jedoch den gleichen Gedanken. Nunmehr bemerkte ich, dass er leicht nach vorne gebeugt vor sich hinmurmelte und erst aufblickte als wir schon fast auf gleicher Hoehe waren. In dem Augenblick, als ich erkannte, dass es sich um Martin Benrath - den Hauptdarsteller des heutigen Stueckes - handelte, wichen wir beide in Richtung des Baugeruestes aus um sofort wieder die Strasse anzupeilen, nachdem wir die Aussichtslosigkeit des Unterfangens erkannt hatten. Jeder kennt diese Situation: diese trotteligen Trottoir-Taenze, die einem scheinbar ewig gleichem Muster folgen. Wenige Sekunden lang ist man einer unbekannten Person, gleichsam magisch verbunden und kann dem nicht entrinnen. Der Mime jedoch - sein konzentriertes Repetieren unterbrechend - fixierte mich kurz und warf mir ein: "Beide links jetzt!" hin. Eine Millisekunde nur sann ich drueber nach, ob er nun ausschliesslich "sein Links" meint (das ja "mein Rechts" gewesen waere...), um mich doch sogleich Richtung Baugeruest zu bewegen und siehe da: er nahm die freie Spur am Randstein entlang! Und weg war er. Gluecklich diese doch immer etwas peinlichen Episoden schadlos ueberstanden zu haben, setzte ich meinen Weg fort, nur um kurz darauf einem extrem finster dreinblickenden Thomas Holtzmann zu begegnen, dessen Wege ich aber gluecklicherweise auf einem normalbreiten Gehsteig kreuzte und mir somit ein zweiter entwuerdigender Buergersteig-Step erspart. Auch Herr Benrath schien durch diesen Vorfall nicht weiter in seiner Schauspielkunst beeintraechtigt und gab eine tadellose Vorstellung diesen Abend, soweit mir dies erinnerlich ist. Das Stueck jedoch und seine Rolle darin ist mir vollkommen entfallen, jedoch nicht unsere kleine Begegnung in der Maximiliansstrasse.

Und dunkel glaube ich mich zu erinnern, dass Martin Benrath vor nicht allzu langer Zeit verstorben ist. Oder irre ich mich? Kann mir jemand weiterhelfen? Vielen Dank.

DREA
01.09.2002, 17:14
Laut prisma-online.de, via Google: Geboren am Dienstag, 9. November 1926, in Berlin. Gestorben Montag, 31. Januar 2000.

Elpenor
01.09.2002, 17:16
Ja, ist er leider, verstorben, die Information entahm ich dieser Seite (http://show.fotex.de/film/00_02/fnew0002.htm), die nicht mit klaren Informationen geizt.

Sehr schöne Geschichte, Windstad. Da Sie in Norwegen ansässig sind, noch eine Frage:

Das Sylvester 1999/2000 verbrachte ich mit einigen Freunden dort. Wir waren in einer Hütte an der Südküste untergebracht und erwarteten den Jahreswechsel. In der Küche sitzend ergriff den Organisator der Reise Unruhe; er war fest davon überzeugt, daß zum Jahrtausendwechsel sämtliche Atomwerke wegen Computerfehler in die Luft fliegen müßten, überhaupt, so wurde nun deutlich, hatte er die Reise nur deswegen in dieses Gebiet gelenkt, da es nach seinen Berechnungen am weitesten von möglichen Gefahrenquellen ablag. Völlig unbeachtet seines ausgetüfteltem Plans, die uns seiner Beredsamkeit nach als einer der letzten Menschen an diesem sicheren Ort erschienen ließ, wollte er über zwei aufgetankte Autos verfügen, um, so wörtlich, "Abhauen können, wenn es kritisch wird." Die Malaise, die Autos waren fast leer, die nächste Tankstelle 15 km entfernt und er hatte keinen Führerschein. Also beredete er die Führerscheinbesitzer und wartete nach ablehnenden Antworten mit Bestechungsalkoholika in Form von Sekt und Bier auf. Nicht unverlockend, waren unsere mitgebrachten Proviante doch bald erschöpft und der Alkohol ist in Skandinavien bekanntlich teuer. Es konnte sich natürlich trotzdem keiner die Blöße geben und so blieb es bei einem lachenden am Tisch sitzen.

Im Hintergrund lief das Radio und nach einiger Zeit fiel uns auf, daß in dem eingestellten Sender ein Lied permanent wiederholt wurde. Ein melancholisches Lied, welches mit einsamen Gitarrenakkorden begann, ein Pfeifen gab es meiner Erinnerung nach auch, ein Sänger sang "And she said so ...", nach einigem wiederholen redete eine norwegische Stimme dazwischen, wo nur das Wort "Motor Psycho" verständlich war, danach begann wieder die Schleife des einen Liedes. Wir hörten stundenlang zu, ein Hauch von Apokalypse wehte nun tatsächlich in der Küchenstube.

Nun die Frage: Kennen Sie zufällig den Radiosender, der dieses Lied bis zum Neujahr unendlich wiederholte und warum er es tat? Später besagten Gerüchte, daß dieses Lied zum Jahrtausendlied erkoren wurde und deswegen dort lief, aber ich kenne weder den Titel noch bin ich sicher.

windstad
01.09.2002, 17:39
Dank fuer die prompte Information. An GOOGLE haette ich natuerlich auch denken koennen, aber das Fieber macht mich ein bisschen schuri.

MOTOR PSYCHO ist eine extrem populaere Band in Norwegen. Kann gut sein, dass ein Lied von ihnen zum Jahrtausenlied erkoren wurde. Von dieser Marathon-Radio-Milleniumsaktion ist mir leider nichts bekannt. Jedoch werde ich ein bisschen nachforschen und mich ggf. wieder melden.

Ignaz Wrobel
02.09.2002, 10:02
Mußte sehr lachen über diesen Trottoir-Tanz und den Mimen, der sein Repetieren nur durch den kurzen Befehl: "Beide links jetzt!" unterbricht. Das trifft ihn genau, finde ich! Windstad (was heißt das eigentlich?), bleiben Sie uns erhalten!

Lenin
03.09.2002, 11:26
"Beide links jetzt!" wäre auch ein guter Titel gewesen. Schöne Geschichte, windstad! Amüsant.

Ich habe mich nur gefragt: Wenn Benrath (von sich aus gesehen) nach links zur Straße hin auswich, dann liefen Sie ja auf der den Kammerspielen und dem Schumann's gegenüber liegenden Seite der Maximilianstraße, oder? Und: Warum?

windstad
03.09.2002, 13:52
Verehrter Wrobel,

Windstad ist ein Ortsname auf den Lofoten ("Im Lofot" sagt der Norweger) und gleichzeitig eine Hommage an einen alten Freund gleichen Namens. Die Bedeutung koennte schlicht mit "Staette des Windes" uebersetzt werden, was, wer norwegische Inseln kennt, gar nicht so fern liegt. Ich lebe ja selbst auch auf einer - wenn ungleich windstilleren - Insel.

Hilsen fra nordfra!

windstad
03.09.2002, 13:58
Sie haben recht Lenin,

aber wie gesagt: ziellos lief ich los und da kann es leicht sein, dass ich waehrenddessen die Strassenseite gewechselt habe.
Passiert mir uebrigens heute noch bisweilen, dass ich scheinbar grundlos die Strassenseite wechsle, um kurz darauf festzustellen, dass mein eigentliches Ziel auf der anderen Seite liegt.

Ich halte es da mit Lukas Resetarits' Theorie der Mikroben aus dem "Niemandsland", die uns haemisch grinsend planlos in der Gegend rumschicken und sich tierisch freuen, wenn wir zum dritten Mal in der Kueche stehen und nicht mehr wissen, was wir eigentlich dort wollten. Kennen Sie das?

Lenin
03.09.2002, 14:21
antwortet später, da er gerade in der Küche steht, sich am Kopf kratzt und wieder vergessen hat, was er da wollte.

slowtiger
04.09.2002, 13:03
Raus aus meiner Küche, Lenin, es reicht, wenn ich selber nicht weiß, was ich da wollte.

Lenin
04.09.2002, 14:32
ist nochmal langsam den Weg zurückgegangen, um sich zu erinnern, und tatsächlich: einen Nudelsalat wollte er machen, mit Thunfisch, Kapern und Mayonaise-Sauce, den besten Nudelsalat der Welt!

Wo sind die Kapern in Deiner Küche, slowtiger?

überlegt, ob er mit dem Salat ins Culinaricum gehen sollte

Das Rezept ist so gut, das halte ich besser geheim.

Elpenor
06.12.2002, 13:34
Wuchte ich mal, zum einen da Windstad seit dem 3.9. nichts mehr geschrieben hat, schade eigentlich, andererseits da ich vor einigen Tagen endlich das Lied fand, welches damals Sylvester 2000 im Radio lief. Es war Vortex Surfer von der Doppel CD Trust Us. Ein Höllenkracher.

Lenin
06.12.2002, 13:48
Hallo windstad! (Das Rezept war so gut, dass ich es doch nicht geheim halten konnte).

supersonic scientist
06.12.2002, 16:31
windstat hatte uebrigens vollkommen recht. Ein norwegischer Radiosender hat per Internet das beste Lied des vergangenen Jahrtausends waehlen lassen. Am Ende konnte sich Motorpsycho mit dem 'Vortex Surfer' knapp gegen Europes 'The Final Countdown' durchsetzen. Ein Glueck. Und zur Belohnung wurde der Surfer dann genau 24 Stunden lang gespielt.

supersonic scientist
06.12.2002, 16:44
Der Sender war NRK3, hier das Ergebnis (http://motorpsycho.fix.no/thisis/media/pix/Victory.gif) und hier die gluecklichen Gewinner (http://motorpsycho.fix.no/thisis/media/petrewin12_99_nor.htm). Und hier nochmal die Geschichte dazu. (http://motorpsycho.fix.no/thisis/media/taminews_99_ger.htm)

Lenin
06.12.2002, 19:30
malt sich mit Entsetzen aus, wie es Elpenor wohl heute gehen würde, hätte damals Europe mit "The Final Contdouwn" gewonnen.